StudySmarter - Die all-in-one Lernapp.
4.8 • +11k Ratings
Mehr als 5 Millionen Downloads
Free
Americas
Europe
Entdecke über 50 Millionen kostenlose Lernmaterialien in unserer App.
Lerne mit deinen Freunden und bleibe auf dem richtigen Kurs mit deinen persönlichen Lernstatistiken
Jetzt kostenlos anmelden"Der Vorleser" ist ein weltberühmter Roman des Juristen und Schriftstellers Bernhard Schlink. Das Buch handelt von einer Beziehung zwischen Hanna und Michael, den zwei Hauptfiguren. Der Ich-Erzähler Michael verliebt sich als Jugendlicher in die 21 Jahre ältere Hanna. Die Beziehung endet abrupt, doch als Jurastudent sieht Michael Hanna als Angeklagte in einer Gerichtsverhandlung wieder. Sie wird für ihre Mittäterschaft im Nationalsozialismus angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt.
"Der Vorleser" wurde insgesamt in 35 Sprachen übersetzt und führte lange internationale Bestsellerlisten an. 2008 wurde er außerdem vom Regisseur Stephen Daldry mit Starbesetzung verfilmt.
In der Zusammenfassung von "Der Vorleser" kann gesagt werden, dass Bernhard Schlink mehrere komplexe Themen und Konflikte wahrer Begebenheiten behandelt. Darunter etwa den Umgang nachfolgender Generationen mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und sexuellen Missbrauch an Minderjährigen.
Der Roman "Der Vorleser" verfügt über eine Rahmenhandlung, in der der mittlerweile erwachsene Michael Berg seine Geschichte niederschreibt. Das Buch ist in drei Teile unterteilt, die jeweils eine Lebensphase des Erzählers beschreiben. Die nachfolgende Tabelle zeigt Dir eine Inhaltsangabe von "Der Vorleser".
Erster Teil | Zweiter Teil | Dritter Teil |
|
|
|
Der erste Teil des Romans handelt von der Liebesbeziehung zwischen der Straßenbahnkontrolleurin Hanna und dem Jugendlichen Michael. Diese Beziehung wird aus der Perspektive des erwachsenen Michael beschrieben, der sich zurück erinnert.
Der Roman beginnt mit der Erinnerung an die Geldbsuchterkrankung, die Michael als 15-Jähriger erleidet. Als er sich auf der Straße übergibt, hilft ihm eine Frau und begleitet ihn nach Hause. Der Jugendliche liegt daraufhin einige Wochen mit Gelbsucht im Bett. Als es ihm besser geht, schickt seine Mutter ihn zu seiner Helferin, um sich zu bedanken. Mit einem Blumenstrauß geht er zu ihrer Wohnung, in der sie gerade dabei ist, ihre Unterwäsche zu bügeln.
Als Michael wieder gehen möchte, fordert die Frau ihn auf, zu warten, da sie ihn noch ein Stück begleiten will. Durch eine halbgeöffnete Tür sieht er, wie sie sich Strümpfe anzieht, was ihn sexuell erregt. Als er bemerkt, dass sie sehen kann, wie er sie anstarrt, rennt er aus Scham davon.
Michael, der gesundheitlich noch angeschlagen ist, träumt von der Begegnung. Seine Fieberträume werden immer sexueller, was ihn verunsichert. Wegen des großen Altersunterschiedes hat er moralische Bedenken und versucht, sein Begehren zunächst zu unterdrücken. Schon bald darauf geht er allerdings zurück zu Hannas Wohnung und wartet auf sie.
Als Hanna von der Arbeit kommt, hilft ihr Michael, Kohlen zum Heizen aus dem Keller zu holen. Weil er danach dreckig ist, überredet sie ihn zu baden, wobei sie seine Lust bemerkt. Sie zieht sich aus und verführt den 15-Jährigen. Die beiden schlafen miteinander.
Michael besucht Hanna seitdem täglich. Hannas Waschzwang ist der Grund dafür, dass sie sich täglich ausführlich gemeinsam duschen, bevor sie Sex miteinander haben. Als Michael ihr berichtet, dass er die Schule für die Besuche bei ihr schwänze, weil er glaubt, wegen seiner Krankheit sitzenzubleiben, wirft sie ihn hinaus. Hanna sagt, er solle erst wiederkommen, wenn er für die Schule gelernt habe.
Michael kommt der Aufforderung nach. Nach einiger Zeit kehrt er zu Hanna zurück und sie beginnen, bei ihren Treffen auch über seinen Schulstoff zu sprechen. Hanna fordert Michael auf, ihr die Bücher vorzulesen, die sie in der Schule behandeln. Das gemeinsame Lesen wird zum Ritual jedes Treffens. Zuerst liest Michael Hanna aus einem Buch vor, dann duschen sie gemeinsam und haben Sex. Danach liegen sie noch eine Weile beieinander.
