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Team Bahnwärter Thiel Gerhart Hauptmann Lehrer

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Inhaltsverzeichnis
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Inhaltsangabe

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      Eine Novelle ist ein epischer Text, der in seiner Länge zwischen einer Kurzgeschichte und einem Roman liegt. Die Novelle handelt von nur einem Ereignis und ist daher meist klar strukturiert. Oft folgt die Novelle auch einem Leitmotiv.

      In der Novelle wird das Trauma und die negative Entwicklung eines Bahnwärters namens Thiel thematisiert, der seine erste Ehefrau bei der Geburt des gemeinsamen Sohnes Tobias verloren hat. Wenige Jahre später verstirbt auch Tobias bei einem Unfall auf den Bahngleisen, was Thiel in den Wahnsinn treibt und dazu führt, dass er seine zweite Ehefrau und ihr gemeinsames Baby tötet.

      Die Handlung der Novelle geht auf eine wahre Begebenheit zurück, die Hauptmann miterlebte, als er am Rande Berlins wohnte. Dort ereignete sich an der Bahnstrecke von Erkner nach Fürstenwalde ein ähnlicher Unfall. Der Bahnübergang in Erkner und das daneben stehende Wärterhäuschen greift Gerhart Hauptmann ebenfalls motivisch in "Bahnwärter Thiel" auf.

      "Bahnwärter Thiel" – Zusammenfassung

      Bahnwärter Thiel ist eine Novelle, die lediglich 50 Seiten umfasst und in drei Teile gegliedert ist. Handlungsort ist der Ort Schön-Schornstein an der Spree und ein Bahnwärterhäuschen, das an der Bahnstrecke zwischen Berlin und Frankfurt an der Oder liegt. Die Handlung findet gegen Ende des 19. Jahrhunderts statt.

      1. Teil

      Thiel verrichtet seine Arbeit als Bahnwärter seit mehr als zehn Jahren gewissenhaft. Er ist ein ruhiger und frommer Mann, der sonntags in die Kirche in Neu-Zittau, einem Nachbarort seines Wohnortes Schön-Schornstein, besucht. Thiel heiratet die schmächtige und kränklich aussehende Minna, die neben Thiels großer und kräftiger Gestalt nur noch zierlicher aussieht. Nach zwei Jahren Ehe verstirbt Minna bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes Tobias. Es ist ein schwerer Schicksalsschlag für Thiel. Damit sein Sohn jedoch nicht ohne Mutter aufwachsen muss, heiratet der Bahnwärter schon ein Jahr später erneut.

      Lene, die zweite Frau des Bahnwärters, ist das Gegenteil von Minna. Lene hat eine feste Statur, ist herrschsüchtig und neigt zu Wutausbrüchen, die sich entweder gegen Thiel oder den kleinen Tobias richten. Diese Wutanfälle lässt der Bahnwärter jedoch stillschweigend über sich ergehen, denn er will seine Frau nicht noch mehr reizen. Während er die Situation im Hause bereits über ein Jahr einfach hinnimmt, widmet er sich bei der Arbeit den Gedanken an seine erste Frau Minna. Tobias wird von Lene vernachlässigt, was sich darin zeigt, dass er in seiner Entwicklung zurückgeblieben ist.

      Als Lene selbst ein Kind von Thiel bekommt, behandelt sie Tobias noch schlechter. Der Junge wird angeschrien und ihm werden Aufgaben im Haushalt sowie die Pflege des Neugeborenen übertragen, die das Kind nicht bewältigen kann. Seine abgemagerte Statur und Blässe wird auch von den Nachbarn bemerkt, doch Thiel ignoriert ihre Blicke und die Entwicklung im Haus.

      2. Teil

      Nachdem die Familie ihren Pachtacker verloren hat, auf dem sie Kartoffeln zur Selbstversorgung angebaut hatten, sollte Lene sich um einen neuen Acker kümmern. Dieser Aufgabe kommt die ehemalige Magd jedoch nicht nach und macht stattdessen ihrem Mann Vorwürfe. Thiel bietet ihr an, einen Streifen Land neben der Bahnstrecke zu bewirtschaften, ohne aber daran zu denken, dass er dann auch während seiner Arbeit Zeit mit Lene verbringen muss. Als der Bahnwärter blaue Flecken und Schwellungen an Tobias’ Körper entdeckt, die zweifelsohne von Schlägen stammen müssen, verbringt er mehr Zeit mit seinem Sohn.

