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Gehen ging gegangen

Im Jahr 2015 wurden so viele Asylanträge in Deutschland gestellt wie noch nie zuvor. Insgesamt waren es 476.649 Anträge. Dabei ist die Zahl der Menschen, die im selben Jahr einreisten und Schutz suchten, deutlich höher gewesen und lag laut Innenministerium bei fast 1,1 Millionen Geflüchteten.1 

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Im Jahr 2015 wurden so viele Asylanträge in Deutschland gestellt wie noch nie zuvor. Insgesamt waren es 476.649 Anträge. Dabei ist die Zahl der Menschen, die im selben Jahr einreisten und Schutz suchten, deutlich höher gewesen und lag laut Innenministerium bei fast 1,1 Millionen Geflüchteten.1

Jenny Erpenbeck verarbeitete diesen Zustrom von Geflüchteten und die Situation in Deutschland, indem sie in ihrem 2015 veröffentlichtem Roman "Gehen, ging, gegangen" die Besetzung des Berliner Oranienplatzes durch afrikanische Geflüchtete aufgreift und Geschichten von realen Geflüchteten aus dieser Zeit erzählt. Das Protestcamp entstand in Wirklichkeit schon im Jahr 2012 und stellte über 18 Monate hinweg, bis zu seiner Räumung im April 2014, den zentralen Ort der selbstorganisierten Geflüchtetenproteste in Deutschland dar.

In der folgenden Erklärung zum Roman "Gehen, ging, gegangen" wird der Begriff "Geflüchtete" verwendet, obwohl die Autorin Jenny Erpenbeck in ihrem Text die Bezeichnung der "Flüchtlinge" benutzt. Dieser Begriff ist heutzutage jedoch nicht mehr ganz unproblematisch, da er von manchen Personengruppen als diskriminierend empfunden wird. Die Nachsilbe "-ling" kann als verkleinernd und negativ konnotiert aufgefasst werden, wie im Beispiel des Eindringlings oder Schädlings.

"Gehen, ging, gegangen" — Zusammenfassung

Im Mittelpunkt des Romans von Jenny Erpenbeck steht die Geschichte einer Gruppe afrikanischer Geflüchteter sowie dem gerade in den Ruhestand versetzt wordenen Altphilologie-Professor Richard.

Altphilologie wird häufig auch als klassische Philologie bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Sprachwissenschaft, die sich mit den Sprachen Latein und Altgriechisch, sowie den literarischen Arbeiten der griechischen und römischen Antike auseinandersetzt.

Die Haupthandlung beginnt im Spätsommer 2013. Dabei wird Richards politisches Engagement, durch einen Protest ausgelöst, der an einem Donnerstag Ende August stattfindet. Insgesamt umfasst die Handlung den Zeitraum von Mitte August 2013 bis Frühling 2014.

Richards Aufmerksamkeit wird erregt

Richard weiß seit seinem Ruhestand nicht mehr, was er mit seiner Zeit anfangen soll. Nachdem die Struktur seines Alltags wegfällt, findet er sich in einer unbedeutenden Routine wieder, die aus Einkaufen, Garten- und Hausarbeit besteht. Eines Abends wird er jedoch durch die mediale Berichterstattung im Fernsehen auf das Protestcamp von afrikanischen Geflüchteten aufmerksam. Diese sind in einen Hungerstreik getreten und weigern sich, ihre Namen zu äußern. Damit wollen sie bewirken, dass sie für die deutsche Gesellschaft sichtbarer werden und sie demonstrieren für ihr Bleiberecht und Arbeit.

Auch Richard ist zuvor schon an dem Zeltlager vorbeigelaufen, ohne die Geflüchteten zu bemerken. Obwohl er noch nie ein Mensch war, der sich politisch engagiert hat, wecken die afrikanischen Männer mit ihrer Protestaktion Richards Neugier. Er bemerkt schnell eine Gemeinsamkeit zwischen den Geflüchteten und ihm selbst: alle wissen nichts mit ihrer Zeit anzufangen. Richard will die Geflüchteten kennenlernen, um Antworten auf seine philosophischen Fragen wie "Wie erträgt man das Vergehen der Zeit, wenn man zur Untätigkeit gezwungen ist?" zu finden.