Hanna weicht Michaels Fragen nach ihrer Vergangenheit immer wieder aus. Nachdem Michael sie auf ihrer Arbeitsstelle in der S-Bahn besucht hat, bricht ein Streit zwischen den beiden aus. Um des Friedens willen und weil Michael Angst hat, Hanna zu verlieren, nimmt er alle Schuld auf sich. Die Versöhnung findet durch Sex statt. Ab diesem Zeitpunkt wird jede Streitigkeit zwischen den beiden dadurch beigelegt, dass sich Michael erniedrigt und sie daraufhin miteinander schlafen.
Hanna und Michael planen in den Sommerferien eine mehrtägige Radtour, wobei Hanna die Vorbereitung und alle Entscheidungen dem Jugendlichen überlässt. So möchte sie zum Beispiel auch, dass er die Gerichte aussucht, wenn sie essen gehen. Um sie mit einem Frühstück zu überraschen, schleicht sich Michael eines Morgens aus dem Zimmer.
Als er zurückkommt, trifft er auf eine wütende und halb nackte Hanna. Er beteuert, dass er ihr einen Zettel geschrieben habe, dieser ist aber verschwunden. Hanna sagt, dass sie ihn nicht gesehen habe, schlägt Michael in ihrer Wut und bricht daraufhin zusammen. Weil sie zum ersten Mal Schwäche gezeigt hat, fühlt Michael sich ihr durch das Geschehene noch näher.
Seine Eltern sind noch verreist, als sie von der Radtour zurückkommen, weshalb er Hanna abends einlädt und für sie kocht. Sie ist fasziniert von den Büchern von Michaels Vater, der Philosophie-Professor ist. Weil sie sich wie ein Eindringling fühlt, weigert sich Hanna, die Nacht in Michaels Elternhaus zu verbringen, und das Paar geht zurück in ihre Wohnung.
Im neuen Schuljahr beginnt Michael mehr Zeit mit Klassenkameradinnen und -kameraden zu verbringen. Besonders zu Sophie, die in der Schule neben ihm sitzt, baut er eine engere Beziehung auf. Er beginnt, sich immer schuldiger zu fühlen, weil er seine Beziehung zu Hanna geheim hält.
Der soziale Mittelpunkt der Jugendlichen ist im Sommer das Freibad. Dort verbringt er den größten Teil seiner Freizeit. Mit Hanna kommt es immer häufiger zu Streit. Sie wirkt auf Michael gereizt und er glaubt, dass sie etwas belastet, wovon sie ihm nichts erzählt. An einem Tag im Freibad sieht Michael Hanna und möchte zu ihr gehen. Noch während er über eine angemessene Begrüßung nachdenkt, ist sie jedoch schon verschwunden.
Am nächsten Tag erfährt er, dass Hanna die Stadt verlassen hat. Sie soll ihre Arbeitsstelle gekündigt haben, obwohl ihr erst eine Weiterbildung zur Bahnfahrerin angeboten worden ist. Michael glaubt, dass Hanna seinetwegen umgezogen sei und hat ein schlechtes Gewissen, weil er nicht zu ihr gestanden hat.
Der zweite Teil des Romans spielt im Jahr 1966. Michael studiert Jura, ohne eine echte Leidenschaft für das Fach zu besitzen. Er hat das abrupte Ende der Beziehung zu Hanna nicht verarbeitet und ist deshalb emotional kalt. In einem Seminar über die rechtliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen verurteilt er, wie seine Mitstudierenden, ihre Elterngeneration für deren Taten.
Im Rahmen des Seminars können die Studierenden einer Gerichtsverhandlung beiwohnen. Auch wenn der Prozess in dem Roman fiktiv ist, erinnert er stark an die Auschwitzprozesse. Unter den Angeklagten befindet sich auch Hanna, die Michael zum ersten Mal seit seiner Jugend wiedersieht.
Die Auschwitzprozesse fanden 1967/68 in Frankfurt am Main statt. Sie sollten der juristischen Aufarbeitung des Holocausts (der Schoah) dienen, der zu großen Teilen im von Nazi-Deutschland besetzten Polen stattgefunden hat. Dabei wurden verschiedene Menschen angeklagt, die Funktionen in Auschwitz oder anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern innehatten.
Hanna gibt in dem Prozess an, dass sie 1943 von ihrer Arbeitsstelle bei Siemens zur SS gewechselt sei. Sie habe dann zuerst in Auschwitz und später in einem Nebenlager für Frauen gearbeitet, in dem Munition hergestellt wurde. Die Zwangsarbeiterinnen wurden regelmäßig ausgetauscht, die schwachen oder kranken Frauen wurden nach Auschwitz in den Tod geschickt. Hanna ist noch für weitere Verbrechen während der Todesmärsche nach Kriegsende angeklagt.
