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Das Muschelessen

Ein Topf voll Muscheln, ein verspäteter Vater und die restliche Familie, die am Esstisch wartet. An sich keine sonderbare Situation, doch für die vierköpfige Familie eine Regelwidrigkeit, die ungeahnte Konsequenzen mit sich zieht. "Das Muschelessen" ist Birgit Vanderbeke's Debüt-Werk, das 1990 veröffentlicht und für das sie unter anderem dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. 

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Ein Topf voll Muscheln, ein verspäteter Vater und die restliche Familie, die am Esstisch wartet. An sich keine sonderbare Situation, doch für die vierköpfige Familie eine Regelwidrigkeit, die ungeahnte Konsequenzen mit sich zieht. "Das Muschelessen" ist Birgit Vanderbeke's Debüt-Werk, das 1990 veröffentlicht und für das sie unter anderem dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde.

Das Buch handelt von einer Familie, die vor dem Mauerbau in den Westen Deutschlands umgesiedelt ist und zudem unter dem Kontrollwahn des Vaters leidet. Die Stadt, in der die Geschichte spielt, wird nie genannt und auch die Namen der Familienmitglieder beschränken sich auf ihre Rollen innerhalb der Familie. Folglich werden Vater, Mutter, Tochter und Sohn lediglich als solche angesprochen oder von der Tochter, nämlich der Protagonistin, beschrieben.

In der DDR beherrschte die Sozialistischen Einheitspartei (SED) alle Bereiche von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Durch den Staatssicherheitsdienst, auch bekannt als Stasi, übten sie die Zersetzung der Opposition aus. Menschen, die unter Verdacht standen, politischen Widerstand gegen die SED, Republikflucht oder Spionage zu planen oder zu verüben, gerieten in ihr Visier. Die KPD und SPD wurden zur Sozialistischen Einheitspartei (SED) fusioniert, welche nun als einzige Partei an der Macht war.

Es ist noch nicht lange her, dass das Schlagen von Kindern keine rechtlichen Konsequenzen nach sich zog. Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind körperliche und seelische Misshandlungen erst im Jahr 1998 für unzulässig erklärt worden. Der Deutsche Bundestag entschied sich im Jahr 2000 für das Recht auf Gewaltfreiheit.

"Das Muschelessen" – Zusammenfassung

“Das Muschelessen” wird aus der Sicht der 18 jährigen Tochter erzählt, die oft in Form des Inneren Monologs Kontext zum Geschehen und der Familiengeschichte beisteuert. Im Folgenden wird die Erzählung in mehreren Abschnitten zusammengefasst.

Ein innerer Monolog ist ein Gedankengespräch, das der Erzähler nutzt, um die Gedanken seiner Figuren auszudrücken. Als Form der Figurenrede werden dabei unmittelbare Gedanken der Figur erzählt. Sieh Dir doch die StudySmarter-Erklärung "Innerer Monolog" an, wenn Du mehr über diesen erfahren möchtest!

Der Vater kommt zu spät

Die Mutter, die ältere Tochter und der jüngere Sohn finden sich um sechs Uhr am Esstisch zusammen, an dem sie auf den Vater warten, der von einer Geschäftsreise zurückkommen soll. Auf besagter Geschäftsreise hofft der Vater auf eine Beförderung. Zu Hause bereitet die Mutter zur Feier das Lieblingsessen ihres Mannes vor: Muscheln. Der Topf voller noch ungekochter Muscheln steht auf dem Esstisch, während Sohn, Tochter und Mutter auf den Vater warten.

Die Stimmung ist gereizt, da der sonst pünktliche Vater zu spät kommt und dies für die Familie eine ungewohnte Situation darstellt. Aufgrund der Verspätung wünscht sich die Tochter nach einer Stunde, dass ihr Vater gar nicht mehr kommt. Als die Mutter um acht Uhr die Muscheln kocht, möchte sie niemand anrühren, da keiner von ihnen Muscheln sonderlich leiden kann. Von diesem Zeitpunkt an offenbaren die Familienmitglieder zögerlich ihre Gefühle bezüglich des Vaters und malen sich aus, wie es wäre, wenn er nie wiederkäme.