Die Geflüchteten und Richard lernen sich kennen

Einige der Männer des Oranienplatzes werden aufgrund einer Vereinbarung mit dem Berliner Senat in einem Geflüchtetenheim in der Nähe von Richards Haus untergebracht. Daraufhin beginnt Richard, sich intensiv in die Thematik einzuarbeiten und entwirft einen Fragenkatalog für die Geflüchteten. Er möchte anhand dessen in direkten Kontakt mit ihnen treten, um sich über ihre Flucht und das Problem der Zeit auszutauschen.

In den folgenden Monaten besucht er die geflüchteten Afrikaner häufig und kommt mit ihnen ins Gespräch. Obwohl die Geflüchteten sich über den alten Professor wundern, unterhalten sie sich mit ihm. Richard erfährt viel über ihre verschiedenen Lebensgeschichten und was die Afrikaner dazu veranlasst hat, nach Europa zu flüchten. Einige von ihnen fliehen aus scheiternden Staaten, während zeitgleich andere von ihnen, wie z.B. die Geflüchteten namens Raschid, Awad Issa und Karon Anubo, aufgrund des Bürgerkrieges in Libyen ihr Land verlassen müssen.

Der Bürgerkrieg in Libyen ist auch bekannt als Revolution des 17. Februar, da dieser Tag als offizieller Tag des Revolutionsbeginns angesehen wird. Der Krieg brach infolge des Arabischen Frühlings aus.

Richard unterstützt die Geflüchteten

Daraufhin ist das Leben von Richard mit dem Leben der geflüchteten Afrikaner verbunden. Der Professor versucht alles, um ihnen in ihren aussichtslosen Situationen zu helfen und sie zu unterstützen: Kurz nach ihrem Kennenlernen begleitet Richard die Männer z. B. zu ihrem Deutschunterricht. Später unterrichtet er sogar die fortgeschrittene Klasse.

Ebenfalls verschafft er einem der Geflüchteten namens Ali einen Job als Pflegekraft und begleitet andere von ihnen zu Behörden und Rechtsvertretungen. Richard unterstützt Karon Anubo sogar finanziell, indem er ihm und seiner Familie ein Stück Land in Ghana kauft. Außerdem erteilt einem jungen Geflüchteten namens Osaboro bei sich Zuhause Klavierunterricht, da es der größte Wunsch des jungen Mannes ist zu lernen, wie man dieses Instrument spielt.

Bei Richard wird eingebrochen

Als Richard kurz darauf zu einem Gastvortrag nach Frankfurt reist, wird bei ihm eingebrochen. Der einzige, der von Richards Abwesenheit wusste, war der geflüchtete Klavierschüler. Als dieser daraufhin nicht mehr zu den Unterrichtsstunden erscheint, wird Richards Bauchgefühl verstärkt, dass Osaboro am Einbruch beteiligt war. Das verletzt Richards Gefühle. Dennoch meldet er diesen Verdacht nicht bei der Polizei und der Vorfall ändert auch nichts an seinem Einsatz für die Geflüchteten.

Richard setzt sich weiterhin mit der afrikanischen Kultur auseinander, um die Geflüchteten besser zu verstehen. Er bemüht sich um die bürokratischen Hindernisse, die den Geflüchteten in den Weg gelegt werden. Dabei handelt es sich z.B. um die Aufenthaltsgenehmigungen, die die Geflüchteten benötigen, um die Möglichkeit auf einen Arbeitsplatz zu bekommen und alle Gesetze, die damit zusammenhängen. Aus dem Professor im Ruhestand, der sich anfangs eigentlich nur philosophisch betätigen wollte, wird ein politisch engagierter Mensch.

Die Geflüchteten sollen abgeschoben werden

Anfang Februar 2014 sollen die Männer vom Oranienplatz dann jedoch aufgrund der Dublin-Vereinbarung in die EU-Länder abgeschoben werden, in denen sie als allererstes ihre Asylanträge gestellt haben.

Das Dubliner Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, welcher am 1. September 1997 in Kraft trat und ein weiterer Schritt in der gemeinsamen europäischen Asyl- und Migrationspolitik war. Inzwischen wurde das Übereinkommen in das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) integriert. Das Übereinkommen legt fest, welches europäische Land für die Bearbeitung von in der EU gestellten Asylanträgen zuständig ist.

