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Der Schlag ans Hoftor

"Der Schlag ans Hoftor" ist eine Parabel des tschechischen Schriftstellers Franz Kafka. Sie wurde 1917 verfasst, allerdings erst 1931 von seinem Freund Max Brod veröffentlicht. Franz Kafka hatte den Wunsch geäußert, dass nach seinem Tod alle unveröffentlichten Werke vernichtet werden sollten. Brod hatte sich nicht daran gehalten, weswegen der größte Teil von Kafkas Gesamtwerk erst posthum erschien.

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"Der Schlag ans Hoftor" ist eine Parabel des tschechischen Schriftstellers Franz Kafka. Sie wurde 1917 verfasst, allerdings erst 1931 von seinem Freund Max Brod veröffentlicht. Franz Kafka hatte den Wunsch geäußert, dass nach seinem Tod alle unveröffentlichten Werke vernichtet werden sollten. Brod hatte sich nicht daran gehalten, weswegen der größte Teil von Kafkas Gesamtwerk erst posthum erschien.

Eine Parabel ist eine Kurzform der Prosa, in der zwischen einer Bild- und einer Sachebene unterschieden wird. Sie soll eine Botschaft formulieren, die vom Leser selbstständig herausgearbeitet werden muss.

"Der Schlag ans Hoftor" handelt von einem Ich-Erzähler, der zusammen mit seiner Schwester an einem Hoftor vorbeiläuft. Nachdem vermutlich die Schwester mit der Faust an das Hoftor geschlagen hat, wird der Ich-Erzähler angeklagt und muss für den Rest seines Lebens ins Gefängnis.

"Der Schlag ans Hoftor" – Zusammenfassung

Zu Beginn der Parabel befindet sich der namenlose Ich-Erzähler zusammen mit seiner Schwester auf dem Weg nach Hause. Sie kommen an einem Hoftor vorbei und der Protagonist erklärt, dass er sich nicht mehr erinnert, ob seine Schwester an dieses geschlagen hat. Als die beiden weitergehen und das nahegelegene Dorf erreichen, kommen ihnen Leute entgegen. Der Erzähler ist sich nicht sicher, ob sie ihm und seiner Schwester freundschaftlich oder warnend zuwinkten.

Die Dorfbewohner zeigen auf das Haus, an dem der Protagonist und seine Schwester gerade erst vorbeigegangen waren, und verweisen auf den Schlag an das Hoftor. Sie berichten dem Geschwisterpaar, dass es von dem Besitzer des Hauses für den Schlag verklagt werden würden. Der Erzähler reagiert darauf gelassen, da er sich darüber bewusst ist, dass es unmöglich sein würde, einen Beweis für diese Tat hervorzubringen. Die Schwester reagiert nervös, doch der Erzähler beruhigt sie. Die Dorfbewohner ignorieren seine Einwände über die Unmöglichkeit einer Klage.

Die Leute weisen den Protagonisten darauf hin, dass nicht nur seine Schwester, sondern auch er für den Schlag an das Hoftor verantwortlich gemacht werden würde. Dieser nimmt das allerdings mit einem Lächeln auf. Als alle gemeinsam zu dem betreffenden Haus zurückschauen, sehen sie bald bewaffnete Reiter durch das Tor und dann zu der Gruppe im Dorf reiten.

Der Erzähler versucht nun seine Schwester dazu zu drängen nach Hause zu gehen, damit er die Situation allein klären kann. Die Reiter fragen nach der Schwester, reagieren jedoch gleichgültig, als sie erfahren, dass diese nicht anwesend ist. Sie geben an, nur nach dem Erzähler gesucht zu haben. Unter den Reitern befindet sich auch ein Richter und sein Geselle, die den Protagonisten auffordern, in die Bauernstube des Hauses, an dem der Schlag passiert sein soll, einzutreten.

Der Erzähler folgt zwar der Aufforderung, jedoch glaubt er, dass er als Städter gute Chancen hätte, die Vorwürfe der Dorfbewohner abzuwehren, da er sich für gebildeter hält. Als er die Stube betritt, sagt der Richter, dass ihm der Protagonist leid täte. Der Erzähler erklärt die Situation wie folgt:

Es war aber über alle Zweifel, daß [sic!] er damit nicht meinen gegenwärtigen Zustand meinte, sondern das, was mit mir geschehen würde.