      Tobias erklärt seinem Vater, dass er einmal Bahnmeister werden möchte, was Thiel mit Stolz erfüllt. Auf dem anschließenden Weg zur Arbeit fällt dem Bahnwärter ein, dass er sein Butterbrot vergessen hat, weshalb er umkehrt. Vor dem Haus hört er, wie Lene Tobias anschreit und beschimpft. Thiel sammelt kurz seine Fassung und betritt dann das Haus. Lene ist zunächst erschrocken, macht aber gleich darauf ihrem Mann den Vorwurf, er würde sie belauschen. Thiel unterdrückt seine immense Wut und da er nicht weiß, was er sagen soll, nimmt er wortlos sein Butterbrot und geht.

      3. Teil

      Thiel kommt 15 Minuten zu spät zur Arbeit und senkt die Schranke, als ein Zug an dem selten genutzten Bahnübergang herannaht. Danach denkt er in seinem Wärterhäuschen daran, dass er nun keine Zeit mehr für sich haben wird, wenn Lene den Streifen Land an der Bahnstrecke bewirtschaftet und wie schrecklich Lene den kleinen Tobias behandelt. Für sein fehlendes Einschreiten schämt sich Thiel. Als er an seinem Tisch einschläft, träumt er von Minna, die ihm in ihrer kränklichen Gestalt erscheint und sich über die Gleise schleppt, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

      Am nächsten Tag begleitet Lene Thiel zur Arbeit, um mit der Aussaht der Kartoffeln am Acker zu beginnen. Die beiden Kinder nimmt sie mit. Während sich Lene um den Acker und das Baby kümmert, macht Thiel einen Spaziergang mit Tobias und zeigt ihm die Umgebung und die Telegrafenleitungen über der Bahnstrecke. Nach einem gemeinsamen Mittagessen weist Lene den kleinen Tobias an, auf seinen Bruder aufzupassen. Thiel mahnt allerdings zur Vorsicht, weil sie in der Nähe der Bahngleise sind, was Lene jedoch nicht interessiert.

      Zurück im Wärterhäuschen hört Thiel drei Notpfiffe als der Schnellzug herannaht. Der Bahnwärter läuft zum Gleis und sieht dabei, wie etwas unter den bremsenden Zug gerät. Nach Momenten der Unsicherheit bergen der Zugführer und der Schaffner den Körper, der verletzt unter dem Zug lag. Thiel nähert sich der Unglücksstelle, an der Lene nur lauthals schreit und ihre Unschuld beteuert. Der schwer verletzte Tobias wird auf eine Bahre gelegt und zum nächsten Arzt gebracht. Thiel bricht daraufhin in seinem Wärterhäuschen zusammen. Als er aufwacht, geht er zu den Gleisen, wo Tobias erfasst wurde und ihm wird bewusst, dass der Jungen nicht überleben wird.

      In seinem verwirrten Zustand glaubt Thiel erneut seine erste Frau Minna zu sehen. Er verspricht ihr Rache an Lene zu nehmen und sie mit einem Küchenbeil zu erschlagen. Als er sich auf den Heimweg macht, hört er im Wald ein Baby schreien. Erneut kocht Wut in ihm auf, weil Lene das Baby einfach vergessen hat und er beginnt das kleine Kind zu würgen. Thiel unterbricht seine Handlung, als der Zug mit Tobias’ Leiche neben ihm hält und viele Menschen ihr Beileid bekunden.

      Zu Hause macht Lene ihrem Mann kalte Umschläge, damit er sich beruhigt und besser einschlafen kann. Etwas später als einige Männer Tobias’ Leiche hereinbringen, steht die Haustür offen. Im Haus finden sie Lene und das Baby tot vor. Lene wurde mit einem Küchenbeil erschlagen, dem Baby wurde die Kehle durchgeschnitten. Bahnwärter Thiel wird einige Stunden später an den Bahngleisen gefunden, wo Tobias überfahren wurde. Er ist nicht ansprechbar und muss gewaltsam in das Untersuchungsgefängnis gebracht werden. Am nächsten Tag wird er in eine "Irrenanstalt" verlegt.

      Der Begriff "Irrenanstalt" war zur Zeit, in der die Novelle verfasst wurde, ein geläufiger Begriff für eine psychiatrische Klinik, in der Personen, die unter psychischen Erkrankungen leiden, behandelt werden. Der Begriff "Irrenanstalt" wird in dieser Erklärung verwendet, weil er in der Novelle "Bahnwärter Thiel" eingesetzt wird. Die Verwendung des Begriffs soll keine Abwertung von psychischen Erkrankungen oder Personen, die darunter leiden, darstellen.