Dadurch soll sichergestellt werden, dass für ein Asylverfahren immer nur ein EU-Staat verantwortlich ist und nicht gleichzeitig oder nacheinander Asylanträge in mehreren EU-Staaten gestellt werden können. Außerdem können sich Geflüchtete dadurch nicht ihr Zielland aussuchen. In der Regel prüft der EU-Mitgliedstaat die Asylanträge, in den die Asylbewerbenden als Erstes eingereist sind.

Für die meisten der geflüchteten Afrikaner bedeutete die Vereinbarung, dass sie zurück nach Italien gehen müssten, da sie dort zum ersten Mal die EU betreten haben. Dort wären sie dann jedoch obdachlos. Daraufhin nehmen Richard und seine Freunde sowie außerstaatliche Institutionen so viele der Geflüchteten bei ihnen auf wie möglich. Allein bei Richard kommen 12 der Männer unter.

Richard vertraut sich seinen neuen Freunden an

Im Frühling 2014 endet der Roman mit der Geburtstagsfeier von Richard. Hier öffnet der Professor sich das erste Mal seinen afrikanischen Freunden gegenüber und erzählt ihnen u. a. von seiner verstorbenen Frau und ihrem gemeinsamen früheren Leben.

Das weitere Schicksal der Geflüchteten in Berlin bleibt offen.

"Gehen, ging, gegangen" — Charakterisierung

Der Roman "Gehen, ging, gegangen" beschreibt eine Vielzahl unterschiedlicher Charaktere, die u. a. auf realen Begegnungen von der Autorin Jenny Erpenbeck basieren. Im Buch finden sich insgesamt 21 Haupt- und Nebenfiguren wieder. Dazu gehört als Hauptfigur der in den Ruhestand versetzte Professor Richard sowie die geflüchteten Afrikaner des Oranienplatzes. Im Laufe der Zeit lernt Richard mehrere der Männer kennen und freundet sich mit ihnen an. Da er sich jedoch nicht sofort all ihre Namen merken kann, findet er für viele von ihnen auch Spitznamen aus der Mythologie und Literatur.

Richard

  • war Professor für klassische Philologie
  • ist etwa Ende sechzig
  • lebt als Witwer in einem Haus am See
  • verbringt viel Zeit alleine
  • kann sich nach Verlassen des Instituts nur schwer an die gewonnene Freizeit gewöhnen
  • hat keine Kinder
  • verfügt auch im Ruhestand über ausreichend viel Geld
  • wird über die Medien auf die Geflüchteten aufmerksam
  • spricht Englisch, Italienisch, Altgriechisch und Russisch
  • ist wissbegierig und neugierig
  • will in einen direkten Kontakt mit den Geflüchteten treten
  • entwirft einen Fragenkatalog für die Gespräche
  • freundet sich im Laufe der Zeit immer mehr mit Geflüchteten an
  • beginnt, die Afrikaner aktiv zu unterstützen
  • nimmt 12 Geflüchtete bei sich auf und organisiert weitere Schlafplätze für die anderen

Die afrikanischen Geflüchteten

Die Geschichten der afrikanischen Geflüchteten und die Männer selbst bilden den Hauptinhalt des Romans "Gehen, ging, gegangen". Bei den folgenden Charakterisierungen handelt es sich drei der zwölf Männer, die in nahem Kontakt zu Richard stehen und aus unterschiedlichen Ländern Afrikas stammen und geflohen sind.

Apoll

  • stammt aus der Gegend von Arlit in Niger
  • gehört dem Wüstenvolk der Tuareg an
  • trägt in seinem Gesicht die traditionellen Stammeszeichen der Tuareg; vier Striche, die auf jeder Wange eingeritzt sind
  • entspricht aufgrund seiner wilden Locken Richards Vorstellung von Apoll, weshalb der Professor ihn so nennt
  • seinen richtigen Namen erfahren die Lesenden nicht
  • spricht Italienisch und Tamashek, versteht Arabisch, Französisch und Deutsch
  • ist von klein auf ein Sklave, musste immer hart arbeiten und wurde schlecht behandelt
  • würde gerne selbst Arbeit in Deutschland finden und nicht vom Geld des deutschen Staates leben
  • hat eine Freundin in Deutschland, will sie aber nicht heiraten, damit sie nicht denkt, dass er das nur für die deutschen Papiere tut
  • findet nach der Ablehnung seines Asylantrags in Deutschland Unterkunft in Richards Musikzimmer

Apoll oder auch Apollon genannt, ist in der griechischen und römischen Mythologie der Gott des Lichts, Frühlings, der sichtlichen Reinheit, Mäßigung, Weissagung und der Künste.