Alle Zitate stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, aus Franz Kafkas "Das Werk" (2010, Frankfurt: Zweitausendeins).

Der Erzähler verfügt hier über mehr Informationen als der/die Leser*in. Er deutet an, dass auch der Richter weiß, dass etwas Schlimmes passieren würde. Im nächsten Moment erkennt der Erzähler, dass die Stube eine Gefängniszelle ist, in deren Mitte eine Pritsche, die halb Operationstisch ist, steht.

Am Ende der Parabel sitzt der Erzähler in der Gefängniszelle in Haft und es wird deutlich, dass er die Geschichte von dort aus erzählt hat. Er sagt, dass er keine Aussicht auf Entlassung mehr hätte.

"Der Schlag ans Hoftor" – Figurenkonstellation

Über die Figuren in "Der Schlag ans Hoftor" erfährt der/die Leser*in nicht viel, was typisch für die Prosa von Franz Kafka ist. Sie haben weder Namen noch werden sie genauer charakterisiert. Die Dorfbewohner treten nur als eine Gruppe auf und können deshalb wie eine einzelne Figur behandelt werden.

Der Ich-Erzähler

Die meisten Werke Kafkas sind in der Ich-Perspektive geschrieben, wodurch sich der Leser sehr stark mit dem Protagonisten identifiziert. Der Ich-Erzähler in "Der Schlag ans Hoftor" scheint dabei in den größten Teil der Erzählung nicht über mehr Wissen zu verfügen als der/die Leser*in. Da die Parabel im Präsens verfasst ist und die Gedanken des Protagonisten besonders am Anfang von möglichen Auflösungen des Missverständnisses handeln, denkt der/die Leser*in, auf einem Wissensstand mit dem Erzähler zu sein.

Die Geschehnisse, die die Parabel beschreibt, sind höchst verwunderlich und auch der Protagonist kann sie scheinbar nicht einordnen. Erst in den letzten Sätzen der Erzählung wird deutlich, dass er die Geschichte bereits in Haft sitzend erzählt und über den hoffnungslosen Ausgang Bescheid weiß. Er spricht davon, dass er schon lang in der Gefängniszelle sitzt und niemals herauskommen wird.

Der Ich-Erzähler versucht seine Schwester zu schützen, indem er sie nach Hause schickt. Diese Tat wird jedoch durch den Richter untergraben, da sich dieser nicht für die abwesende Schwester zu interessieren scheint, sondern von Anfang an nur den Protagonisten bestrafen wollte. Der Erzähler wähnt sich lange in Sicherheit, da er weiß, dass es für eine Verurteilung Beweise bräuchte, allerdings wird er mit dem Fortschreiten der Geschichte immer panischer, da er merkt, dass seine Vorstellungen vom Rechtssystem hier nicht gelten.

Die Schwester

Die Beziehung zwischen den Geschwistern in der Parabel ist sehr eng. Allerdings bleibt die Figur in der Geschichte im Hintergrund. Sie ist zwar diejenige, die vielleicht an das Hoftor schlägt, allerdings bleibt es im Dunkeln, ob sie es tatsächlich getan hat, beziehungsweise wenn es so war, ob sie den Schlag mit Absicht getätigt hat.

Die Schwester des Protagonisten ist schnell von den Warnungen der Dorfbewohner eingeschüchtert. Sie hat Angst, während ihr Bruder noch ruhig bleibt und davon ausgeht, dass es sich um ein Missverständnis handelt.

Die Dorfbewohner

Das Auftauchen der Dorfbewohner verändert die Stimmung in der Parabel von der ländlichen Idylle hin zu einer mehr und mehr bedrohlichen Situation. Der Erzähler kann zunächst nicht einschätzen, warum die Leute auf ihn zukommen, was in dem folgenden Zitat deutlich wird:

Wir kannten es nicht, aber gleich nach dem ersten Haus kamen Leute hervor und winkten uns, freundschaftlich, oder warnend, selbst erschrocken, gebückt vor Schrecken.

Die Attribute, die den Leuten zugeschrieben werden, werden immer angsteinflößender - beginnend mit "freundschaftlich" bis zu "gebückt vor Schrecken". Sie überbringen die Nachricht, dass die Geschwister eine Klage zu erwarten hätten. Sie greifen nicht ein, als der Erzähler auf eine ungerechte Art und Weise bestraft wird und ergreifen keine Partei zwischen Protagonisten und Richter.