      "Bahnwärter Thiel" – Charakterisierung / Personen

      Im Mittelpunkt der Erzählung steht der Bahnwärter Thiel, der die namensgebende Figur der Novelle ist. Daneben treten mit Minna, Lene und Tobias nur drei Nebenfiguren auf. Ihre Charakterisierung findest Du im Folgenden.

      Bahnwärter Thiel

      • wohnt in Schön-Schornstein
      • hat einen frommen Charakter und geht sonntags in die Kirche
      • von großer und kräftiger Gestalt
      • arbeitet ordentlich und zuverlässig seit 10 Jahren als Bahnwärter im Kiefernforst
      • liebt seine Arbeit
      • liebte seine erste Frau Minna sehr
      • verehrt sie nach ihrem Tod in seinem Wärterhäuschen
      • heiratet ein Jahr nach ihrem Tod Lene, damit sein Sohn nicht ohne Mutter aufwachsen muss
      • ordnet sich Lene unter und traut sich nicht, ihr zu widersprechen
      • behält seine Gefühle für sich
      • kümmert sich fürsorglich um Tobias, beschützt ihn aber nicht vor Lene
      • hat Wahnvorstellungen und Träume in denen ihm Minna erscheint
      • verkraftet den Tod von Minna und Tobias nicht
      • wird wahnsinnig
      • tötet Lene und das Baby

      Lene

      • zweite Frau von Thiel
      • war Kuhmagd
      • ist "dick" und stark gebaut
      • erfüllt Aufgaben im Haushalt
      • ist dominant, herrschsüchtig und gefühllos
      • kümmert sich nicht um Tobias, sondern misshandelt ihn
      • bewirtschaftet den Pachtacker und das Stück Land neben den Bahngleisen
      • kümmert sich nach der Geburt ihres leibliches Kind nur noch um dieses
      • unterdrückt Thiel in der Beziehung
      • vernachlässigt beide Kinder, indem sie Tobias an den Gleisen nicht beaufsichtigt und das Baby im Wald vergisst
      • führt eine rein körperliche Beziehung mit Thiel

      Minna

      • erste Frau von Thiel
      • ist schmächtig und sieht kränklich aus
      • ist religiös und besucht mit Thiel den Gottesdienst
      • liebt Thiel aufrichtig und führte eine tiefgründige Beziehung mit ihm
      • stirbt bei der Geburt von Tobias
      • verfolgt Thiel in seinen Wahnvorstellungen und Träumen
      • ihr Erscheinen auf den Bahngleisen kann als Warnung an Thiel gedeutet werden
      • ist der Grund für die Rache Thiels an Lene

      Tobias

      • Sohn von Thiel und Minna
      • wird überwiegend von Lene aufgezogen
      • ist schwächlich
      • hat rote Haare und blasse Haut
      • ist in seiner Entwicklung gestört, weshalb er erst spät sprechen und laufen lernt
      • möchte Bahnmeister werden
      • bekommt keine Zuneigung von Lene, sondern wird von ihr misshandelt
      • liebt seinen Vater
      • wird von einem Zug erfasst und stirbt

      "Bahnwärter Thiel" – Stilmittel und Aufbau

      "Bahnwärter Thiel" zeichnet sich durch eine Einteilung in drei Kapitel, eine bildhafte, jedoch einfache Sprache und einen Wechsel der Erzählperspektiven aus.

      Aufbau

      "Bahnwärter Thiel" ist in drei Kapitel gegliedert, die unterschiedlich lang sind und das Geschehen in chronologischer Reihenfolge wiedergeben. Das erste und kürzeste Kapitel ist die Exposition der Novelle. Dort werden die Figuren vorgestellt und die letzten zehn Jahre in Thiels Leben in Form eine Zeitraffung kurz aufgearbeitet. Durch diesen Einblick in die Vorgeschichte von Thiels Leben mit seiner ersten Frau Minna und dem Vergleich mit seiner zweiten Frau Lene wird bereits das Konfliktpotenzial der Erzählung deutlich. Die Lesenden erfahren bereits von der Herrschsucht Lenes und ihrer Ablehnung gegenüber Tobias. Außerdem wird deutlich, dass Thiel seinen Arbeitsplatz als Zufluchtsort nutzt, an dem er Minna verehrt.