Awad Issa (Tristan)

  • ist in Ghana geboren,
  • zieht jedoch mit sieben Jahren zu seinem Vater nach Tripolis, wo sie ein gutes und behütetes Leben führen
  • bis sein Vater beim Ausbruch des Krieges erschossen wird
  • wird daraufhin von Soldaten in ein Barackenlager gebracht und mit vielen anderen auf einem Boot, nach Europa geschickt
  • lebt daraufhin ein Dreivierteljahr in einem Camp in Sizilien, wird jedoch von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt und ist obdachlos
  • verdient sich stattdessen sein Geld in einer Küche und kauft davon ein Flugticket nach Deutschland
  • findet in Deutschland Anschluss bei den Geflüchteten auf dem Oranienplatz
  • ernster, nachdenklicher, junger Mann
  • geht in psychologische Behandlung, da er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet
  • wird deshalb von Richard Tristan genannt, weil der Name "Trauer" bedeutet

Raschid

  • stammt aus dem Norden Nigerias
  • gehört dem Yoruba-Volk an
  • ist gelernter Schlosser
  • wird im Jahr 2000 von einer bewaffneten Meute überfallen, die durch die Stadt zieht, um Moslems umzubringen
  • flieht daraufhin mit seiner Frau und seinen beiden Kindern nach Libyen
  • baut sich in Tripolis ein neues Leben auf und konstruiert Metalltore
  • wird, als der Bürgerkrieg in Libyen ausbricht, mit seinen Kindern in ein Barackenlager gebracht und von dort aus werden sie gezwungen, mit einem Schiff nach Italien zu fahren,
  • das Schiff kentert und viele Menschen, darunter auch seine beiden Kinder, ertrinken
  • kann aufgrund dieser Ereignisse nachts oft nicht schlafen
  • ist schwer herzkrank
  • nach Ablehnung seines Asylantrags übergießt er sich mit Benzin und will sich verbrennen,
  • erhält daraufhin aufgrund seiner schlechten körperlichen und psychischen Verfassung eine Duldung für sechs Monate und ein Zimmer bei der Arbeiterwohlfahrt
  • engagiert sich aktiv für seine Mitmenschen und will erreichen, dass die Geflüchteten menschenwürdiger behandelt werden,
  • Richards bezeichnet ihn aufgrund seines Temperaments und seines Einsatzes für seine Freunde als den "Blitzeschleuderer"

Jenny Erpenbeck hat im Jahr 2016, in einer Dankesrede für den Hasenclever-Preis, erklärt, dass der Nigerianer Bashir Zakaryau das Vorbild für die Figur Raschid gebildet hat. Bashir war der Anführer des Protestcamps auf dem Berliner Oranienplatz. Er hat sich vier Jahre lang in Europa, für seine Freunde und Kriegsgeflüchtete eingesetzt und versucht, mit dem Berliner Senat zu verhandeln, bis er letztlich aufgrund seiner schweren Herzkrankheit gestorben ist. 2

"Gehen, ging, gegangen" — Analyse und sprachliche Mittel

Jenny Erpenbecks Werk "Gehen, ging, gegangen" ist ein Roman, der der engagierten Literatur angehört. Die Handlung spielt in Berlin und überbrückt einen Zeitraum von einem halben Jahr.

Engagierter Literatur wird auch als politische Literatur bezeichnet. Darunter wird im weitesten Sinne jede Literatur verstanden, die ein politisches, soziales, religiöses oder ideologisches Engagement erkennen lässt und in der Literatur vertritt.

Aufbau

Romane sind meistens lang. Dadurch kann die erzählte Geschichte ausführlicher behandelt werden und es finden sich mehrere Handlungsstränge und Haupt- sowie Nebenfiguren wieder. Um die Handlung genauer zu gliedern, werden die Romane dann noch in Kapitel unterteilt. So auch im Roman "Gehen, ging, gegangen", wo nicht nur der Titel eine bedeutende Rolle spielt, sondern auch die Anzahl der Kapitel.