Die Schutzstaffel (SS) war eine Organisation, die sich 1925 gründete und unter der Diktatur des NS-Regimes als Instrument der Regierung fungierte. Sie war zuerst zur Unterdrückung der Bevölkerung und zur Erhaltung der Macht der Partei NSDAP gedacht. Ab 1934 fiel aber auch die Organisation der Konzentrations- und Vernichtungslager in ihren Aufgabebereich – somit auch die Umsetzung des Holocausts (der Schoah).
Nach der Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg wurden die Konzentrationslager von den Nationalsozialisten geräumt. Die meisten Gefangenen wurden dazu gezwungen, von Polen aus Richtung Westen zu gehen. Die Monate andauernden Märsche unter widrigsten Bedingungen werden als Todesmärsche bezeichnet, weil die meisten Häftlinge durch Hunger, Durst, Kälte, Erschöpfung oder nach Erschießung durch die Aufsehenden starben.
Bei dem Todesmarsch sollen die Wärterinnen, darunter auch Hanna, die Frauen aus dem Lager in einer Kirche eingesperrt haben. Als die Kirche bombardiert wurde, öffneten sie die Türen nicht, wodurch die Häftlinge in dem brennenden Gebäude eingesperrt waren. Nur eine Frau mit ihrer kleinen Tochter überlebte. Die heute erwachsene Tochter sagt als Zeugin vor Gericht aus.
Die anderen angeklagten Frauen verleugnen alles, was die Zeugin erzählt. Als Hanna zugibt, dass die Aussagen der Frau der Wahrheit entsprechen, nutzen die anderen ehemaligen Wärterinnen die Chance, sie als alleinige Täterin darzustellen. Sie sagen auch aus, dass Hanna in den Lagern immer Lieblinge hatte, die ihr abends vorlesen mussten.
Es gibt einen Bericht von den Wärterinnen, der die beschriebenen Geschehnisse belegt und von dem die Angeklagten sagen, dass Hanna ihn alleine verfasst hätte. Sie bestreitet das, weshalb der Richter nach einer Handschriftenprobe verlangt. Hanna möchte dieser aus dem Weg gehen und gibt schließlich zu, den Bericht allein verfasst zu haben.
Als Michael über die Geschehnisse vor Gericht nachdenkt, versteht er plötzlich, dass Hanna Analphabetin sein muss. Ihm fallen auch die Vorkommnisse aus seiner Jugend ein, wie der verschwundene Zettel in dem Hotelzimmer und dass er ihr immer wieder vorlesen musste. Er ist sich nicht sicher, ob er dem Richter von seiner Erkenntnis erzählen sollte, da Hanna sich sehr für ihr Handicap zu schämen scheint. Es könnte jedoch ihre Strafe mindern, wenn das Gericht davon erfahren würde. Michael bittet seinen Vater um Rat, der Hannas Würde und Selbstbestimmung betont, und sagt deshalb nichts.
Michaels Schuld wandelt sich. Es belastet ihn nun nicht mehr, Hanna als Jugendlicher verleugnet, sondern eine Verbrecherin geliebt zu haben. Er versucht, die Zeit des Nazi-Regimes besser zu verstehen, und fährt deshalb öfter in eine nahegelegene KZ-Gedenkstätte. Schließlich kehrt er aber zu seiner Methode zurück, seine Gefühle zu betäuben, indem er sich von seinen Emotionen abkoppelt und kalt gegenüber seinem Umfeld wird, um weiter an dem Prozess teilnehmen zu können. Am Ende des zweiten Teils wird Hanna zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Der dritte Teil deckt den längsten Zeitabschnitt, 1966 bis 1994/95, ab. Michael bleibt emotionslos. Sogar körperlich wird ein Mangel an Empfindsamkeit deutlich, sodass er in einem Skiurlaub fast erfriert. Als die Studierenden an den Universitäten in Deutschland immer stärker eine Aufarbeitung der NS-Geschichte fordern, stimmt er mit ihnen überein. Er ist allerdings nicht dazu in der Lage, sich der Bewegung junger Menschen anzuschließen, da er noch unter seinem schlechten Gewissen wegen seiner Gefühle für Hanna leidet.
Bei der Bewegung, die in "Der Vorleser" beschrieben wird, handelt es sich um die 68er-Bewegung. Diese war ein Zusammenschluss verschiedener politischer Strömungen aus dem linken Spektrum, die in den 60er-Jahren international stattfand. Auslöser waren die Bewegungen in den USA, die für die Rechte der Schwarzen Bevölkerung eintraten. In Deutschland trat dieser Zusammenschluss besonders ab dem Jahr 1968 hervor, daher die Bezeichnung. Neben der Aufarbeitung des Nationalsozialismus traten deren Anhängende auch für das Ende der Atomkraft und gegen den Vietnamkrieg ein.
