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Sansibar oder der letzte Grund

Freiheit ist etwas, das häufig erst dann auffällt, wenn es fehlt. Der Autor Alfred Andersch verfolgte den Glaubenssatz, dass selbstbestimmtes Handeln Freiheit bedeutet. 

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Freiheit ist etwas, das häufig erst dann auffällt, wenn es fehlt. Der Autor Alfred Andersch verfolgte den Glaubenssatz, dass selbstbestimmtes Handeln Freiheit bedeutet.

In Andersch Roman "Sansibar oder der letzte Grund" sucht jede der Figuren nach ihrer persönlichen Art von Freiheit, die sie im nationalsozialistischen Deutschland nicht finden können. Der Roman ist im Jahr 1957 erschienen und handelt von einer Gruppe ungleicher Menschen, die im Jahr 1937 versuchen, aus Deutschland zu fliehen. 1961 wurde "Sansibar oder der letzte Grund" zum ersten Mal verfilmt, 1987 erschien ein zweiter Film, der ebenfalls auf der Geschichte basiert.

"Sansibar oder der letzte Grund" – Zusammenfassung

In der Kleinstadt Rerik an der Ostsee treffen 1937 fünf Menschen zusammen, die zunächst nicht viele Gemeinsamkeiten haben. Gregor ist ein Intellektueller und Kommunist, Knudsen ist ebenfalls Mitglied der kommunistischen Partei und Fischer. Helander ist ein evangelischer Pfarrer und konservativ eingestellt. Judith ist eine junge Jüdin, die in Deutschland verfolgt wird. Außerdem träumt ein 15-jähriger Schiffsjunge von der weiten Welt.

Gemeinsam versuchen sie, Judith in das sicherere Schweden zu bringen und eine Holzskulptur vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten zu bewahren. Im Folgenden findest Du die Zusammenfassung des Romans "Sansibar oder der letzte Grund" in Sinnabschnitte unterteilt.

Das Zusammentreffen

In der verschlafenen Kleinstadt Rerik leben der Fischer Knudsen und sein Lehrling, ein 15-jähriger Junge. Knudsen ist zwar Mitglied der kommunistischen Partei, hat sich allerdings von ihr entfernt. Der Lehrling hält die Langeweile der kleinen Hafenstadt kaum noch aus und träumt davon, endlich von dort weggehen zu können.

Auch der konservative Veteran des Ersten Weltkrieges und Pfarrer Helander lebt in der Stadt. Er fühlt sich von Gott verlassen und ist gegen die nationalsozialistische Diktatur, die seit 1933 in Deutschland besteht. Er möchte eine Holzskulptur namens "Lesender Klosterschüler" außer Landes schaffen, weil diese von den Nationalsozialisten als "entartete Kunst" eingestuft wurde.

Während der Diktatur der NSDAP in Deutschland (1933–1945) wurden viele Werke moderner Kunstströmungen als "entartet" deklariert. Dieser Begriff wurde aus der pseudowissenschaftlichen Rassenlehre entnommen. Die Kunstwerke, die unter diese Einteilung fielen, wurden verboten und/ oder zerstört.

Helander bittet deshalb Knudsen, diese Skulptur mit sich auf seinen Fischkutter zu nehmen und nach Schweden in Sicherheit zu bringen. Knudsen, der dafür nachts heimlich mit seinem Boot fahren müsste, lehnt ab, die Plastik ins Ausland zu verschaffen.

Gregor kommt als Kontaktmann der kommunistischen Partei nach Rerik, da er mit Knudsen, dem einzigen Parteigenossen in diesem Ort, sprechen möchte. Die beiden treffen sich in der Kirche des Ortes, wo auch Gregor die Skulptur sieht. Für ihn verkörpert der abgebildete Klosterschüler die Freiheit der Selbstbestimmung, da der Schüler das Buch jederzeit zuklappen könnte, wenn er wollte.

Gregor hat sich selbst bereits von seiner Partei entfernt. Er möchte eigentlich ins Ausland fliehen, um den Nationalsozialisten zu entkommen. Darum bittet er den Fischer Knudsen, ihn mit seinem Kutter ins Ausland zu bringen. Knudsen lehnt dies ab und Gregor nimmt seinen Fluchtversuch als gescheitert hin.