Titel

Der Titel des Romans "Gehen, ging, gegangen" bezieht sich auf die Konjugation des Verbs "gehen" und bildet ein wiederkehrendes Motiv innerhalb der Erzählung. Die Konjugation tritt z. B. immer dann auf, wenn Richard über die Vergangenheit nachdenkt oder die Geflüchteten gerade dabei sind, Deutsch zu lernen: als Richard die Männer zum zweiten Mal im leer stehenden Gebäude des Altersheims besucht, trifft er auf einen der Männer, der gerade dabei ist, deutsche Vokabeln zu üben. Dabei fällt dem Professor über dem Bett des jungen Mannes eine Liste mit unregelmäßigen Verben auf, auf der u. a. auch "gehen, ging, gegangen" vermerkt ist.

Unregelmäßige Verben sind Verben, bei denen sich das Stammvokal jedes Mal bei der Konjugation verändert.

Die Konjugation beschreibt den Vorgang, bei dem Du Verben entsprechend ihrer grammatikalischen Eigenschaften veränderst. Dabei passt Du ihre Grundform (Infinitiv) an ihre Personalform, ihre Zeitform oder ihre Aussageform an.

Auch andere unregelmäßige Verben werden im Text des Buches aufgenommen und deuten dadurch indirekt auf den Titel hin. Zum Beispiel "sehen, sah, gesehen", "sitzen, saß, gesessen" oder "verderben, verdarb, verdorben".

Der Titel bezieht sich auf die Flucht der Menschen aus Afrika und die Ablehnung ihrer Asylanträge in Deutschland. Durch die Ablehnung werden sie erneut dazu gezwungen aufzubrechen und in das Land zurückzukehren, in dem sie in der Europäischen Union angekommen sind. Der Titel unterstreicht die Tatsache, dass die Geflüchteten nicht ankommen dürfen, sondern immer wieder erneut zum Aufbruch gezwungen werden.

Kapitel

Der Roman "Gehen, ging, gegangen" ist in 55 Kapitel gegliedert, die keine Titel besitzen. Die Zahl der Kapitel entspricht dabei der Anzahl aller afrikanischer Staaten. Zumindest, wenn die Westsahara dazu gezählt wird. Damit möchte die Autorin Jenny Erpenbeck auf die historische und heutige Aufteilung Afrikas hinweisen. Da diese eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der ethnischen Konflikte gespielt hat.

Die Länge der Kapitel variiert dabei stark und reicht von nur einer Textseite bis hin zu mehr als zwölf Seiten.

Eine Besonderheit stellt die Unterbrechung des Kapitels 54 dar. Dieses Kapitel wird auf den Seiten 328 und 329 jeweils mit der Frage

Wohin geht ein Mensch, wenn er nicht weiß, wo er hingehen soll?3

unterbrochen. Diese Unterbrechung kennzeichnet den Punkt der Handlung, an dem die Hoffnung der Geflüchteten, dass ihr Asylantrag genehmigt wird, zerplatzt.

Dadurch ist das Buch in zwei Teile geteilt: Der erste Teil, in dem die Geflüchteten auf einen glücklichen Ausgang ihres Asylverfahrens hoffen. Und der zweite Teil, in dem diese Hoffnung zerstört wird und sie nur noch aufgrund der Hilfe einiger Privatpersonen und kirchlichen Unterstützung vorerst in Berlin bleiben können.

Sprache

Romane werden üblicherweise in Prosa verfasst. Darunter fallen alle Texte, die sich nicht an ein Reimschema oder Versmaße halten. Da der Roman aber auch zur literarischen Gattung der Epik gehört, muss er dennoch ein paar formale Voraussetzungen wie z.B. die des Erzählers erfüllen.

Erzähler

Der Erzählerbericht steht der Figurensprache gegenüber. Dabei tritt der Erzähler in diesem Roman nicht als eigenständige Person auf. Es wird viel mehr anhand eines Erzählerberichtes das Geschehene zusammengefasst, um den Lesenden wichtige Informationen zur Handlung zu vermitteln. Wobei Schauplätze, Gegenstände und Figuren durch Beschreibungen vom Erzähler erörtert werden. Außerdem wird ein unmittelbares Erlebnis der Umstände geboten, indem eine Kombination der Beschreibung der Situation mit dem Einsatz der direkten Rede stattfindet:

Und schon wird der schwarze Tee gebracht und der Cappuccino mit Milchschaum, darübergestreut ein Hauch von Kakao, auf der Untertasse ein Keks. Woher bist du? Aus Niger. Später war ich bei meinem Vater in Libyen. Zucker in den Kaffee, der rutscht durch den Milchschaum hindurch in die Tiefe. Hast du noch Familie in Niger? 3