Michael ist einige Jahre später verheiratet und hat eine Tochter. Da er sich mit keinem Beruf im Rechtswesen identifizieren konnte, hat er eine Karriere als Rechtshistoriker gewählt und spezialisiert sich auf die NS-Zeit. Seine Ehe geht bald in die Brüche, weil er immer noch keine Emotionen zulassen kann und seine Frau ständig mit Hanna vergleicht.
Nach der Scheidung von seiner Frau beginnt Michael 1984, Bücher und eigene Geschichten auf Kassetten einzulesen und diese zu Hanna ins Gefängnis zu schicken. Nach einiger Zeit bekommt er ihren Antwortbrief, in dem sie ihm mit ungeschickter Handschrift mitteilt, dass ihr das letzte Buch besonders gefallen hätte. Michael antwortet zwar nicht auf den Brief, schickt aber weiterhin regelmäßig Kassetten.
Nach siebzehn Jahren soll Hanna auf ihre Entlassung aus der Haft vorbereitet werden, weshalb sich die Gefängnisdirektorin bei Michael meldet. Sie bittet ihn, Hanna bei der Resozialisierung zu helfen und sie besuchen zu kommen. Michael fährt zunächst zwar nicht hin, besorgt ihr aber eine Wohnung und eine Arbeitsstelle, die sie in Freiheit antreten kann.
Als Resozialisierung bezeichnet man die Wiedereingliederung in die Gesellschaft von straffälligen Personen nach der Haftstrafe. Es werden verschiedene Hilfestellungen angeboten, sodass die Menschen nach der abgesessenen Strafe zurück in die Gesellschaft finden und Arbeit, einen Wohnort und ein nicht-kriminelles Umfeld erleben.
Erst nach mehreren Aufforderungen kommt Michael schließlich der Bitte der Gefängnisdirektorin nach und besucht Hanna eine Woche vor ihrer Entlassung. Sie ist stark gealtert und Michael beschreibt sie als ungepflegt, versucht sich seinen Eindruck aber nicht anmerken zu lassen. Hanna und Michael unterhalten sich über Schuld und über Hannas Taten während der NS-Herrschaft, wobei Hanna sagt, dass sie nur den Toten Rechenschaft schuldig sei.
Am Tag ihrer Freilassung erhängt sich Hanna in ihrer Gefängniszelle. Als Michael die Zelle besucht, sieht er, dass sich Hanna sehr intensiv mit dem Holocaust beschäftigt hat. Er findet viele Bücher, sowohl aus der Perspektive der Opfer, als auch der Täter. In einer Teedose hat Hanna 7.000 DM und ihr Testament aufbewahrt, in dem sie Michael darum bittet, das Geld der überlebenden Frau zu spenden, die in dem Prozess gegen sie ausgesagt hatte.
Erst einige Monate später sucht Michael die Frau auf, als er auf einer Tagung in New York ist. Die Dame, die den Todesmarsch als Kind überlebt hatte, weigert sich zuerst, die Summe anzunehmen, da sie Hanna keine Absolution erteilen will. Michael versucht, Hanna zu verteidigen, wobei die Überlebende begreift, dass Michael als Jugendlicher von Hanna missbraucht wurde. Sie spendet das Geld schließlich an eine jüdische Organisation, die gegen Analphabetismus kämpft.
Als Absolution bezeichnet man im religiösen Kontext die Freisprechung einer Person von allen Sünden. Sozial wird der Begriff verwendet, wenn man einer Person alle Taten vergibt.
Das Ende des Romans findet im Winter 1994/95 statt. Michael schreibt seine Lebensgeschichte auf. Er versucht, mit seinen Schuldgefühlen abzuschließen, um Hanna besser verstehen zu können. Allerdings wird er immer wieder von der eigenen Vergangenheit eingeholt.
Die beiden Hauptcharaktere in "Der Vorleser" sind Michael Berg und Hanna Schmitz.
Hanna und Michael gehen eine Liebesbeziehung ein, als Michael noch minderjährig und Hanna bereits 36 Jahre alt ist. Die beiden Figuren zeichnen sich vor allem durch ihre unterschiedlichen Herkünfte und Lebenswelten aus. Sie sind sich charakterlich in manchen Dingen ähnlich, doch außer ihrer Affäre gibt es nur wenige Anknüpfungspunkte zwischen den beiden.