Da Gregors eigene Flucht gescheitert ist, bittet er Knudsen schließlich darum, die Skulptur des Klosterschülers ins Ausland zu bringen. Diese hat ihn so sehr berührt, dass er sie in Sicherheit wissen will. Knudsen lässt sich schließlich darauf ein und ist nun dazu bereit, die Skulptur des Pfarrers mit sich zu nehmen.

Judiths Geschichte

Judith ist mit ihrer Mutter in der Hoffnung nach Rerik gekommen, Deutschland von dort aus verlassen zu können. Die beiden sind auf der Flucht vor den in jüngster Vergangenheit verabschiedeten Nürnberger Gesetzen. Sie halten sich in einer Pension auf, allerdings hat der Betreiber der Unterkunft bereits den Verdacht geschöpft, dass Judith etwas versteckt. Mutter und Tochter sind dort unter einem anderen, nicht jüdischen Nachnamen, untergekommen.

Die Nürnberger Gesetze

Am 15. September 1935 wurden in Deutschland die Nürnberger Gesetze, die auch die Nürnberger Rassegesetze oder die Ariergesetze genannt werden, erlassen. Diese legten den rechtlichen Grundstein für die Verfolgung von Jüdinnen und Juden und lösten bereits bei ihrem Inkrafttreten eine umfassende Diskriminierung verschiedener Bevölkerungsgruppen aus.

Die Nürnberger Gesetze bezogen sich auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Die beiden einschneidendsten Gesetze waren das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" und das "Reichsbürgergesetz."

Das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbot Jüdinnen und Juden, nicht jüdische Deutsche zu heiraten oder außerehelichen Geschlechtsverkehr mit diesen zu haben. Dabei wurden auch die nicht jüdischen Partnerinnen und Partner bestraft.

Das "Reichsbürgergesetz" beschnitt die politischen Rechte sowohl von Jüdinnen und Juden als auch von vielen anderen Menschen. Das Gesetz teilte die Menschen in Deutschland in drei verschiedene Gruppen ein, denen unterschiedliche Rechte zuteilwurden. Über alle politischen Rechte verfügten die sogenannten Reichsbürger, die über eine deutsche Staatsbürgerschaft verfügen mussten, nach den Rassegesetzen "deutsch" sein und dem Staat treu handeln mussten.

Staatsangehörige, die nach den Rassengesetzen anders eingeteilt wurden, wurden einige Rechte aberkannt. Unter die dritte Kategorie fielen all jene Menschen, auf die keines dieser Kriterien zutraf. Nach dem Reichsbürgergesetz durften jüdische Menschen keine öffentlichen Ämter mehr betreuen. Es blieb ihnen zwar noch das Wahlrecht – allerdings nur, sofern sie Reichsbürger waren –, sie durften sich jedoch nicht mehr für eine Wahl aufstellen lassen.

In einer Nacht kommt der Besitzer der Pension unter einem falschen Vorwand in Judiths Zimmer und versucht sich heimlich ihren Ausweis anzuschauen. Judiths Angst wird dadurch noch größer. Ihre Mutter nimmt sich das Leben, weil sie krank und alt ist und Judith nicht länger zur Last fallen will. Sie will, dass ihre Tochter nach ihrem Selbstmord endlich den Mut zur Flucht findet.

Nachts sieht Judith ein schwedisches Schiff im Hafen anlegen und hofft darauf, auf diesem fliehen zu können. Sie trifft auf Gregor, der die Situation sofort erkennt und ihr zu helfen versucht. Judith schafft es, mit einem Matrosen auf das Schiff zu kommen, da dieser in betrunkenem ´Zustand hofft, mit ihr schlafen zu können. Als er nüchtern wird, bittet er sie aber wieder zu gehen.

Die Vorbereitung der Flucht

Knudsens Lehrling ist verwundert darüber, dass der Fischer im Gegensatz zu allen anderen, noch nicht zum Dorschfang abgelegt hat. Der Lehrling sehnt sich ebenfalls danach, Rerik endlich verlassen zu können. Er empfindet die Kleinstadt als erdrückend eng und die Menschen als spießig. Der Junge glaubt zudem, dass sein Vater an der Langeweile der Stadt gestorben ist und nicht, wie allgemein angenommen, an seiner Alkoholsucht.