Figurensprache

Die gesamte Handlung des Romans "Gehen, ging, gegangen" wird fast vollkommen aus der Perspektive von Richard berichtet. Das hohe Sprachniveau, das der Professor für klassische Philologie besitzt, spiegelt sich dabei in der Darstellung seiner Gedanken wider:

Einen Blitzeschleuderer antichambrieren zu lassen, ist sicher die hohe Schule der Diplomatie, denkt Richard. 3

Der Roman ist von einer klaren und abwechslungsreichen Sprache gekennzeichnet. Da die geflüchteten Männer innerhalb der Geschichte alle aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern stammen, können die meisten von ihnen die deutsche Sprache nicht. Außerdem besitzen sie unterschiedliche Bildungsniveaus, was sich wiederum in ihrer Sprache erkennen lässt. Hinzukommt, dass die Geflüchteten von ihrer jeweiligen Fluchtroute geprägt sind. Sie sind durch verschiedene Länder in Europa geflohen und haben dabei z. B. Spanisch, Italienisch, Englisch oder auch schon Deutsch gelernt.

Dabei verbinden sich im Text zum Teil auch direkte Rede, Fremdsprache und die Inquit-Formel miteinander und bilden eine eigenständige Wiedergabe gesprochener Sprache:

Zum Essen setzen sie sich, weil es praktischer ist, in die Küche: Auch wenn´s nicht ganz so feierlich ist – no, what do you think, I like it, it´s nice here, very nice! But what about the burning candles on the tree? sagt Raschid. Keine Angst, die Kerzen gehen von selbst aus, wenn sie heruntergebrannt sind, sagt Richard… 3

"Inquit" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie "er sagt" oder "er sagte". Die Inquit-Formel ist also die Redeeinleitung, die bei der direkten Rede üblich ist.

"Gehen, ging, gegangen" — historischer Hintergrund

Die Autorin Jenny Erpenbeck greift in ihrem Roman "Gehen, ging, gegangen" viele reale Ereignisse auf. Ihr Buch thematisiert die Situation der Geflüchteten und die Herausforderung, die der Geflüchtetenstrom nach Europa mit sich bringt. Auch Deutschland ist anfangs sowohl auf logistischer, bürokratischer und politischer Ebene von den Massen an Menschen überfordert, die versuchen Zuflucht zu finden.

Jenny Erpenbeck verarbeite in "Gehen, ging, gegangen" u. a. die Bootskatastrophe von Lampedusa, bei der 2013 mehrere hundert Geflüchtete starben oder auch wie ein Geflüchteter als blinder Passagier aus einem fliegenden Flugzeug stürzte.

Vor allem die Geschehnisse, die sich in Berlin abspielten, bearbeitet sie detailliert. Die Situation der überwiegend afrikanischen Geflüchteten des Oranienplatzes im Jahr 2015 bildet die Haupthandlung ihres Buches. Mit ihrer Beschreibung des Hungerstreiks und der Proteste bleibt sie nah an der Realität. Auch der Abriss des Camps auf dem Oranienplatz durch die Bewohnenden, ihre Umverteilung auf verschiedene Heime und zum Teil auch gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei, waren zur Veröffentlichung ihres Romans hochaktuelle, reale Themen.

Die Fluchtgeschichten sind dabei ebenfalls realen Geflüchteten nachempfunden. Bei der Recherche für ihren Roman hat Jenny Erpenbeck sich mit diesen unterhalten.

Dabei ist die Figur des Professors wie das Alter Ego der Autorin Jenny Erpenbeck zu deuten. Da sie selbst die Dinge sieht, hört und tut, die Richard im Roman erlebt und unternimmt. Jenny Erpenbeck hat z. B. ebenfalls einem Geflüchteten Klavierunterricht gegeben und auch einer Familie ein Grundstück in Ghana gekauft.

Um mehr über die Situation der Geflüchteten in Deutschland zu erfahren, kannst Du gerne in dem Fachbereich Geschichte unter dem Begriff "Flüchtlingskrise EU" nachschauen!