Michael ist zu Beginn des Romans 15 Jahre alt. Er lebt mit seiner Familie in einer Stadt, deren Name zwar nicht genannt wird, die jedoch stark an Heidelberg erinnert. Sein Vater ist ein Professor für Philosophie, für den die Familie nach seiner Arbeit an zweiter Stelle steht. Über die Tätigkeit seiner Mutter wird nichts gesagt, allerdings hat Michael ein enges Verhältnis zu ihr und sie verwöhnt ihren Sohn.
Ich hatte zu lange Arme und zu lange Beine, nicht für die Anzüge, die meine Mutter herausgelassen hatte, aber für die Koordination meiner Bewegungen. Meine Brille war ein billiges Kassenmodell und mein Haar ein zauser Mop, ich konnte machen, was ich wollte.
Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Bernhard Schlinks "Der Vorleser" (1995, Diogenes Verlag).
Nach der Beziehung zu Hanna ist Michael bindungsunfähig. Nicht nur seine Ehe, sondern auch andere Beziehungen zu Frauen scheitern daran, dass er seine Partnerinnen immer mit Hanna vergleicht. Außerdem hat er durch die Herabsetzungen von Hanna und deren plötzliches Verschwinden Angst davor, wieder verletzt zu werden.
Mit seinen Mitstudierenden fühlt er sich zwar verbunden, weil sie alle der zweiten Generation nach der NS-Zeit angehören. Jedoch ändert sich dieses Bündnis, sobald er Hanna als Angeklagte sieht. Von da an ist sein persönliches Verhältnis zu diesem Teil der deutschen Geschichte von Schuldgefühlen geprägt. Er baut auch später kaum Freundschaften auf und wird von anderen häufig als arrogant wahrgenommen.
Hanna Schmitz ist 36 Jahre alt, als sie das erste Mal auf Michael trifft. Als der Jugendliche ihr hilft, Kohlen aus dem Keller in ihre Wohnung zu tragen, bemerkt sie sein erotisches Interesse an ihr und verführt ihn. In der Beziehung ist sie ihm gegenüber häufig herrisch, allerdings gibt es auch äußerst zärtliche Momente.
Sie schweigt gegenüber Michael über ihre Vergangenheit als KZ-Aufseherin und weicht seinen Fragen nach ihrer Herkunft aus. Die Lesenden erfahren bloß, dass sie mit 17 nach Berlin zog, um bei Siemens zu arbeiten. Als ihr eine Beförderung angeboten wurde, bei der ihr Analphabetismus zutage getreten wäre, geht sie aus Angst vor einer Bloßstellung in die SS. Dasselbe passiert später, als sie eine Weiterbildung zur S-Bahnfahrerin machen soll und sie die Stadt überstürzt verlässt.
Und weißt du, wenn keiner dich versteht, dann kann auch keiner Rechenschaft von dir fordern. Auch das Gericht konnte nicht Rechenschaft von mir fordern. Aber die Toten können es. Sie verstehen.
Sie sagt, dass die Toten ihr während ihrer Haft jede Nacht erschienen wären. Ihr Suizid kann als ein Eingeständnis ihrer Schuld gewertet werden. Eine andere Möglichkeit ist, dass Hanna Angst davor hatte, sich wieder ein neues Leben in Freiheit aufbauen zu müssen.
In der Analyse des Romans ist zu sagen, dass sich die Dreiteilung sowohl auf die emotionale als auch auf die zeitliche Komponente bezieht. Zudem spiegelt sich die Dreiteilung in der Beziehung zwischen Hanna und Michael wider. Auch die Sprache in "Der Vorleser" hat das Ziel, Michaels emotionale Lage zu transportieren. Da er als Ich-Erzähler fungiert und der sprachliche Ausdruck einfach gehalten ist, können sich die Lesenden mit ihm identifizieren.
Die drei Teile in "Der Vorleser" stellen drei Phasen von Michaels und Hannas Beziehung dar. Zwischen den Parts liegen jeweils Zeitsprünge von einigen Jahren. Die Kapitel, in die die Teile untergliedert sind, beginnen jeweils mit 1 und deuten so auch an, dass jeder Part als in sich geschlossen wahrgenommen wird.
Die drei Teile basieren in ihrer Handlung aufeinander. Trotzdem sind sie durch größere zeitliche Abstände voneinander getrennt, wodurch die beiden Hauptfiguren sich in jedem Teil jeweils in einer anderen Lebenssituation befinden.
Die Geschichte wird chronologisch von dem Ich-Erzähler Michael Berg erzählt. Erst das letzte Kapitel offenbart die retrospektive Erzählweise, da der Erzähler darüber berichtet, wie und warum er seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Diese Darstellung des Schreibens bildet dadurch die Rahmenhandlung des Romans, während die restliche Erzählung als Binnenhandlung angesehen werden kann.