Der Richter

Während den Dorfbewohnern eine warnende Funktion zukommt, ist der Richter derjenige, der die lebenslange Strafe an den Erzähler verhängt und auch umsetzt. Er und sein Gehilfe kommen, begleitet von Soldaten, auf Pferden durch das Tor geritten, an das die Schwester geschlagen haben soll. Der Richter wendet sich an den Protagonisten und fordert ihn auf, in das Haus zu gehen, an dem das Vergehen stattgefunden haben soll. Dort wird die lebenslange Haftstrafe verhängt.

Als der Protagonist in die Bauernstube eintritt, sagt der Richter zu ihm, dass er ihm leidtäte. Das ausgedrückte Mitleid bezieht sich dabei auf die Strafe, die den Erzähler ereilen wird, und von der Richter weiß, dass sie nicht mehr abzuwenden ist.

"Der Schlag ans Hoftor" – Analyse

In der Schule wirst Du vielleicht eine Analyse von Kafkas "Der Schlag ans Hoftor" vornehmen müssen. Bei einer Analyse werden immer sowohl Aspekte des Aufbaus sowie der Sprache betrachtet. Im Folgenden wird Kafkas Erzählung auf verschiedene Aspekte dieser beiden Bereiche untersucht.

"Der Schlag ans Hoftor" – Aufbau

Kafkas Erzählungen haben meistens einen Ich-Erzähler. Dieser ist häufig in der Situation, sein eigenes Scheitern annehmen zu müssen, da ihm die Umstände keine andere Wahl lassen. In "Der Schlag ans Hoftor" denkt der Erzähler zuerst, dass es sich um ein Missverständnis handeln würde, das sich aufklären lässt. Nach und nach wird ihm aber bewusst, dass er seinen Untergang nicht mehr abwenden kann. Es wird nicht deutlich, worin seine eigentliche Schuld liegt, aber die Strafe bleibt unausweichlich. Am Ende muss er auch jegliche Hoffnung auf eine spätere Freilassung aufgeben.

"Der Schlag ans Hoftor" steigt ohne Einleitung direkt in das Geschehen ein. Die Parabel ist im Präsens verfasst und aus der Ich-Perspektive geschrieben. Die Perspektive wechselt immer wieder zwischen der Innenansicht des Protagonisten und einer Außenansicht der Ereignisse, wodurch das Beschriebene vermischt wird.

Zum Beispiel wird in der ersten Beschreibung der Dorfbewohner deutlich, wie sich die Stimmung des Ich-Erzählers ändert, und der idyllische Nachhauseweg zu einer bedrohlichen Situation wird. Auch als der Ich-Erzähler in der Bauernstube bemerkt, dass es sich dabei um seine Gefängniszelle handelt, verändert sich die Stimmung:

Die Stube sah einer Gefängniszelle ähnlicher als einer Bauernstube. Große Steinfliesen, dunkel, ganz kahle Wand, irgendwo eingemauert ein eiserner Ring, in der Mitte etwas, das halb Pritsche, halb Operationstisch war.

Die Wahrnehmung des Raumes ändert sich, sobald er begreift, dass er darin eingesperrt werden wird. Zunächst glaubt er noch daran, dass er keine Angst haben müsse, sobald der Richter aber spricht, wird die harmlose Bauernstube zu einer angsteinflößenden Gefängniszelle.

Die Parabel "Der Schlag ans Hoftor" ist retrospektiv, also eine vergangene Situation, die von einem Erzähler aus der Gegenwart erzählt wird. Ungewöhnlich ist, dass die Geschichte nicht im Präteritum, sondern im Präsens verfasst ist. Die Situation wird so geschildert, als sei der Protagonist mittendrin, was sich durch das Ende als Trugschluss herausstellt.

"Der Schlag ans Hoftor" – sprachliche Analyse

Die Sprache Kafkas ist sehr reduziert, also kurz und prägnant. Das erkennt man unter anderem daran, dass die Umgebung oder die Figuren nicht genau beschrieben werden. Es wird vieles dem/der Leser*in offen gelassen. Die Sprache in Kafkas Werken bleibt weitestgehend schmucklos und nüchtern. Erkennbar wird das zum Beispiel an den wenigen Adjektiven, die Situationen und Gefühle beschreiben würden:

Es war im Sommer, ein heißer Tag. Ich kam auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester an einem Hoftor vorüber. Ich weiß nicht, schlug sie aus Mutwillen ans Tor oder aus Zerstreutheit oder drohte sie nur mit der Faust und schlug gar nicht.