"Gehen, ging, gegangen" — Interpretation

Die Flucht der Menschen aus ihrer Heimat und die wahren Gründe für diese Flucht bilden ein zentrales Element in Jenny Erpenbecks "Gehen, ging, gegangen". Um diese Gründe kennenzulernen, muss den Geflüchteten jedoch erst mal eine Chance geben werden, diese zu erläutern und aus eigener Perspektive darzustellen.

Ständig in Bewegung

Vor allem die Flucht und die Suche nach einer neuen Heimat spielen eine wichtige Rolle. Die Geflüchteten sind aus unterschiedlichen Gründen, u. a. auch aufgrund von Krieg, aus ihrem Heimatland geflohen. Die Männer wünschen sich, dass sie sich an einem festen Ort niederlassen können. Sie kommen jedoch an keinem Ort vollständig zur Ruhe, da sie meistens höchstens geduldet werden. Sie sind ständig in Bewegung und müssen z. B. wieder nach Italien reisen, nur um dort regelmäßig ihren Aufenthaltsstatus zu erneuern.

Der Roman von Jenny Erpenbeck stellt dadurch die Frage, wohin ein Mensch sich begeben soll, wenn er gar nicht weiß, wohin er noch gehen kann, darf und soll.

Dabei weißt auch der Titel des Romans "Gehen, ging, gegangen" den Widerspruch innerhalb der Politik auf. Die Geflüchteten sind nur auf eine gewisse Zeit geduldet, sollen aber dennoch am Deutschunterricht teilnehmen. Wobei sie dort das Verb des Gehens immer wieder konjugieren müssen.

Die Geflüchteten bleiben durchgängig im Zustand der Bewegung, da ihnen vom Staat nie ein komplett sicheres Ankommen und eine Heimat geboten wird. Sie bleiben Fremde und sich zu integrieren wird ihnen nicht leicht gemacht.

Richtig kennenlernen

Mithilfe der Figur von Richard versucht die Autorin Jenny Erpenbeck aufzuweisen, wie sehr sich die deutschen Mitmenschen und die afrikanischen Geflüchteten auf kultureller Ebene voneinander unterscheiden. Im Gegensatz zu anderen, großen Teilen der Gesellschaft, beginnt Richard sich mit der afrikanischen Kultur, den Umständen und Geschichten der Geflüchteten auseinanderzusetzen. Dadurch wird aus "den Deutschen" und den "Flüchtlingen" jeweils eine Gruppe von unterschiedlichen Individuen.

Mit ihrem Roman versucht Jenny Erpenbeck bei den Lesenden ein besseres Verständnis für Geflüchtete zu wecken, da auch Richard erst nach Gesprächen und aufgrund einer intensiveren Auseinandersetzung Verständnis für ihre Flucht entwickeln kann.

Erpenbeck fordert ihr Publikum dazu auf, aktiv in Kontakt mit Geflüchteten zu treten und sich selbst, abseits der Medien, ein Bild über die Umstände der Geflüchteten zu machen. Jenny Erpenbeck erhofft sich, dass die Lesenden den Geflüchteten vorurteilsfrei und auf Basis von Mitgefühl und Menschlichkeit entgegentreten.

Am Ende des Romans findet sich neben einer Danksagung an die Geflüchteten, die sich mit der Autorin Jenny Erpenbeck unterhielten und ihre Geschichte mit ihr geteilt haben, auch ein Verweis auf ein Spendenkonto wieder. Dadurch wird den Lesenden noch einmal vor Augen geführt, dass das, was sie gerade gelesen haben, auch mit der realen Welt verbunden ist und nicht nur auf der literarischen Ebene stattfindet.

Jenny Erpenbeck

Jenny Erpenbeck ist deutsche Schriftstellerin und Regisseurin. Sie wurde 1967 in Ostberlin, in der damaligen DDR geboren und verbrachte dort auch ihre Kindheit und Jugend. Sie stammt aus einer bekannten Schriftstellerfamilie. Ihr Vater, John Erpenbeck (1942), ist Wissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller und ihre Mutter, Doris Kilias (1942-2008), war Übersetzerin.

Nachdem sie 1985 ihr Abitur gemacht hat, absolvierte sie eine Buchbinder-Lehre und arbeitete danach als Ankleiderin und Requisiteurin an der Deutschen Staatsoper. 1988 fing sie an, Theaterwissenschaften an der Humboldt-Universität in Berlin zu studieren. Kurz darauf wechselte sie jedoch an die Berliner Hochschule "Hanns Eisler", wo sie Musiktheaterregie studierte und 1994 abschloss.