Als retrospektiv bezeichnet man eine Erzählstruktur, bei der eine Figur auf frühere Geschehnisse zurückblickt und diese erzählt.
Rahmen- und Binnenhandlung bezeichnen in epischen Texten zwei Ebenen der Handlung. Die Rahmenhandlung ist dabei wie ein "Rahmen" um die Binnenhandlung gelegt. Meist wird die Binnenhandlung in der Rahmenhandlung erzählt oder verfasst.
Wie bereits erwähnt, ist Bernhard Schlinks "Der Vorleser" aus der Ich-Perspektive geschrieben. Dadurch wird erreicht, dass die Lesenden besonders Michaels Perspektive einnehmen und seine Emotionen und Handlungen nachempfinden können. Der Ausdruck des Erzählers bleibt dabei zum größten Teil schlicht, die Sätze sind kurz. Die Sprache des Romans erinnert oft an einen Bericht.
Der sachliche Ausdruck ist in dem folgenden Beispiel gut erkennbar:
Sie fragte mich, wo ich wohnte, stellte die Eimer in den Gang und brachte mich nach Hause. Sie lief neben mir, in der einen Hand meine Schultasche und die andere an meinem Arm. Es ist nicht weit von der Bahnhofstraße in die Blumenstraße.
Zum größten Teil ist die Sprache, wie in dem Beispiel, parataktisch. An Stellen, an denen Michael seine eigenen Gefühle und Taten reflektiert oder in Tagträume abdriftet, ist die Sprache poetischer. Allerdings bleibt auch in diesen Passagen die Syntax meist einfach.
Als Parataxe bezeichnet man eine Sprache, in der die Sätze aus mehreren gleichrangigen Teilsätzen bestehen. Das Gegenteil der Parataxe ist die Hypotaxe, bei der Nebensätze grammatikalisch einem Hauptsatz untergeordnet sind.
In dem Zitat reflektiert Michael sein Verhalten gegenüber Hanna:
Ich habe nichts offenbart, was ich hätte verschweigen müssen. Ich habe verschwiegen, was ich hätte offenbaren müssen. Ich habe mich nicht zu ihr bekannt.
Michael spielt mit den Gegensätzen, um sein schlechtes Gewissen auszudrücken, da er ihre Beziehung geheim gehalten hat. Die Wiederholungen der Worte "offenbaren" und "verschweigen" und das Vertauschen der beiden Verben wirken dabei poetisch.
"Der Vorleser" ist ein fiktiv-autobiografischer Roman. Das bedeutet, dass die Erzähltechnik die Lesenden glauben lässt, dass sich die Geschehnisse, die von Michael Berg berichtet werden, tatsächlich zugetragen hätten. Da es sich aber auch bei Michael um eine fiktive Figur handelt und die Ereignisse nur zum Teil lose auf wahren Begebenheiten beruhen (Auschwitzprozesse), ist der Roman selbst ebenfalls fiktiv.
"Der Vorleser" behandelt verschiedene Themen und Konflikte sowie gesellschaftliche Fragen: Darunter die Aufarbeitung der NS-Zeit in Deutschland, sexuellen Missbrauch an Jugendlichen und Analphabetismus. Diese Thematiken müssen deshalb bei einer Interpretation von "Der Vorleser" berücksichtigt werden.
Bernhard Schlinks Buch erschien 1995, während Deutschland mit hoher Arbeitslosigkeit und gleichzeitig der höchsten Zuwanderungsquote nach Kriegsende konfrontiert war. aufgrund der Neuartigkeit ist das Buch der Epoche der sogenannten Gegenwartsliteratur, auch Epoche der Postmoderne, zuzuordnen.
Die Epoche der Postmoderne wird zeitlich unterschiedlich eingeordnet. Am häufigsten wird die Einteilung von 1980 bis heute verwendet. Dabei sind die Themen und Motive der literarischen Werke dieser Zeit nicht einheitlich. Literarisch werden meist bereits dagewesene literarische Formen und historische Ereignisse zusammengesetzt, wodurch etwas Neues entsteht.
Die Postmoderne war von einem ausgeprägten politischen Krisenbewusstsein und einer Vervielfältigung der politischen Mittel geprägt. Durch den Beginn des Informationszeitalters können politische Ansichten und Meinungen ausgetauscht werden, wie es noch nie zuvor der Fall war. Auch das Privatleben wurde seit den 1980er-Jahren zunehmend als politische Dimension wahrgenommen. So stehen häufig gesellschaftliche und politische Thematiken im Mittelpunkt der literarischen Werke.
Mehr über die Literaturepoche der Postmoderne erfährst Du in der Erklärung "Postmoderne".
Die beiden Hauptfiguren in "Der Vorleser" stehen exemplarisch für ihre Generationen und deren Umgang mit den nationalsozialistischen Verbrechen.