      Im zweiten, ebenfalls kurzen Kapitel wird die Handlung gesteigert. Thiel kann durch die Bewirtschaftung des Ackers neben der Bahnstrecke sein häusliches Leben mit Lene und sein Arbeitsleben, bei der er Minna gedenkt, nicht mehr getrennt halten. Außerdem erlebt Thiel die Misshandlung seines Sohnes Tobias durch Lene mit. Durch diese Ereignisse wird bei Thiel ein innerer Konflikt ausgelöst, den er zunächst mit sich selbst austrägt. Während das erste Kapitel viele Geschehnisse noch kurz zusammengefasst hat, beschreibt das zweite Kapitel lediglich einen Tag im Leben des Bahnwärters.

      Das dritte Kapitel ist der längste Abschnitt der Novelle. Die Wiedergabe der Handlung wird erneut verlangsamt, sodass die Geschehnisse detailliert und fast in Zeitlupe beschrieben werden. In diesem Kapitel erfolgt zunächst eine enorme Spannungssteigerung bis zum Tod von Tobias, der den Höhepunkt der Handlung darstellt. Der Höhepunkt ist zeitgleich der Wendepunkt der Novelle, da sich Thiel ab diesem Zeitpunkt Lene nicht mehr unterwirft, sondern aktiv Rache an ihr nimmt. "Bahnwärter Thiel" endet in einer Katastrophe: Thiel bringt seine zweite Frau und das Baby um. Letztlich ist der Bahnwärter die einzige Figur, die überlebt und in eine "Irrenanstalt" eingeliefert wird.

      Erzählverhalten

      Die Novelle "Bahnwärter Thiel" wird einerseits durch einen auktorialen Erzähler wiedergegeben, der das Geschehen nüchtern in Berichtform vorträgt. Dies entspricht dem Untertitel, in dem "Bahnwärter Thiel" als novellistische Studie bezeichnet wird.

      Der auktoriale Erzähler wird auch als allwissender Erzähler bezeichnet, weil er einen uneingeschränkten Blick auf die Handlung hat und alles über die Charaktere weiß. Darüber hinaus kann er auch Rückblenden oder Aussichten in die Zukunft geben und weiß damit mehr als die Figuren selbst.

      Die Bezeichnung als novellistische Studie lässt darauf schließen, dass ein Werk künstlerisch den Ansprüchen einer Novelle entspricht und einen wissenschaftlichen Wert haben soll. Die wissenschaftlichen Prinzipien einer Studie müssen auf die Novelle übertragen werden, sodass es ein Versuchsobjekt in einem Experiment gibt und darüber hinaus eine Ausgangsthese überprüft werden soll.

      Diese nüchterne Betrachtung wird durch genaue Beschreibungen der Natur und den geistigen Zuständen der Figuren ergänzt. Deutlich wird die Perspektive des auktorialen Erzählers dann, wenn über die Vorgeschichte Thiels berichtet wird, der Erzähler die schlechten Eigenschaften Lenes bereits vor Thiel kennt oder der Erzähler das Geschehen durch Vergleiche kommentiert.

      Leicht gleich einem feinen Spinngewebe und doch fest wie ein Netz von Eisen legte es sich um ihn, fesselnd, überwindend, erschlaffend.1

      In diesem Zitat wird die Allwissenheit der auktorialen Perspektive in Form eines Vergleiches deutlich, da der Erzähler weiß und beschreibt, wie es sich für Thiel anfühlt, als er nicht in der Lage ist, sich gegen Lene zu stellen, als sie Tobias anschreit.

      Andererseits werden Teile der Handlung auch von einem personalen Erzähler aus der Sicht Thiels wiedergegeben.

      Der personale Erzähler ist nicht allwissend. Er nimmt die Sicht von einer Person ein und beschreibt das Geschehen aus dieser Perspektive. Der personale Erzähler weiß immer nur das, was die Person weiß, aus dessen Sicht er das Geschehen erzählt und kann dementsprechend nicht in die Vergangenheit oder Zukunft blicken.

      Die Erzählperspektive des personalen Erzählers ist zu erkennen, wenn die Gedanken Thiels bei Tobias’ Unfall beschrieben werden. Dabei werden die Gedanken statt in der direkten oder indirekten Rede in Form der sogenannten erlebten Rede wiedergegeben.