In nur drei kurzen Sätzen wird die gesamte Szenerie beschrieben, in der die Parabel spielt. Es werden keine genauen Angaben zu der Zeit und Raum gegeben, theoretisch könnten die Ereignisse in der Vergangenheit oder Gegenwart und an einem beliebigen Ort stattfinden.

Ein weiteres sprachliches Merkmal der Parabel ist, dass juristische Vokabeln anders verwendet werden, als es ihre eigentliche Bedeutung vorgibt. Zum Beispiel wird die Figur "Richter" genannt, aber seine Handlungen entsprechen nicht dem, was ein Richter am Gericht tun würde. In "Der Schlag ans Hoftor" wird nicht erläutert, wie das gemeint ist und von dem/r Leser*in wird vorausgesetzt, dass er/sie die wirklichen Bedeutungen der Worte kennt.

Die Prosa von Franz Kafka hat häufig eine Sprache, die nicht viel erklärt und über die Figuren preisgibt. Trotzdem wirkt der Text nicht berichtartig, weil die beschriebene Situation so paradox und angsteinflößend ist. Dadurch, dass im Text nur wenige Informationen gegeben werden, kann der/die Leser*in ihn vielseitiger interpretieren und eigene Ängste oder Unsicherheiten in die Figur des Erzählers hineinprojizieren.

Die Sprache von "Der Schlag ans Hoftor" ist typisch für Franz Kafkas Stil. Für den ganz speziellen sprachlichen Stil Franz Kafkas gibt es das Adjektiv "kafkaesk". Das bedeutet, dass etwas auf eine unergründliche Art und Weise bedrohlich und angsteinflößend ist. Es wird auch häufig angewendet, wenn Regeln keinen erkennbaren Sinn ergeben und scheinbar nur zur Schikane der Menschen eingerichtet wurden.

Die Parabel bei Kafka

In einer Parabel ist es möglich, den Bildern verschiedene Sachebenen zuzuordnen, da die Aussage meist nicht sofort klar wird. So gibt es etwa die Möglichkeit, die Figur des Richters (Bildebene) folgende Sachebenen zuzuordnen:

  • Kafkas Vater
  • Gott
  • Ein ungerechtes Rechtssystem

Welche letztendlich getroffen wird, bleibt dem/der Leser*in überlassen.

Kafkas Parabeln handeln häufig von der Machtlosigkeit Einzelner und von Einsamkeit. Der Aufbau der Isolation ist dabei meist selbst verschuldet oder es ist vollkommen unklar, wie die Situation zustande gekommen ist. Am Beispiel "Der Schlag ans Hoftor" ist die Isolation selbst verschuldet, weil der Protagonist seine Schwester wegschickt und deshalb allein ist.

In einer anderen Parabel, "Der Geier", ist die Situation nicht klar, weil der Protagonist von Beginn an einem Geier ausgesetzt ist, der ihm die Füße zerhackt und nicht erzählt wird, wie es dazu kam.

"Der Schlag ans Hoftor" – Interpretation

Durch die Verwendung des Stilmittels der Chiffre sind vielfältige Interpretationen von Kafkas "Der Schlag ans Hoftor" möglich. Die am weitesten verbreiteten Interpretationen beziehen sich auf die Familie von Franz Kafka, auf Kafkas Roman "Der Prozess" oder auf Orientierungslosigkeit und Einsamkeit.

Eine Chiffre ist ein stilistisches Mittel in der Literatur. Es ist ein Wort oder eine Formulierung, die etwas beschreibt, was nicht dem ursprünglichen Sinn dieser Worte entspricht. Der Sinn, der durch die Chiffre ausgedrückt werden soll, ist nur aus dem Kontext erkennbar. Diese Art der Zuschreibung des eigentlichen Sinnes nennt man auch "Dechiffrierung".

Kafkas Familie

Eine mögliche Interpretation der Parabel "Der Schlag ans Hoftor" bezieht sich auf die familiäre Situation Franz Kafkas. Die Geschwister, die sich zu Beginn der Geschichte auf ihrem Nachhauseweg befinden, scheinen eine enge Bindung zueinander zu haben. Diese erinnert an Kafkas enge Beziehung zu seiner Schwester Ottla. Der Bruder schickt seine Schwester nach Hause, um die Konsequenzen allein zu tragen und sie zu beschützen.