Hanna war im Jahr 1943 in die SS eingetreten und später Aufseherin in Auschwitz und in einem Nebenlager. Die Anklage vor Gericht bezieht sich dabei insbesondere darauf, dass die Aufseherinnen hunderte Menschen jüdischen Glaubens in einer Kirche haben verbrennen lassen, als diese bombardiert wurde. Nur eine Mutter hat zusammen mit ihrer Tochter überlebt. Diese Tochter verfasste später ein Buch, in dem sie dieses Erlebnis schilderte und das als Grundlage für die Anklage diente.
Eine historische Vorlage für die Figur Hanna kann in Hermine Ryan gesehen werden. Die sogenannte "Stute von Majdanek" wurde 1981 wegen ihrer grausamen Taten in dem Konzentrationslager Majdanek zu lebenslanger Haft verurteilt. Zuvor hatte sie in New York gelebt und war mit einem Amerikaner verheiratet, der nichts von ihrer Vergangenheit während des Nationalsozialismus wusste.
Das Konzentrationslager Lublin-Majdanek war das erste KZ, das im von Deutschland besetzten Polen von den Nazis errichtet wurde. Es wurde während der Kriegsjahre zeitweise auch als Vernichtungslager bzw. Todeslager verwendet.
Der Bezug wird in "Der Vorleser" durch die Beschreibung von Hannas Aussehen und Spitznamen, die Michael Hanna gibt, ersichtlich. Hanna wird zum Teil mit einem pferdeähnlichen Aussehen beschrieben, was den Rückschluss auf Hermine Ryan zulässt, die "Stute" genannt wurde.
Ich könnte Cheval zu dir sagen oder Hottehüh oder Equinchen oder Bukeffelchen. Ich denke bei Pferd nicht an Pferdegebiß oder Pferdeschädel oder was immer dir nicht gefällt, sondern an etwas Gutes, Warmes, Weiches, Starkes.
Der Gerichtsprozess selbst wird von Schlink kritisch dargestellt. Michael, der dem Prozess als Beobachter beiwohnt, bezeichnet die Anwaltschaft und den Richter als "alte Nazis". Er verurteilt das Gericht bei einer Anhörung in Israel, indem er beschreibt, dass Richterinnen, Richter und die Anwaltschaft die Reise als touristisches Ereignis missbraucht hätten.
Doch auch der Umgang seiner eigenen Generation wird durch Michael kritisiert. So wirft er den Studierenden, die sich für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen einsetzen, vor, sich nicht wirklich für das Thema zu interessieren.
Manchmal denke ich, daß die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nicht der Grund, sondern nur der Ausdruck des Generationenkonflikts war, der als treibende Kraft der Studentenbewegung zu spüren war.
Es wird in diesen Beschreibungen deutlich, dass der Roman den Umgang mit der deutschen Vergangenheit skizziert und die verschiedenen gesellschaftlichen Parteien zu dem Thema darstellen will.
Für die Figur Hanna ist die Tatsache, dass sie Analphabetin ist, von großer Bedeutung. Anhand dessen wird das zentrale Motiv des Romans, die Schuld, deutlich. Mittels Hannas Unfähigkeit zu lesen und zu schreiben wird ihre persönliche Schuld in dem Roman diskutiert.
In der Beziehung zwischen Hanna und Michael im ersten Teil des Romans versucht Hanna mit allen Mitteln vor dem Jugendlichen zu verheimlichen, dass sie nicht lesen und schreiben kann. Dies ist ihr vor allem durch die Dynamik der Beziehung möglich, da sich Michael ihr ständig unterordnet. Er versucht, ihr Verhalten immer wieder zu deuten, wobei er nie versteht, dass sie aufgrund eigener Schwächen so handelt, wie sie handelt.
Es war gerade schick, die Schulsachen nicht mehr in der Tasche, sondern unter dem Arm zu tragen, und wenn ich sie bei ihr auf den Küchentisch legte, stand obenauf mein Name, auf den Heften und auch auf den Büchern, die ich gelernt hatte, mit starkem Papier einzubinden und mit einem Etikett zu bekleben, das den Titel des Buchs und meinen Namen trug. Aber sie hatte nicht darauf geachtet.
In diesem Zitat wird deutlich, dass Hanna Michael nach seinem Namen gefragt hat, weil sie ihn auf seinen Heften nicht lesen konnte. Michael ordnet es aber so ein, dass sie nachlässig sei, oder sich nicht für seine Person interessiere. Damit ordnet er sich ihr unter, obwohl Hannas die Frage nur aufgrund ihres Analphabetismus gestellt hat.