      Eine junge Frau schaut heraus, ein Handlungsreisender im Fes, ein junges Paar, anscheinend auf der Hochzeitsreise. Was geht’s ihn an?1

      Die erlebte Rede ist daran zu erkennen, dass auf das "Was geht’s ihn an?" keine Formulierungen wie, "sagte Thiel" oder, "dachte Thiel" folgen. Auch die zunehmende psychische Störung Thiels wir durch die personale Erzählform ausgedrückt.

      Ein blutiger Schein ging vor ihnen her, der die Regentropfen in seinem Bereich in Blutstropfen verwandelte. Es war, als fiele ein Blutregen vom Himmel.1

      In Thiels Wahnvorstellungen verändert sich seine Wahrnehmung, sodass die Lichter des Zuges als "blutiger Schein" bezeichnet werden, die die "Regentropfen in Blutstropfen" verwandeln. Das für einen Bahnwärter normale Szenario eines vorbeifahrenden Zuges bei Gewitter wird durch die personale Perspektive in eine düstere Wahnvorstellung, bedingt durch seine psychische Störung, verwandelt.

      Sprache

      Die generell einfach gehaltene Sprache in "Bahnwärter Thiel" zeichnet sich vor allem durch ihre Bildhaftigkeit aus, die durch die Verwendung von vielen Adjektiven erzeugt wird. Insbesondere Adjektive, die Farben oder das Licht beschreiben, werden verwendet und verleihen dem relativ kurzen Text eine besondere Atmosphäre.

      Die Sonne, welche soeben unter dem Rande mächtiger Wolken herabhing, um in das schwarzgrüne Wipfelmeer zu versinken, goss Ströme von Purpur über den Forst. Die Säulenarkaden der Kiefernstämme jenseits des Dammes entzündeten sich gleichsam von innen heraus und glühten wie Eisen.1

      Vor allem Thiels Arbeitsplatz im Wald wird durch Lichtverhältnisse und Farben näher beschrieben, was dem Haupthandlungsort der Novelle eine besondere Bedeutung verleiht. Außerdem stellt diese fast poetische Beschreibung der Natur einen Kontrast zum nüchternen Bericht der Handlung dar.

      Der Wald draußen rauschte wie Meeresbrandung [...].

      Auf den Drähten, die sich wie das Gewebe einer Riesenspinne von Stange zu Stange fortrankten, klebten in dichten Reihen Scharen zwitschernder Vögel.1

      Außerdem wird das Stilmittel des Vergleichs genutzt, um den Handlungsort bildlich darzustellen. Diese Vergleiche werden überwiegend dazu eingesetzt, um die Bahngleise und die Arbeitsstelle im Kiefernforst sowie die umliegende Natur zu beschreiben.

      Die Satzkonstruktionen in "Bahnwärter Thiel" variieren stark. Einerseits sind im Text häufig alleinstehende Hauptsätze zu finden, andererseits werden Hauptsätze auch zu langen Aufzählungen aneinandergereiht. Dadurch wird ein Kontrast zwischen den Gefühlsregungen Thiels und der nüchternen Berichtweise ausgedrückt.

      Seine Glieder flogen, der Angstschweiß drang ihm aus allen Poren, sein Puls ging unregelmäßig, sein Gesicht war nass vor Tränen.1

      In diesem Zitat wird eine der Panikattacken Thiels ausgedrückt, während im späteren Verlauf der Erzählung der Tod seines Sohnes Tobias mit den einfachen Worten "Es war tot." kommentiert wird.

      Besonders auffällig ist die Satzkonstruktion, nachdem sich der Unfall an der Bahnstrecke ereignet hat und Thiel seine Rache an Lene schwört.

      Weibchen -- ja -- und da will ich sie … und da will ich sie auch schlagen -- braun und blau -- auch schlagen -- und da will ich mit dem Beil -- siehst du? -- Küchenbeil -- mit dem Küchenbeil will ich sie schlagen, und da wird sie verrecken [...] Und da … ja mit dem Beil -- Küchenbeil ja -- schwarzes Blut!1

      Durch die Aneinanderreihung von unvollständigen Satzteilen, Pausen und Auslassungszeichen wird Thiels verwirrter geistiger Zustand ausgedrückt, in dem er den Mord an Lene ankündigt. Die Satzkonstruktionen in "Bahnwärter Thiel" sind eng verknüpft mit der Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms, die verwendet wird, um die Eindrücke, Gedanken und Gefühle Thiels im Moment der Empfindung unkommentiert wiederzugeben.