Die Mutter macht den ersten Schritt

Zu Anfang gesteht die Mutter, dass sie schon lange Angst vor ihrem Mann hat. Sie räumt zudem ein, dass er als Naturwissenschaftler auf Rationalität, Regeln und Ordnung besteht. Diese setzt er Zuhause unter anderem durch zwanghafte Rituale, wie die Familienausflüge am Sonntag, sowie feste Essenszeiten durch. Sentimentale Menschen oder Personen, die ihre Gefühle offen zeigen, lehnt er ab. Dies schließt seine Frau und seinen Sohn mit ein. Der Vater legt zudem großen Wert auf Familienzusammenhalt und verlässt sich auf seine Frau als Friedensstifterin.

Die Tochter verrät den Lesenden mithilfe des Inneren Monologs, dass die Mutter die Familie die ersten Jahre nach der Flucht aus der DDR zusammenhielt. Dies sei insbesondere durch einen längeren Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter deutlich geworden, den sie vorzeitig abbrechen musste, um sich um die Familie zu kümmern. Zudem hat die Mutter wegen ihres Mannes auf ihr Musikstudium verzichtet und ihre Geige im Schlafzimmerschrank versteckt, weil er von Kunst und Musik nichts hält.

Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erfolgte am 7. Oktober 1949 und beendete somit die unmittelbare Nachkriegszeit für Deutschland. Sie folgte der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zum Tagesanbruch des 24. Mai 1949.

Die Familie stellt sich ein Leben ohne Vater vor

Mittlerweile zeigen alle ihren Ekel vor dem Topf Muscheln. Wein sorgt für eine gelassenere Stimmung. Ein wenig alkoholisiert glauben sie, dass der Vater einen Autounfall gehabt haben muss und stellen sich vor, wie es wäre, einen Sonntagvormittag nicht im Wohnzimmer seine Lieblingsoper oder dergleichen ertragen zu müssen. Auf die wöchentlichen Sonntagsausflüge und die Familienurlaube im Süden können sie ebenso verzichten.

Generell konnten alle durchatmen und einander verbunden fühlen, wann immer der Vater auf Dienstreisen war. Das war auch die Zeit, in der alle machen durften, was sie wollten. Die Tochter hat gerne gelesen und der Sohn Volleyball gespielt, doch der Vater hat die jeweiligen Hobbys seiner Kinder unterbunden. Die Tochter gibt Nachhilfe gegen Geld, um ihre Unabhängigkeit vom Vater zu demonstrieren. Bald fragen sich Mutter, Tochter und Sohn, warum sie sich die Tyrannei des Vaters überhaupt gefallen lassen.

Die Tyrannei vom Vater

Die Tochter gibt einen Einblick in ihren Familienalltag und schildert die Beziehung, die alle drei mit dem Vater haben. Verständnis für Schwäche oder Rücksicht auf die Gefühle anderer kenne der Vater nicht und er zeige diese Haltung auch gegenüber seiner Familie. Die Kinder beschimpfe er fortwährend als Feiglinge oder als Faulpelze. Sie seien seit ihrer Geburt die größte Enttäuschung seines Lebens.

Der Sohn sei ein Versager, weil er lieber Volleyball, statt Fußball spiele, wie sein Vater es für ihn vorgesehen habe. Die Tochter ist in den Augen des Vaters uncharmant und hässlich, weil sie als Säugling stark behaart gewesen sein soll. Deswegen habe er sie als Affe beschimpft und sich bei ihrer Geburt betrunken. Des Weiteren habe er sie als Baby in das von ihm am weitesten entfernte Zimmer verbannt, wenn sie zu laut geschrien habe. Einmal weinte seine Tochter so sehr, dass er sie gegen die Wand geschmissen habe. Davon habe sie einen hinkenden Gang davongetragen, weil ihre Hüfte falsch zusammenwuchs.

Seinem Sohn werfe er wegen seiner schlechten Noten vor, dumm zu sein. Die guten Noten seiner Tochter hingegen seien in seinen Augen wertlos. Zum einen, weil sie ein Mädchen ist und es ihm lieber wäre, sein Sohn sei an ihrer Stelle. Zum anderen, weil es einen generellen Leistungsverfall gäbe, der seiner Tochter die Noten erst möglich gemacht hätte.