Daraufhin arbeitete sie 1995 als Regieassistentin am Opernhaus in Graz und gestaltete in mehreren deutschen und österreichischen Opernhäusern die Aufführungen unterschiedlicher Theatervorstellungen.

Zeitgleich widmete Jenny Erpenbeck sich ihren schriftstellerischen Tätigkeiten. Ihr erstes Werk, eine Novelle namens "Geschichte vom alten Kind" erschien 1999. In den darauffolgenden Jahren schrieb sie weitere Erzählungen, Romane und Theaterstücke. Für ihre Werke wird sie u. a. mit dem Doderer Preis, Fallada Preis und dem Breitbach Preis ausgezeichnet.

Heutzutage ist sie mit dem Dirigenten Wolfgang Bozic (1947) verheiratet, hat einen Sohn und lebt als freie Autorin und Regisseurin wieder in Berlin.

Gehen ging gegangen – Das Wichtigste

  • Jenny Erpenbecks Roman "Gehen, ging, gegangen" greift die Situation in Deutschland nach dem Zustrom von Geflüchteten im Jahr 2015 auf. Sie bezieht sich speziell auf das 2012 eröffnete Protestlager auf dem Berliner Oranienplatz.
  • Die Handlung umfasst den Zeitraum von Mitte August 2013 bis Frühling 2014.
  • Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine in den Ruhestand versetzt wordener Professor für Altphilologie, der durch die mediale Berichterstattung auf die Proteste afrikanischer Geflüchteter aufmerksam wird.
  • Der Titel "Gehen, ging, gegangen" greift die Hauptthematik des Romans auf und bezieht sich auf die Flucht der Menschen aus Afrika und die Ablehnung ihrer Asylanträge in Deutschland, wodurch sie sich an keinem Ort fest niederlassen können und immer wieder erneut zum Aufbruch gezwungen werden.

  • "Gehen, ging, gegangen" ist in 55 Kapitel unterteilt, die keine Titel besitzen. Die Zahl der Kapitel entspricht der Anzahl aller afrikanischer Staaten.

  • Anhand eines Erzählerberichts wird das Geschehene zusammengefasst, Schauplätze, Gegenstände und Figuren werden durch Beschreibungen erörtert und durch eine Kombination der Beschreibung und des Einsatzes von direkter Rede entsteht ein unmittelbares Erlebnis der Gegebenheit.

  • Jenny Erpenbeck will die Lesenden mit ihrem Roman dazu auffordern, selbst aktiv in Kontakt mit Geflüchteten zu treten und sich abseits der Medien ein Bild über ihre Umstände zu machen.


Nachweise

  1. www.bmi.bund.de: 2015: Mehr Asylanträge in Deutschland als jemals zuvor. (22.08.2022)
  2. Jenny Erpenbeck (2018). Kein Roman Texte und Reden 1992 bis 2018. Penguin Verlag.
  3. Jenny Erpenbeck (2015). Gehen, ging, gegangen. Albrecht Knaus Verlag.
  4. www.uni-due.de: Jenny Erpenbeck. (22.08.2022)

Häufig gestellte Fragen zum Thema Gehen ging gegangen

"Gehen, ging, gegangen" wurde im Jahr 2015 veröffentlicht.

In "Gehen, ging, gegangen" geht es um die Lebens- und Fluchtgeschichten von afrikanischen Geflüchteten, die nach Deutschland gekommen sind und dort einen Asylantrag gestellt haben. In der Handlung wird ein Professor namens Richard durch die Medien auf ihre Proteste am Oranienplatz in Berlin aufmerksam. 

"Gehen, ging, gegangen" basiert auf realen Ereignissen. Die Autorin Jenny Erpenbeck hat sich im Zuge ihrer Recherche mit Geflüchteten aus Afrika unterhalten und deren sowie ihre eigenen Erfahrungen in dem Buch verarbeitet. Außerdem gab es auch wirklich ein Protestcamp auf dem Oranienplatz und viele weitere Begebenheiten aus dem Jahre 2015 wurden in den Roman integriert. 

"Gehen, ging, gegangen" wurde von der deutschen Autorin und Regisseurin Jenny Erpenbeck verfasst. 

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Wann wurde der Roman "Gehen, ging, gegangen" veröffentlicht?

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