      Der Bewusstseinsstrom ist eine Form der Figurenrede und wird auch stream of consciousness genannt. Bei dieser Erzähltechnik werden Bewusstseinsinhalte wie Gedanken, Gefühle oder auch Erinnerungen unmittelbar, ungeordnet und teilweise fast stichpunktartig dargestellt.

      Er rennt mit dem Boten, er sieht nicht die todbleichen, erschreckten Gesichter der Reisenden in den Zugfenstern. Eine junge Frau schaut heraus, ein Handlungsreisender im Fes, ein junges Paar, anscheinend auf der Hochzeitsreise. Was geht’s ihn an? Er hat sich nie um den Inhalt dieser Polterkasten gekümmert; -- sein Ohr füllt das Geheul Lenens. Vor seinen Augen schwimmt es durcheinander, gelbe Punkte, Glühwürmchen gleich, unzählig. Er schrickt zurück -- er steht.1

      An diesem Beispiel wird die Aneinanderreihung der Ereignisse deutlich, die im sogenannten Sekundenstil verfasst ist, was eines der wichtigsten Merkmale der Epoche des Naturalismus ist. Beim Sekundenstil entspricht die erzählte Zeit der Erzählzeit, wodurch die Wirklichkeit sekundengetreu abgebildet werden soll.

      "Bahnwärter Thiel" – Interpretation

      "Bahnwärter Thiel" bietet trotz seines relativ kurzen Textes einige Deutungsmöglichkeiten. Im Zentrum der Erzählung steht die Frage nach der Opfer- bzw. Täterrolle Thiels sowie seine psychische Verfassung. Im Kontext der Epoche des Naturalismus wird ebenfalls der Gegensatz zwischen Natur und Technik analysiert. Außerdem stellt die Novelle Privatheit und Arbeitswelt gegenüber.

      Psychische Störung und Opfer- bzw. Täterrolle

      Die Novelle beruht auf dem Trauma Thiels, das er durch den Tod seiner ersten Frau Minna erlitten hat. Daher hat er auch einen Traum von ihr, der seine Gefühle über den Verlust aufzeigt und den Tod von Tobias bereits prophezeit. Dieser treibt ihn schließlich in den Wahnsinn.

      Ohne dieses Trauma aufzuarbeiten, heiratet der Bahnwärter ein Jahr später Lene, deren Herrschsucht und Aggressivität er und sein Sohn ausgeliefert sind. Thiel entwickelt psychische Störungen, die sich in Panikattacken und Wahnvorstellungen äußern. Die Verdrängung der häuslichen Situation sowie das Schuldgefühl Thiels, seinen Sohn nicht vor Lene schützen zu können, fördern Thiels Angstzustände, bis die Welt des Bahnwärters durch den Tod von Tobias zusammenbricht.

      Mit dem tödlichen Unfall seines Sohns verliert Thiel den Verstand und die Kontrolle über sein Handeln, was schließlich im Mord an Lene und dem Baby endet. Damit nimmt Thiel in der Novelle sowohl eine Opfer- als auch eine Täterrolle ein. Einerseits ist der Bahnwärter ein Opfer, da er Minna und Tobias auf tragische Weise verloren hat.

      Außerdem leidet er unter der Unterdrückung von Lene, indem er sich einschüchtern lässt und sich ihr gegenüber nicht behaupten kann. Basierend auf dieser Ausgangslage, aus der sich der Konflikt und seine psychische Störung entwickelt, nimmt Thiel andererseits eine Täterrolle ein, indem er Lene und das Baby tötet.

      Neben Thiel nimmt auch Lene eine Täterrolle hinsichtlich der Misshandlung und Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Tobias ein. Ihre Täterrolle ist maßgeblich der Auslöser für Thiels psychische Störung und seinen daraus entstehenden Wahnsinn, der in ihrer Ermordung endet. Diese Selbstjustiz des Bahnwärters stellt keineswegs eine gerechtfertigte Strafe für Lene dar, jedoch wird sie für ihre Taten anderweitig nicht zur Verantwortung gezogen.

      Gegensatz von Natur und Technik

      Die Natur, die in "Bahnwärter Thiel" poetisch mit Farben beschrieben wird, steht im Gegensatz zu der technischen Entwicklung der Eisenbahn, die die Idylle des Kiefernforsts mit Lärm durchbricht.