Die Wurzeln vom Vater werden erklärt

Fortführend erklärt die Mutter ihren Kindern am Esstisch, dass sich ihr Mann aus ärmlichen Verhältnissen hochgearbeitet habe, die er samt seiner Mutter verleugne, und dementsprechend von allen das gleiche erwarte. Die Tochter bemerkt noch, dass der Tod seiner Mutter trotzdem ein großer Verlust für ihn gewesen sein muss, da sie sogar einen mit Blattgold verzierten Grabstein von ihm bekam. Ob er das wegen Schuldgefühlen tat, oder um den Schein einer perfekten Familie zu wahren, weiß sie nicht. Außerdem erwähnt sie, dass ihr Vater mit alltäglichen Dingen wie Hausarbeit oder Haushalt überfordert wäre.

Die Gewalttätigkeit des Vaters

Wenn die Kinder in seinen Augen etwas Falsches taten oder schlechte Noten schreiben, komme es oft dazu, dass er sich mit ihnen in ein Zimmer sperrt, um sie zur Rede zu stellen. Es bleibe jedoch nicht bei Beschimpfungen oder Geschrei, sondern der Vater sei darüber hinaus sogar gewalttätig geworden. Die Kinder achten darauf, nicht in der Nähe des Eichenen Wohnzimmerschranks zu sein, aus Angst, er könne sie dagegen schleudern. Die beiden beichten ihrer Mutter, schon daran gedacht zu haben, sich aus dem Fenster zu werfen, um der Gewalttätigkeit des Vaters zu entkommen.

Die Mutter habe nie etwas gegen den Vater unternommen, aber trotzdem versuche sie den Haussegen aufrechtzuerhalten und suche stattdessen Trost beim heimlichen Musizieren. Und auch sonst habe die Mutter wegen der Einstellung ihres Mannes kapituliert. Er habe sich mehr als einmal über die Sparsamkeit und Einfachheit seiner Frau beschwert und sie mit seiner Sekretärin verglichen.

Ihrem Mann zu gefallen, sei der Mutter ausgesprochen wichtig, weswegen sie sich jeden Abend, bevor er nach Hause komme, schminkt. Außerdem spiele sie Zuhause die Rolle einer gefügigen Hausfrau und in der Schule die strenge Lehrerin. Die Kinder betrachten diese verschiedenen Persönlichkeiten mit Argwohn, da sie ihr deswegen nicht trauen.

Muscheln im Müll

Als sie die zweite Flasche Wein öffnen, verkündet die Mutter, sich nicht länger ausnutzen und untergraben zu lassen. Sie gibt sogar zu, mit dem Gedanken gespielt zu haben, die ganze Familie mit Rattengift zu töten und ihrem kläglichen Leben somit ein Ende zu bereiten. Statt schockiert zu sein, freuen sich die Kinder, da ihre Mutter nicht mehr versöhnlich ist und sich positioniert.

Um kurz vor zehn versetzt das Telefon alle in Panik. Die Mutter ringt mit sich und entscheidet sich, das Telefon zu ignorieren. Sie schmeißt die bereits kalten und ekelerregenden Muscheln in den Müll und bittet ihren Sohn, den Müll wegzuschmeißen.

"Das Muschelessen" – Charakterisierung

“Das Muschelessen” wird von insgesamt vier Charakteren getragen: dem Vater, über den nur berichtet wird, der Mutter, der Tochter und dem Sohn. Birgit Vanderbeke lässt vieles unbestimmt. So fehlen die Namen der Charaktere und auch der Stadt, in der sie leben. Stattdessen werden sie nach ihrer Rolle in der Familie benannt.

Der Vater

  • leidet an einem Kontrollwahn und ist seiner Familie gegenüber gewalttätig,
  • setzt zwanghafte Familienrituale durch, wie Ausflüge und feste Essenszeiten,
  • wird bei Ungehorsam gewalttätig und beleidigend,
  • ist Naturwissenschaftler und legt großen Wert auf Regeln, Ordnung und Rationalität,
  • hat keine Toleranz für Schwäche oder Gefühle und besitzt kein Einfühlungsvermögen,
  • schätzt beruflichen Erfolg sehr, um den Schein einer perfekten Familie zu wahren,
  • ist vom alltäglichen Leben und seinen Aufgaben, wie dem Haushalt, überfordert.