Als er nachdenkt, fällt ihm ein dritter und letzter Grund dafür ein, Rerik zu verlassen. Die Existenz einer Insel wie Sansibar löst in dem Jungen großes Fernweh aus.

Noch bevor Gregor Judith trifft, vereinbart er mit Knudsen einen Plan zur Rettung der Skulptur. Gregor Helander soll sie nachts heimlich an ein Ufer außerhalb der Stadt bringen. Von dort aus soll der Schiffsjunge sie mit einem Ruderboot abholen und zu dem Kutter bringen. Gregor soll dann zu Fuß zurückkehren.

Gregor hofft weiterhin darauf, dass Knudsen ihm anbietet, ihn auch außer Landes zu schaffen, aber der Fischer hat eine tiefe Antipathie gegen den Intellektuellen. Auf dem Weg zur Kirche begegnet Gregor erneut Judith, die gerade das schwedische Schiff verlässt. Er nimmt sie mit zur Kirche.

Helander hat gesundheitliche Probleme, da er im Ersten Weltkrieg sein Bein verloren hat und sich sein Stumpf oft entzündet. Er denkt darüber nach, ob er mit der Plastik fahren oder in Rerik bleiben soll, als Gregor mit Judith in der Kirche eintrifft.

Die Flucht

Der Junge holt Gregor, Judith und die Statue ab. Obwohl Gregor zuerst nicht mit fahren sollte, kommt er so auch zu dem Kutter. Der Wellengang ist sehr stark und es fällt ihm schwer, das Ruderboot unter Kontrolle zu halten. Obwohl er nicht in den Plan von Knudsen eingeweiht ist, ahnt er, dass sich für ihn eine Chance ergibt, Rerik endlich zu verlassen.

Nur knapp entkommen sie einem Zollboot, das mit einem Scheinwerfer die See kontrolliert. An Knudsens Kutter angekommen, weigert dieser sich zunächst, Judith mitzunehmen. Knudsen glaubt, dass Gregor sie nur mitgebracht hat, um selbst nach Schweden fahren zu können.

Gregor schlägt Knudsen im Streit nieder und fragt den Jungen, ob er sich zutrauen würde, Judith und die Plastik allein nach Schweden zu bringen. Während dieser zustimmt, steht Knudsen wieder auf. Für ihn hat Gregor durch seine Worte bewiesen, dass es ihm wirklich nicht um sich selbst ging, weshalb er nun doch anbietet, den Parteigenossen mitzunehmen. Gregor lehnt diesmal jedoch ab und kehrt nach Rerik zurück.

Während der Fahrt erzählt der Junge Judith von seinem Plan, ebenfalls zu fliehen. Sie ist entsetzt darüber und wendet ein, dass Knudsen schwere Strafen bevorstehen würden, wenn er allein nach Deutschland zurückkäme. Dadurch würde offensichtlich werden, dass er wegen des Schmuggels von Flüchtlingen unterwegs war.

Helander und Gregor in Rerik

Gregor geht am nächsten Morgen zur Kirche und holt sein Fahrrad ab. Als er Helander sieht, verdeutlicht er ihm, dass alles nach Plan gelaufen wäre. Helander geht wieder in die Kirche zurück und vertieft sich in Gedanken über Gott. Er fühlt sich von Gott verlassen, glaubt aber noch an dessen Existenz. Er weiß, dass die Anderen bald ankommen und ihn befragen würden.

In dem Roman "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch werden die Nationalsozialisten durchgängig als "Die Anderen" bezeichnet.

Helander holt seine Pistole aus einer Schublade, als er vier Männer von den Anderen in die Kirche kommen sieht. In dem Moment, als der erste der Männer das Zimmer betritt, in dem sich Helander aufhält, schießt der Pfarrer auf die Hereinkommenden. Dadurch provoziert er von ihnen erschossen zu werden. Während die Kugel in seinen Körper eindringt, erkennt er an der Wand ein göttliches Zeichen, auf das er lange gewartet hat.

Die Ankunft in Schweden

Knudsen, der Junge und Judith kommen bei Skillinge in Schweden an. Knudsen begleitet Judith bis zur nächsten Hauptstraße. Dort angekommen verabschiedet er sie und Judith geht mit der Skulptur in den Ort. Der Junge flieht währenddessen durch einen Kiefernwald, bis er eine kleine Hütte findet.