Gleichzeitig stellt auch Michael sich selbst immer wieder die Frage, ob Hanna wirklich nur zur Täterin geworden ist, weil sie nicht lesen und schreiben konnte. Er fragt sich, ob sie die Frauen, die ihr im KZ vorlesen mussten, in den Tod geschickt hat, damit es keine Zeuginnen ihres Analphabetismus gibt.
Mit der Energie, mit der sie ihre Lebenslüge aufrechterhielt, hätte sie auch längst lesen und schreiben lernen können.
Michaels Reflektion zu Hannas Bemühungen, den Analphabetismus geheim zu halten, stellt infrage, ob die Scham Hannas Schuld wirklich mindert. Es wäre, so kann man die Aussage interpretieren, auch ein anderer Weg für sie möglich gewesen. An einer anderen Stelle beschreibt Michael, dass Hanna durch den Analphabetismus unmündig sei.
Als Hanna sich im Gefängnis das Lesen und Schreiben selbst beibringt, nutzt sie die neuen Kenntnisse, um sich umfassend mit den nationalsozialistischen Verbrechen auseinanderzusetzen. Das wird häufig so interpretiert, dass sich Hanna letztendlich ihrer eigenen Schuld stellt, die sie den Großteil ihres Lebens zu verheimlichen versucht hat.
Hannas und Michaels Beziehung ist das zentrale Thema des ersten Teils des Romans. Es handelt sich dabei nicht um eine Beziehung auf Augenhöhe, sondern um sexuellen Missbrauch, da Michael noch jugendlich ist und Hanna erwachsen.
Als Hanna im Gefängnis ist, ändert sich die Dynamik der beiden, da nun Michael gegenüber Hanna Macht besitzt.
Bernhard Schlink wurde 1944 in Großdornberg in der Nähe von Bielefeld geboren. Er arbeitet bis heute als Jurist und Schriftsteller in Bielefeld und war zeitweise auch als Hochschullehrer tätig. Sein Vater, Edmund Schlink, arbeitete als Professor für Theologie an der Universität Heidelberg. Auch Schlinks Mutter Irmgard war Theologin.
Das Vorlesen ist für Hanna wichtig, da sie selbst nicht lesen kann. Auf diese Weise kann sie Literatur und Geschichten konsumieren.
Die Stadt, in der der Roman spielt, wird zwar nicht benannt, aber sie erinnert stark an Heidelberg.
Hanna war in verschiedenen KZs Aufseherin und hat während des Todesmarsches nach Kriegsende hunderte jüdische Häftlinge in einer Kirche verbrennen lassen, als diese bombadiert wurde.
"Der Vorleser" spielt in der Zeit von 1958 bis 1995.
Karteikarten in Der Vorleser9
Lerne jetztVon wem wurde der Roman "Der Vorleser" verfasst?
Bernhard Schlink
Welchen Beruf übt Hanna während ihrer Beziehung zu Michael aus?
Kontrolleurin in der Straßenbahn
Während die beiden eine Radtour unternehmen, ist Michael eines Morgens nicht da. Warum schlägt Hanna ihn, als er nach kurzer Zeit zurückkommt?
Michael hat Hanna einen Zettel dagelassen, auf dem er erklärt hat, dass er Frühstück holt. Da Hanna nicht lesen kann, denkt sie, dass er sie an einem ihr unbekannten Ort allein zurückgelassen hat und wird wütend auf ihn.
Wegen welcher Taten steht Hanna vor Gericht?
Hanna war Aufseherin in Auschwitz und in einem weiteren KZ. Bei dem Todesmarsch 1945 hat sie zusammen mit anderen Wärterinnen viele jüdische Gefangene in eine Kirche gesperrt und diese auch nicht geöffnet, als sie bombadiert wurde. Alle außer einer Mutter und ihrer Tochter sind dabei verbrannt.
Weswegen ist es Michael nicht möglich Beziehungen zu Frauen zu führen?
Weil er alle Frauen mit Hanna vergleicht
Warum heißt der Roman "Der Vorleser"?
Der Roman heißt "Der Vorleser", weil Michael Hanna während ihrer Beziehung Bücher vorliest. Als Hanna im Gefängnis sitzt, schickt er ihr Kassetten, auf denen er Bücher und eigene Texte eingelesen hat.
Du hast bereits ein Konto? Anmelden
Die erste Lern-App, die wirklich alles bietet, was du brauchst, um deine Prüfungen an einem Ort zu meistern.
Melde dich an für Notizen & Bearbeitung. 100% for free.
Speichere Erklärungen in deinem persönlichen Bereich und greife jederzeit und überall auf sie zu!
Mit E-Mail registrieren Mit Apple registrierenDurch deine Registrierung stimmst du den AGBs und der Datenschutzerklärung von StudySmarter zu.
Du hast schon einen Account? Anmelden