      Ein Keuchen und Brausen schwoll stoßweise fernher durch die Luft. Dann plötzlich zerriss die Stille. Ein rasendes Tosen und Toben erfüllte den Raum, die Geleise bogen sich, die Erde zitterte -- ein starker Luftdruck -- eine Wolke von Staub, Dampf und Qualm, und das schwarze, schnaubende Ungetüm war vorüber. [...] Zum Punkte eingeschrumpft, schwand der Zug in der Ferne, und das alte heilige Schweigen schlug über dem Waldwinkel zusammen.1

      Durch diesen Kontrast wird eine deutliche Unterscheidung zwischen Technik und Natur vorgenommen. Die Natur wird als etwas Heiliges, Poetisches und Schönes beschrieben. Im Gegensatz dazu ist die Technik, die symbolisch durch die Eisenbahn dargestellt wird, etwas Lautes, Zerstörerisches, das den Frieden der Natur durchbricht. Da der Zug sogar die "Erde zittern" lassen kann, wird ausgedrückt, dass er eine gewisse Gewalt über den Menschen besitzt. Dies wird vor allem darin deutlich, dass Thiel seinen größten Schicksalsschlag durch die Eisenbahn erleidet, obwohl er seine Arbeit als Bahnwärter liebt. Die Technik wird in "Bahnwärter Thiel" naturalistisch, also möglichst wirklichkeitsnah und als etwas Negatives beschrieben.

      Privatheit und Arbeitswelt

      Die traditionelle Verbindung des eigenen Zuhauses mit den Gefühlen der Geborgenheit in der Familie, Sicherheit und Zuflucht wird in "Bahnwärter Thiel" aufgehoben. Für Thiel stellt sein Zuhause einen Ort der Unterdrückung durch seine Frau Lene dar. Es ist außerdem der Ort, an dem Thiel das Leid seines Sohnes, das durch Lene verursacht wird, direkt miterlebt.

      Als Zufluchtsort dient Thiel daher sein Arbeitsplatz an den Bahnschienen im Kiefernforst. Das Wärterhäuschen bietet Ruhe und Privatheit, wodurch er dort einen Platz findet, seiner verstorbenen Frau Minna zu gedenken.

      Als die klare Trennung von Familie und Arbeitsplatz zu verschwinden droht, gerät Thiels Lebensweise, in der er die Vorgänge in der Familie größtenteils ignoriert, ins Wanken. Er realisiert, dass ihm mit der Bewirtschaftung des Ackers durch Lene und ihrer häufigen Anwesenheit seine geheime Welt, in der er Minna verehrt, genommen wird.

      Es kam ihm vor, als habe er etwas ihm Wertes zu verteidigen, als versuchte jemand sein Heiligstes anzutasten, und unwillkürlich spannten sich seine Muskeln in gelindem Krampfe, während ein kurzes herausforderndes Lachen seinen Lippen entfuhr.1

      Dieses Aufeinandertreffen von Familie und Beruf an Thiels Arbeitsplatz stellt einen der Auslöser seiner psychischen Störung dar. Thiel vermutet bereits, dass die Verbindung von Familie und Arbeitswelt schlimme Folgen haben wird, was sich später im Unfall seines Sohns Tobias realisiert.

      "Bahnwärter Thiel" – Epoche / Naturalismus

      Das Werk "Bahnwärter Thiel" wird der literarischen Epoche des Naturalismus zugeordnet. Die Epoche des Naturalismus dauerte von 1880 bis 1900 an. Ziel des Naturalismus war es, die Wirklichkeit originalgetreu bzw. wirklichkeitsnah ohne die Subjektivität des Autors darzustellen. Die Epoche wurde einerseits durch die Armut eines Großteils der Bevölkerung und andererseits durch wissenschaftliche und technische Entwicklungen geprägt.

      Aufgrund der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in den Städten viele neue Arbeitsplätze, weshalb es zur sogenannten Verstädterung kam, dem Phänomen, dass die Menschen massenweise vom Land in die Stadt zogen. Da nicht jede bzw. jeder Arbeitssuchende einen Arbeitsplatz fand, nahm die Arbeitslosigkeit in der städtischen Bevölkerung stark zu. Zudem herrschte ein Mangel an Wohnraum. Große Teile der Bevölkerung lebten in Armut und Krankheiten, Alkoholismus, Prostitution sowie Kriminalität breiteten sich aus.