Er beschließt, einige Zeit in der Hütte zu verbringen und sich später als politisch Verfolgter auszugeben. Als er aber zwei Fische fängt und sie isst, bemerkt er, dass diese ohne Salz nach nichts schmecken. Er geht zurück zu der Stelle, an der sie mit dem Fischkutter angelegt haben. Knudsen sitzt auf dem Boot und raucht. Der Junge betritt wortlos den Kutter und fährt mit Knudsen zurück nach Deutschland, als wäre nichts gewesen.

"Sansibar oder der letzte Grund" – Figurenkonstellation

In "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch treffen unterschiedliche Figuren aufeinander. Obwohl sie nicht viel verbindet, vereint sie ihr gemeinsamer Feind: die als "Die Anderen" bezeichneten Nationalsozialisten. Alle Figuren haben unterschiedliche Beweggründe, das Land verlassen zu wollen und letztendlich verbleiben nur Judith und die Statue "Lesender Klosterschüler" in Schweden.

"Sansibar oder der letzte Grund" Charakterisierung

Die Figuren in Alfred Andersch' Roman "Sansibar oder der letzte Grund" stammen aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen. Sie wären sich wahrscheinlich nicht begegnet, wenn sie nicht hätten fliehen wollen. Alle arbeiten nur zusammen, weil die Anderen einen gemeinsamen Feind darstellen und sie aus verschiedenen Gründen unter der Diktatur und deren Verfolgungen leiden.

Knudsen

  • ist das letzte aktive Mitglied der kommunistischen Partei in Rerik
  • hat den Glauben in seine Partei aber seit längerer Zeit verloren, weil diese die Machtergreifung der Anderen nicht verhindern konnte
  • würde Deutschland gern verlassen, hat aber Angst um seine Frau
  • Knudsens Frau wurde einmal fast wegen ihrer leichten geistigen Einschränkungen inhaftiert
  • Knudsen versucht deshalb so wenig Kontakt, wie möglich zu der Parteizentrale zu haben, da er Angst hat, seine Frau in Gefahr zu bringen
  • beteiligt sich letztendlich an der Flucht, weil er sich seinem Schicksal nicht untätig hingeben will
  • bemerkt am Ende, dass er auch durch Taten in seinem Privatleben etwas bewirken kann

Gregor

  • Funktionär und Kontaktmann der kommunistischen Partei
  • möchte aus Deutschland fliehen, weil er den Glauben an seine Partei verloren hat
  • kommt nach Rerik, um seinen letzten Auftrag auszuführen
  • ist der "Kontaktmann", der den Kontakt zwischen den anderen Figuren herstellt
  • sieht in der Statue "Lesender Klosterschüler" den Inbegriff der Freiheit, weshalb er Helander helfen will, diese in Sicherheit zu bringen
  • erkennt, dass er seinen eigenen Wunsch zu fliehen zurückstellen muss, da Judiths Leben mehr bedroht ist
  • sieht in der selbstkritischen Art zu handeln, die wahre Freiheit

Helander

  • ist evangelischerPfarrer und politisch konservativ eingestellt
  • hat im Ersten Weltkrieg gekämpft und dabei ein Bein verloren, seitdem hat er gesundheitliche Schwierigkeiten
  • möchte die Plastik "Lesender Klosterschüler" retten, die von den Anderen als "entartete" Kunst angesehen wird. Er erkennt in ihr das größte Heiligtum seiner Kirche.
  • hat seit dem Ersten Weltkrieg den Glauben in einen gütigen Gott verloren
  • entdeckt ein Zeichen Gottes im letzten Augenblick seines Lebens, kurz bevor er erschossen wird

Der Schiffsjunge

  • ist der 15-jährige Lehrling von Knudsen
  • möchte Rerik um jeden Preis verlassen, weil er glaubt, dass die Langeweile der Stadt seinen Vater umgebracht hat
  • verachtet die Spießigkeit der Kleinstadt und sehnt sich nach mehr Freiheit
  • seine Vorstellung von der Insel Sansibar gibt ihm den ausschlaggebenden Grund dafür, seine Chance zur Flucht zu ergreifen
  • entscheidet sich letztendlich dazu, mit Knudsen nach Deutschland zurückzufahren, weil er seinen Lehrmeister nicht in Gefahr bringen will