Die Mutter

  • zeichnet sich durch ihre Harmoniebedürftigkeit, Sentimentalität und Liebe zur Musik aus,
  • erzeugt Harmonie innerhalb der Familie, indem sie dem Vater aus dem Weg geht und Streitigkeiten vermeidet,
  • hat drei Persönlichkeiten: die strenge Lehrerin, die unbeachtete Hausfrau und gefügige Ehefrau,
  • fügt sich ihrem Mann und will seinen Vorstellungen entsprechen,
  • ist so sparsam, dass sie selbst billige Kleidung nur kauft, wenn diese im Angebot ist,
  • ist der Anker der Familie.

Der Sohn

  • wird von seinem Vater als schlechter Schüler und Versager gesehen,
  • spielt gerne Volleyball zum Ärgernis seines Vaters,
  • wird vom Vater wegen seiner schlechten Zensuren geschlagen,
  • wird von seinem Vater nicht anerkannt, der sich einen intelligenten und fleißigen Sohn wünscht.

Die Tochter

  • beschreibt sich selbst als mutig und intelligent,
  • hat gute Zensuren und liest gerne,
  • gibt gegen Geld Nachhilfe, um dem Vater ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren,
  • wird vom Vater als "Affe"1, "hässlich"1 und "Enttäuschung"1 bezeichnet,
  • hinkt, da ihr Vater sie als Kind gegen die Wand schmiss und ihre Hüfte falsch zusammenwuchs,
  • sieht ihre Mutter als einzige, die etwas gegen ihren Vater ausrichten könne.

"Das Muschelessen" – Analyse von Aufbau und Sprache

Das Buch umfasst 128 Seiten, in denen die Geschichte der vierköpfigen Familie geschildert wird. Birgit Vanderbeke’s Erzählung zeichnet sich unter anderem durch die Ich-Erzählerin und die Sprache der Charaktere aus.

Die Ich-Erzählerin

In “Das Muschelessen” wird aus der Sicht der 18-jährigen Tochter berichtet, die die Geschichte komplett aus ihrer Erinnerung erzählt. Sie beschreibt den Rahmen der Geschichte beim Abendessen und dem folgenden Warten auf den Vater. Geschildert werden hierbei die wechselseitigen Beziehungen innerhalb der Familie. Zugleich benennt sie dabei die Probleme, die von ihrem Vater ausgehen und die negativen Eigenschaften ihrer Mutter, die es nicht zulassen, dass sich etwas verändert.

Die gesamte Erzählung wird in Form eines Bewusstseinsstroms durch lange Schachtel- und Nebensätze konstruiert. Dabei werden keine Absätze oder die direkte Rede verwendet. Die Gedanken der Ich-Erzählerin spiegeln ihr Inneres wider, die außerdem ein Ausdruck von Ruhelosigkeit sind. Im folgenden Textauszug schildert die Tochter zu Beginn der Geschichte, dass niemand hätte vorhersagen können, wie besonders der Abend ausgehen würde:

Dass es an diesem Abend zum Essen Muscheln geben sollte, war weder ein Zeichen noch ein Zufall, ein wenig ungewöhnlich war es, aber es ist natürlich kein Zeichen gewesen, wie wir hinterher manchmal gesagt haben, es ist ein ungutes Omen gewesen, haben wir hinterher manchmal gesagt, aber das ist es sicherlich nicht gewesen, und auch kein Zufall.1

Sprache der Charaktere in "Das Muschelessen"

Die Gewohnheiten der Familie werden mithilfe einer spezifischen Sprache wiedergegeben, wodurch sich Rückschlüsse auf die Charaktere und deren Sichtweisen ergeben.

Zu Anfang wird von der Mutter eine Sprache verwendet, die wenig provoziert, wie z.B. die Aussage “ich tue doch was ich kann”1. Die Mutter versucht mit ihrer Sprache den Vater zu beruhigen, und sich selbst die Schuld für die Situation in der Familie zu geben.

Im späteren Teil des Buches werden negative Neologismen angewendet, um die Ablehnung gegenüber dem Vater auszudrücken: "akustische Wohnzimmerpest”1 oder “Verdi-Geschrammel”1. Zum Ende zeigen sich Wörter und Ausdrücke, die einen Umbruch erahnen lassen, wie z.B. das Adverb "andererseits”. Der äußere Sprachwandel spiegelt hierbei die innere Veränderung der Mutter wider.

Ein Neologismus ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem ein neues Wort erschaffen wird. Es handelt sich um eine Wortneuschöpfung. Sieh Dir doch die StudySmarter-Erklärung "Neologismus" an, wenn Du mehr über dieses Stilmittel erfahren möchtest!