      Die Epoche des Naturalismus ist an folgenden Merkmalen zu erkennen:

      • detaillierte und objektive Darstellung der Realität
      • Verwendung von Dialekten und sprachlichen Eigenheiten
      • Gesellschaftskritik
      • Abhängigkeit von Milieu und Abstammung
      • Darstellung des Schlechten in der Gesellschaft
      • Thematisierung von Trieben des Menschen

      Die meisten Epochenmerkmale greift Gerhart Hauptmann in "Bahnwärter Thiel" auf. So wird die Handlung detailgetreu durch den Sekundenstil dargestellt. Mit der Thematik der psychischen Störung Thiels sowie der Misshandlung und den Morden wird das Schlechte und Hässliche in der Gesellschaft beschrieben.

      Indem sich Thiel dazu gezwungen fühlt, Lene zu heiraten, um Tobias eine Mutter zu geben, wird mit "Bahnwärter Thiel" zudem Gesellschaftskritik geübt. Um für seine Familie zu sorgen, muss Thiel sehr viel arbeiten und hat dementsprechend nicht ausreichend Zeit, um sich selbst um seinen Sohn zu kümmern.

      Außerdem stellt die Novelle eine Kritik an fehlender Aufklärung über sowie Erforschung von psychischen Erkrankungen dar.

      Gerhart Hauptmann (1862–1946) stammte aus Schlesien und gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker und Schriftsteller des Naturalismus. Zunächst versuchte sich Hauptmann erfolglos als Maler und Bildhauer, ehe er ein Literatur- und Philosophiestudium begann. Dies brach er ab und wechselte zum Theater. Vor dem Hintergrund seiner Abstammung aus Schlesien verfasste er auch sein bedeutendstes Werk "Die Weber" (1892). Weitere bekannte Schriften aus seiner Feder sind "Der Biberpelz" (1892–1893) und "Die versunkene Glocke" (1896). Im Jahr 1912 wurde Hauptmann mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

      Bahnwärter Thiel - Das Wichtigste

      • "Bahnwärter Thiel" ist eine Novelle des deutschen Schriftstellers Gerhart Hauptmann, die im Jahr 1888 veröffentlicht wurde und als eines der bedeutendsten Werke des Naturalismus gilt.
      • Die Novelle handelt von einem Bahnwärter namens Thiel, der durch den Verlust seiner ersten Frau Minna, den Unfalltod seines Sohnes Tobias und die Unterdrückung durch seine zweite Ehefrau Lene den Verstand verliert und infolgedessen sowohl Lene als auch ihr neugeborenes Kind tötet.
      • "Bahnwärter Thiel" umfasst drei Kapitel und enthält eine Exposition, eine Steigerung der Handlung, einen Höhe- und Wendepunkt und endet in einer Katastrophe.
      • Die Novelle wird von einem auktorialen und personalen Erzähler wiedergegeben und zeichnet sich durch eine bildhafte Sprache mit vielen Adjektiven, Vergleiche, den Sekundenstil und variierende Satzkonstruktionen aus.
      • "Bahnwärter Thiel" greift trotz der Kürze des Textes die Themen der Privatheit und der Arbeitswelt, den Kontrast zwischen Technik und Natur, die Thematik der psychischen Störung sowie die Frage nach der Opfer- und Täterrolle auf.

      Nachweise

      1. Projekt-Gutenberg.org: Bahnwärter Thiel. (22.07.2022)
      2. Lektuerehilfe.de: Bahnwärter Thiel. (23.07.2022)
      Häufig gestellte Fragen zum Thema Bahnwärter Thiel Gerhart Hauptmann

      Warum ist "Bahnwärter Thiel" eine Novelle?

      "Bahnwärter Thiel" ist eine Novelle, da es sich um einen epischen Text mittlerer Länge handelt. Außerdem treten nur wenige Figuren auf, es ist ein deutlicher Höhe- und Wendepunkt sowie ein klarer Konflikt erkennbar. 

      Wann ist "Bahnwärter Thiel" erschienen?

      "Bahnwärter Thiel" wurde im Jahr 1888 veröffentlicht. 

      Wie heißen die Kinder des Bahnwärter Thiels?

      Thiels erster Sohn heißt Tobias. Der Name des zweiten Kindes wird im Werk nicht genannt.

      Welche Textsorte ist "Bahnwärter Thiel"?

      "Bahnwärter Thiel" ist eine Novelle. 

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