Judith

  • kommt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie
  • ist mit ihrer Mutter nach Rerik gekommen
  • Judiths Mutter begeht Selbstmord, um ihre Tochter dazu zu bewegen, Deutschland endlich zu verlassen.
  • wird durch den Tod ihrer Mutter schlagartig erwachsen, da sie zuvor sehr behütet aufgewachsen ist
  • redet dem Schiffsjungen ins Gewissen, mit Knudsen zurückzufahren, um ihn nicht in Gefahr zu bringen

"Sansibar oder der letzte Grund" – Aufbau und Sprache

"Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch folgt einem Aufbau von 37 kurzen Kapiteln, die jeweils die handelnden Figuren als Titel haben. Die Sprache des Romans ist von kurzen, aber auch sehr ausdrucksstarken Sätzen geprägt und erinnert mitunter an den Expressionismus.

Der Expressionismus war eine Literaturepoche, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt hatte. Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller stellten vor allem Themen wie Krieg, Tod und Zerfall durch eine bildliche und ausdrucksstarke Sprache dar. Falls Du mehr über diese Literaturepoche erfahren möchtest, schau Dir doch die entsprechende Erklärung "Expressionismus Literatur" auf StudySmarter an.

"Sansibar oder der letzte Grund" – Aufbau

Die 37 Kapitel des Romans "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch können in vier inhaltliche Abschnitte eingeteilt werden. Die Gesamthandlung ist kontinuierlich steigend, was bedeutet, dass die Spannung in dem Roman ansteigt, bis sie am Ende den Höhepunkt erreicht.

In "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch sind die Kapitel, wie in einem Theaterstück, immer mit den handelnden Figuren überschrieben. Diese Kapitel wechseln sich ab mit Abschnitten, in denen innere Monologe des Schiffsjungen geschildert werden, der die Ereignisse einordnet. Dadurch ändert sich auch die Erzählperspektive über den Roman hinweg.

In den Kapiteln, die mit den Namen der Figuren überschrieben sind, ist ein personaler Erzähler vorhanden. Das bedeutet, dass die Geschichte zwar – mit Ausnahme der inneren Monologe – nicht aus der Ich-Erzählperspektive verfasst ist, aber dennoch die Perspektive einer Figur eingenommen wird. Dabei werden die Gefühle und Gedanken dieser Figur in den Vordergrund gestellt. Nur an wenigen Stellen taucht ein auktorialer, also allwissender Erzähler, auf.

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Der personale Erzähler wechselt dabei auch innerhalb der Kapitel, wodurch der Roman nicht eine objektive Wahrheit oder Geschichte erzählt. Dadurch ist auch die Zeitstruktur des Romans bestimmt, da viele Begebenheiten mehrmals aus verschiedenen Perspektiven dargestellt werden. Die Stellen, an denen der auktoriale Erzähler auftritt, sind durch den Wechsel der Zeitform zum Präteritum erkennbar. Es handelt sich dabei meist um Rückblicke und Erklärungen der Biografien der Figuren.

"Sansibar oder der letzte Grund" – Sprache

Die Sprache in "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch ist durch einen nüchternen und sachlichen Schreibstil gekennzeichnet. Die Sprache soll die Realität der damaligen Zeit so genau wie möglich abbilden. Dabei ist der Roman hauptsächlich in parataktischen Sätzen verfasst.

Als Parataxe werden Sätze bezeichnet, die aus mehreren grammatikalisch gleichwertigen Hauptsätzen bestehen.

Durch diese parataktische Satzstruktur wird den Lesenden der Eindruck vermittelt, dass die Geschehnisse realitätsgetreu wiedergegeben werden. In den aufeinanderfolgenden Hauptsätzen werden viele Details der Handlung genannt, die die Situation ausschmücken.