Der Vater versucht durch Sprache seine Familie zu kontrollieren und seine Machtposition zu behalten. Dazu verwendet er kurze, aber konkrete Ausrufesätze, die eine klare Aussage haben. Zum Beispiel: “Das lasse ich mir nicht bieten!”1 Durch diese Art von Machtausübung durch Sprache sollen die Kinder Respekt vor dem Vater empfinden und seine Rolle als “richtiger” Vater weiterhin anerkennen.

Die Sprache der Tochter sticht hervor, da sie die Drohungen ihres Vaters ins Ironische umwandelt und diesen auf diese Weise eine neue Bedeutung gibt. Sie hat etwa den Satz ihres Vaters “sie sollen mich kennen lernen”1 umgedreht und daraus die folgende ironische Aussage gemacht: “wir haben meinen Vater viele Jahre lang sehr kennengelernt, nur hat er es (die Züchtigung) nicht mehr machen können, als meine Großmutter starb, weil ich volljährig war”1. Sie benutzt die Aussagen des Vaters auf diese Weise gegen ihn und setzt sich zur Wehr. Der Sohn spricht von allen am wenigsten und ist am Anfang eher zögerlich. Am Ende drückt er jedoch den Hass gegenüber seinem Vater frei aus.

Die Geschichte wirkt durch die Erzählweise recht kühl, selbst der kritische Unterton der Tochter ist neutral und distanziert. Die Sprache ist jedoch ein wichtiger Indikator für Veränderung innerhalb der Familie, da sie die bevorstehende Veränderung erst verbal ausdrücken, bevor sie sich aktiv wehren.

"Das Muschelessen" – Interpretation

Bei der Interpretation der Erzählung sind verschiedene Themen, Motive und Symbole zu berücksichtigen, die im Folgenden betrachtet werden. Obwohl Vanderbeke oftmals betonte, dass jede Ähnlichkeit mit realen Personen unbeabsichtigt sei, lassen sich einige Parallelen zur Biografie der Autorin finden. Auch Vanderbeke's Eltern flohen noch vor dem Mauerbau 1961 aus der DDR in die BDR.

Birgit Vanderbeke verfasste ihr Debüt-Werk im August 1989, wenige Monate vor dem Mauerfall am 9. November und ein Jahr vor der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990. “Das Muschelessen” handelt von einer Familie, die vor dem Mauerfall aus der DDR nach Westdeutschland geflüchtet ist. Die Familie kann als Beispiel für typische Nachkriegsfamilien verstanden werden. Ergänzend kann die Erzählung auch als politischer Vergleich zu jener Zeit gesehen werden.

Die zunehmende Unzufriedenheit und Offenheit der Familie über die familiären Missstände kann als Gleichnis für die wachsende Opposition in der DDR gesehen werden. Die Muscheln, die am Ende der Erzählung von der Familie entsorgt werden, symbolisieren die Ablehnung gegenüber dem Vater und können gleichzeitig als Abwendung von den alten Machthabern gedeutet werden.

Das Motiv der Angst

Der Vater hält die Angst, die er geschürt hat, mit seinem Sprachgebrauch aufrecht. Hierdurch übt er die eigene Macht gegenüber seiner Familie aus. Diese Machtausübung bleibt jedoch nicht allein auf verbaler Ebene bestehen, sondern geht ebenfalls in physische Gewalt über. Dementsprechend versucht die Familie, deeskalierend zu reagieren, wann immer er sie mit Aussagen wie diesen in Schach halten will:

Haben wir uns verstanden?

Ist das klar?

Habe ich mich noch nicht deutlich ausgedrückt? 1

Dieser immerwährende Terror und die Angst, die die Familie umgeben, gehen sogar so weit, dass sie alles tun, um eine bevorstehende Wutattacke zu umgehen. Ein Umstand, der sich auch dann bemerkbar macht, wenn der Vater nicht anwesend ist:

Meine Mutter hat pssst gemacht, weil sie Angst hatte, er könnte uns hören, dabei war er doch gar nicht da, er weiß alles und hört alles und sieht alles, obwohl wir gewußt haben, dass das ja gar nicht geht.1

"Das Muschelessen" – Symbolik der Muschel

Die Geschichte enthält auch symbolische Elemente. Die Muscheln, die nach dem stundenlangen Warten erkalten und schlecht geworden sind, werden von der Mutter in den Müll geworfen und anschließend vom Sohn entsorgt. Symbolisch können die Muscheln für den entthronten Vater oder das zerbrochene Macht-Konstrukt der Familie stehen.