Die personelle Erzählperspektive von "Sansibar oder der letzte Grund" spiegelt sich auch in der Sprache des Werks wider. Je nachdem, aus welcher Sicht die Handlung erzählt wird, verändert sich auch der Stil des Romans. So ist sie bei dem Schiffsjungen und Knudsen eher umgangssprachlich und auch von einem norddeutschen Dialekt geprägt, wie im folgenden Beispiel erkennbar:

Die Partei kann mich am Arsch lecken. Die Partei hätte schießen sollen, statt jetzt Instrukteure zu schicken.1

Die Sprache von Helander und Judith ist vielmehr von deren bildungsbürgerlichen Herkunft geprägt. Die Sprache ist, wenn die Handlung aus ihrer Perspektive erzählt wird, nicht mehr umgangssprachlich. Im folgenden Zitat wird aus Helanders Perspektive beschrieben, wie sich die Welt für ihn anfühlt, nachdem Gott diese verlassen hat:

Gregor hat einen sachlichen und nüchternen Ton, der seinen rationalen Charakter widerspiegelt, wie u. a. in einem Zitat deutlich wird, in dem er die Plastik "Lesender Klosterschüler" beschreibt:

"Sansibar oder der letzte Grund" – Interpretation

Das wichtigste Thema des Romans "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch ist die Freiheit. Die fünf Hauptfiguren leiden jede auf eine andere Art unter ihrer Unfreiheit in Rerik und dem nationalsozialistischen Deutschland. Die Flucht aus dem Land ist jedoch nicht für alle Figuren die Lösung, um Freiheit zu erlangen. Nachstehend findest Du die Interpretation von "Sansibar oder der letzte Grund".

Die Kleinstadt Rerik

Rerik ist eine enge und bedrückende Kleinstadt, in der sich der Großteil der Handlung von "Sansibar oder der letzte Grund" abspielt. Zwar ist Rerik einer kleinen Stadt in Norddeutschland nachempfunden, jedoch unterscheidet sich das fiktive Rerik stark von seinem Vorbild. So gibt es in dem Rerik des Romans sechs Kirchtürme, die es in der echten Stadt nicht gibt. Die Kirchtürme stehen für die ständige Überwachung und unterstreichen das beklemmende Gefühl, das die Stadt in Andersch' Roman ausstrahlt.

Besonders der Schiffsjunge verbindet mit Rerik negative Gefühle. Er will die Stadt um jeden Preis verlassen, da sie für ihn seine Unfreiheit zementiert. Selbst der Fluss, der durch Rerik fließt, kommt dem Jungen langsam vor. Der dritte Grund, aus dem er fliehen möchte, ist dabei titelgebend für den Roman.

Der erste Grund bezieht sich auf die Unfreiheit, die er an dem Ort empfindet, selbst: Rerik ist für ihn der Inbegriff von Langeweile und Starrheit. Der zweite Grund ist seine Biografie. Weil sein Vater, wie er glaubt, an der Langeweile des Ortes gestorben ist, möchte er diesem Ort entkommen. Der letzte und dritte Grund ist Sansibar. Sansibar steht für die Möglichkeiten, die sich der Junge wünscht, endlich ergreifen zu können.

Auch Knudsen fühlt sich von Rerik eingeengt. Er würde die Stadt gern verlassen, allerdings hängt er an seiner Frau, mit der er dort bleiben muss. Dadurch, dass sie einmal beinahe aufgrund ihrer leichten geistigen Einschränkung inhaftiert wurde, darf Knudsen keine Aufmerksamkeit erregen. Durch diesen Umstand ist er an Rerik und sein eintöniges und unfreies Leben gefesselt.

Für Helander hat Rerik ebenfalls einen bedrückenden und düsteren Charakter. Seine Vorfahren sind von Schweden nach Deutschland gezogen, was er als einen schweren Fehler einschätzt, wie in dem folgenden Zitat deutlich wird:

[...] ein Land, in dem die Häuser aus Holz gebaut, und bunt gestrichen wurden, wo die Schritte fröhlich im Kies knirschten, und in den Balken die Botschaft der Gerechtigkeit und des Friedens eingeschnitzt war. [...] Sie haben den Fehler begangen, in ein Land zu ziehen in dem die Gedanken so dunkel & maßlos waren wie die Steinwände der Kirchen.1

Die beschriebenen Gebäude können hier als Symbole für die Mentalitäten, die in den beiden Ländern vorherrschen, interpretiert werden. Während Schweden als freundlich und freiheitsliebend beschrieben wird, wird Deutschland durch düstere Gedanken und Kälte charakterisiert.

Der Existenzialismus

Das Hauptthema des Romans "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch ist die Freiheit. Die Figuren versuchen jede auf eine andere Weise der eigenen Unfreiheit zu entkommen. Das Motiv des Erlangens von Freiheit verändert sich dabei über den Roman.

Zu Beginn steht die objektive oder äußere Freiheit im Zentrum. Die Figuren werden entweder von dem nationalsozialistischen Regime verfolgt, oder sind durch ihre Lebensumstände nicht in der Lage Rerik zu verlassen. Zum Ende des Romans verlässt nur Judith mit der Plastik tatsächlich Deutschland. Die anderen Figuren finden eine andere Form der Freiheit, die an die Definition des Begriffs durch den existenzialistischen Philosophen Jean-Paul Sartre angelehnt ist.

Existenzialismus

Als Existenzialismus wird eine philosophische Strömung bezeichnet, die in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts in Frankreich entstanden ist. Die wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter dieser Strömung waren Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir und Albert Camus.

Der Existenzialismus entwickelte sich als eine Gegenbewegung zu der Überzeugung, dass der Mensch durch sein biologisches, geistiges oder gottähnliches Wesen ausgezeichnet ist. Existenzialisten waren überzeugt, dass sich ein Mensch erst durch seine individuelle Existenz auszeichnet und alles andere erst darauf folgen kann.

Alles, was den Menschen dann als Wesen (Essenz) ausmacht, entsteht durch seine Existenz und seine Entscheidungen, die er als existierendes Wesen trifft.

Nach Jean-Paul Sartre wird der Mensch ohne jegliche vorgegebene Moral geboren. Er ist selbst dafür verantwortlich, sich in der Welt moralisch zu orientieren und dementsprechend zu handeln. Dadurch gibt er seinem Leben eine Ausrichtung und einen tieferen Sinn. Die Freiheit ist dabei von Geburt an jedem Menschen gegeben. Sie besteht daraus, dass der Menschen selbst entscheidet, wie er sich in der Welt orientiert.

In diesem Zusammenhang steht auch die Aussage, dass Menschen zum Freisein verurteilt seien. Sie müssen sich in irgendeiner Art und Weise entscheiden, da es nichts gibt, was von der Natur vorgegeben ist. Das kann auch Schwierigkeiten erzeugen, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass die Welt nicht dem eigenen Weltbild entspricht. Dann ist der Mensch aufgrund seiner Freiheit und Verantwortung allein dafür zuständig, sein Weltbild zu korrigieren.

Auch die Charaktere in "Sansibar oder der letzte Grund" müssen ihre verschiedenen Weltbilder korrigieren. Knudsen und Gregor mussten ihre ideologische Ausrichtung bereits wegen der Herrschaft der Nationalsozialisten hinterfragen. Die Partei schien sie nicht vor der mörderischen Diktatur bewahren zu können, weshalb sie dazu verpflichtet sind, andere Lösungsmöglichkeit abzuwägen.

Helander fühlt sich von Gott verlassen und zweifelt an seiner Religion. Er trifft eine Entscheidung, indem er nicht flieht, sondern ein Kunstwerk vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten bewahrt. Letztendlich schießt er auf die Nationalsozialisten, weil er weiß, dass sie ihn dann töten werden. Dadurch hat er sich selbst für den Tod entschieden und somit eine Form der Freiheit erlangt.

Der Schiffsjunge wünscht sich zu Beginn des Romans die äußere oder objektive Freiheit, nicht mehr in Rerik leben zu müssen. Am Ende des Romans erkennt er aber, dass er dadurch Knudsen in Gefahr bringen müsste. Mit der Freiheit, sich für die Flucht zu entscheiden, kommt die Verantwortung für Andere. Deswegen entscheidet er sich doch gegen seinen eigentlichen Wunsch.

Die Nationalsozialisten bzw. die Anderen sind eine umfassende Gefahr für jede Art der Freiheit. Um sich eine Restfreiheit unter der Herrschaft der Anderen zurück erarbeiten, müssen sich die Figuren des Romans zusammenschließen und gegenseitig Verantwortung füreinander übernehmen. Indem sie dies tun, erlangen sie am Ende des Romans Freiheit. Diese Freiheit fällt zwar, ebenso wie bei Sartre, nicht vollkommen positiv für die Figuren aus, sie ist jedoch das Einzige, was in ihrer Macht steht.