In der Literatur, insbesondere in der Lyrik, werden Symbole zur vereinfachten Darstellung eines Sachverhalts verwendet. Symbole gelten als Stilmittel. Sie sind Zeichen, die für einen Sachverhalt stehen. Symbole wirken häufig etwas abstrakt, da nicht immer klar ist, was das jeweilige Symbol meint oder wofür es steht. Wenn Du mehr zu diesem Stilmittel wissen möchtest, schau dir gern die Erklärung "Symbol" hier auf StudySmarter an.

"Das Muschelessen" – Birgit Vanderbeke

Birgit Vanderbeke wurde im Jahr 1956 im brandenburgischen Dahme geboren und lebte bis zu ihrem Tod Ende 2021 im Süden Frankreichs. Sie wuchs nach dem Umzug nach Westdeutschland im Jahre 1961 in Frankfurt am Main auf, dort studierte sie später Jura, Germanistik und Romanistik.

1990 debütierte Vanderbeke mit der Kurzgeschichte "Das Muschelessen", die mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet wurde. Ihr umfangreicher literarischer Katalog wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, wie z.B. dem Kranichsteiner Literaturpreis.

Der Ingeborg-Bachmann-Preis wurde 1976 von der Klagenfurt ins Leben gerufen, um der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zu gedenken. Seit 1977 wird der Preis jährlich verliehen. Er gilt als eine der wichtigsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum.

Der Kranichsteiner Literaturförderpreis wird seit 2003 jährlich an eine Autorin oder Autor unter 35 Jahren verliehen, die mindestens ein Buch veröffentlicht hat.

Das Muschelessen – Das Wichtigste

  • "Das Muschelessen" ist eine Kurzgeschichte von Birgit Vanderbeke, die im Jahr 1990 veröffentlicht wurde.
  • Das Werk handelt von einer Familie, die eines Abends auf den Vater wartet. Als sich dieser jedoch verspätet, beginnt die Familie in Gesprächen zu hinterfragen, ob sie ihn und seinen Terror weiter hinnehmen wollen.
  • "Das Muschelessen" schildert die Geschichte aus der Sicht der Tochter, die ausschließlich in Schachtelsätzen ohne Absätze verfasst ist.
  • "Das Muschelessen" – Analyse: Das Buch umfasst 128 Seiten, in denen die Geschichte der vierköpfigen Familie geschildert wird. Birgit Vanderbeke’s Erzählung zeichnet sich unter anderem durch die Ich-Erzählerin und die Sprache der Charaktere aus.
  • Die Familie kann als Beispiel für typische Nachkriegsfamilien verstanden werden. Ergänzend kann die Erzählung auch als politischer Vergleich zu jener Zeit gesehen werden.
  • Das Motiv ist die fortwährende Angst vor dem Vater, die dieser indirekt durch Worte und direkt durch Gewalt ausübt.
  • Die symbolischen Elemente sind die Muscheln und die Geige. Die Muscheln stehen für den Vater, der am Ende fallen gelassen wird. Die Geige steht für einen Teil der Mutter, den sie wegen ihres Mannes unterdrücken muss.

Nachweise

  1. Birgit Vanderbeke (2000). Das Muschelessen. Fischer-Taschenbuch-Verlag.
  2. Beatrice Waegner (2015). Von Blutwürsten und Miesmuscheln aufgetischte Nachkriegskonflikte in Hans-Ulrich Treichels „Der Verlorene“ und Birgit Vanderbekes „Das Muschelessen“.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Das Muschelessen

Das Muschelessen wurde im Sommer 1989 geschrieben und 1990 veröffentlicht.  

Die genaue Zeit, in der die Erzählung stattfindet, wird nicht genannt, doch plausibel sind die späten 1960er oder 1970er-Jahre. Die Zeit unmittelbar nach der Errichtung der innerdeutschen Grenze, die die DDR von der BRD trennte.  

Der Handlungsort wird in der Geschichte nicht genannt; nur, dass es in Westdeutschland spielt, ist klar. 

"Das Muschelessen" umfasst 128 Seiten.

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