"Sansibar oder der letzte Grund" – Autor Alfred Andersch

Der Autor von "Sansibar oder der letzte Grund", Alfred Helmuth Andersch, wurde 1914 in München geboren und war ein deutscher Schriftsteller, Essayist und Herausgeber. Sein Werk ist der Epoche der Nachkriegsliteratur zuzuordnen. Andersch war Mitbegründer der Gruppe 47, in der sich Schriftstellerinnen und Schriftsteller, wie auch Literaturkritikerinnen und Kritiker ab 1947 trafen. Sie lasen ihre Texte bei den Treffen vor und kritisierten sich daraufhin gegenseitig.

Das Hauptthema seines Werkes, wie auch seines Romans "Sansibar oder der letzte Grund" ist die Freiheit. Andersch war selbst ein Anhänger des existenzialistischen Philosophen Jean-Paul Sartre und interpretierte die Freiheit des Menschen dementsprechend als etwas Subjektives.

In seinen Essays und Gedichten übte er häufig scharfe Kritik an politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland. Von 1958 bis zu seinem Tod 1980 lebte Andersch in der Schweiz.

Sansibar oder der letzte Grund – Das Wichtigste

  • "Sansibar oder der letzte Grund" ist ein Roman von Alfred Andersch, der 1957 erschienen ist.
  • 1961 und 1987 erschienen Filme, die auf dem Roman "Sansibar oder der letzte Grund" basieren.
  • In dem Roman geht es um fünf sehr unterschiedliche Figuren, die im Jahr 1937, während der nationalsozialistische Diktatur, ihre Freiheit zurückerlangen wollen. Sie arbeiten gemeinsam daran, dass die junge Jüdin Judith und eine Statue namens "Lesender Klosterschüler" Deutschland verlassen können. Auch wenn vier Figuren am Ende in Deutschland bleiben müssen, finden sie individuelle Arten der Freiheit.
  • "Sansibar oder der letzte Grund" ist in 37 Kapitel unterteilt, die jeweils mit einem oder mehreren Namen von Romanfiguren überschrieben sind. Eine personelle Erzählhaltung wechselt sich mit inneren Monologen ab, die aus der Sicht des Schiffsjungen verfasst sind.
  • Eine mögliche Interpretation des Romans orientiert sich an der Philosophie des existenzialistischen Philosophen Jean-Paul Sartre, der glaubt, dass die Freiheit eines Menschen in seinen verantwortungsvollen Handlungen liegt.

Nachweise

  1. Alfred Andersch (2006). Sansibar oder der letzte Grund. Diogenes-Verlag.
  2. Lektürehilfe.de: Sansibar oder der letzte Grund. 20.09.2022.
  3. Kai Metzger (2001). Lektüre easy: Alfred Andersch, "Sansibar oder der letzte Grund". Klett-Verlag.
  4. Reiner Poppe (2004). Alfred Andersch: "Sansibar oder der letzte Grund". (= Königs Erläuterungen und Materialien. Band 420). Bange-Verlag.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Sansibar oder der letzte Grund

Der Roman "Sansibar oder der letzte Grund" von Alfred Andersch spielt im Jahr 1937. 

Der Schiffsjunge denkt sich in dem Buch "Sansibar oder der letzte Grund" drei Gründe aus, aus denen er die Kleinstadt Rerik verlassen will. Der letzte Grund, der ihm einfällt, ist die Existenz einer tropischen Insel wie Sansibar. Auf dieser Insel glaubt er, könne er ein freies Leben führen. 

Das Hauptthema des Romans "Sansibar oder der letzte Grund" ist die Freiheit. Alle Figuren in dem Roman leiden unter ihrer Unfreiheit im nationalsozialistischen Regime. Letztendlich finden alle auf eine individuelle Art und Weise Freiheit, die auch Verantwortung mit sich bringt. 

Am Ende des Romans bringen Knudsen und der Schiffsjunge Judith und die Plastik sicher nach Schweden. Der Schiffsjunge will nun auch fliehen, erkennt aber, dass er Knudsen dadurch in große Gefahr bringen würde. Er kehrt wieder um und kehrt mit Knudsen zurück in die deutsche Kleinstadt Rerik. 

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