Der Richter erinnert an Kafkas Vater, zu dem Franz Kafka ein schlechtes Verhältnis hatte. Für den Richter ist es nicht von Bedeutung, wo sich die Schwester befindet, da er nur vorhatte, den Protagonisten zu bestrafen. Auch der Vater Kafkas hat seinen Sohn häufig übermäßig bestraft.

Über Franz Kafka ist sein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater bekannt. In "Brief an den Vater" formuliert der Autor dies aus. Er wirft seinem Vater vor, ihn in seiner Kindheit übermäßig streng bestraft zu haben und von seiner jähzornigen Art unterdrückt worden zu sein. Inwieweit die Darstellungen in "Brief an den Vater" der Wirklichkeit entsprechen, ist nicht klar.

Franz Kafka macht auch seiner Mutter Vorwürfe, nichts gegen die Wutausbrüche seines Vaters getan zu haben. Zu seiner jüngsten Schwester Ottla hatte er ein sehr enges Verhältnis.

Franz Kafka hatte zwar ein sehr enges Verhältnis zu Ottla, allerdings war sie nicht so sehr von den Wutausbrüchen des Vaters betroffen wie ihr Bruder. Dieses Verhältnis kann man auch darin wiederfinden, dass nur der Erzähler bestraft wird. Nach der Schwester fragt der Richter zwar erst, allerdings stört ihn ihre Abwesenheit dann nicht.

Die Dorfbewohner könnten für die Mutter Kafkas stehen, da sie zwar vor dem drohenden Unheil warnen, allerdings nichts dagegen unternehmen und auch nicht versuchen, den Protagonisten vor der ungerechten Strafe zu schützen.

Als der Erzähler erklärt, dass er und seine Schwester für den Schlag unmöglich bestraft werden könnten, verstehen die Dorfbewohner zwar die Ausführungen, enthalten sich allerdings einem Urteil. Auch die Mutter Kafkas hat sich den heftigen Reaktionen ihres Mannes nicht in den Weg gestellt. Auch die Bauernstube, die letztendlich zur Gefängniszelle wird, erinnert an ein häusliches Umfeld, das allerdings von Leid und nicht von Idylle geprägt ist, und aus dem der Protagonist bis an das Ende seines Lebens nicht entfliehen kann.

Die Figur des Erzählers kann als Franz Kafka selbst gedeutet werden, der sich oft orientierungslos und seinem Vater ausgeliefert fühlte. Er hatte ebenso das Gefühl nicht entkommen zu können oder bestraft zu werden, ohne zu wissen wofür.

Im Zusammenhang mit "Der Prozess"

"Der Schlag ans Hoftor" kann auch als eine Kurzform von Kafkas Roman "Der Prozess" verstanden werden, in dem der Protagonist sich vor Gericht wiederfindet, ohne zu wissen, was sein Vergehen war. Kafka, der als Jurist mit dem Rechtssystem sehr vertraut war, beschreibt eine Welt, in der der Einzelne orientierungslos bleibt, und in der mächtigen Menschen über das Schicksal der anderen verfügen können.


In Kafkas Werken sind häufig rechtliche Themen erkennbar, was auch darauf zurückgeführt werden kann, dass er selbst promovierter Jurist war. Allerdings werden in seiner Literatur die juristischen Begriffe destruiert verwendet, was bedeutet, dass er sie in einem anderen Sinn verwendet, als eigentlich üblich. So wird dem Protagonisten zum Beispiel angedroht, dass er verklagt werden würde, allerdings findet kein Gerichtsprozess statt und es wird eine Strafe verhängt, die vollkommen unangemessen für das angebliche Vergehen wäre.

Orientierungslosigkeit und Einsamkeit

Die Handlung der Parabel kann aber auch auf eine höhere Ordnung, wie eine religiöse Gewalt oder ein nicht menschengemachtes Gesetz, bezogen werden.

Die zentralen Motive in "Der Schlag ans Hoftor" sind die Orientierungslosigkeit und die Ohnmacht des Protagonisten. Dieser kann sich nicht gegen das Unrecht wehren und wird der dem niederschmetternden Ausgang niemals entkommen.

Auch die Einsamkeit ist ein Motiv, das in der Parabel zentral vertreten ist, da dem Protagonisten von niemandem geholfen wird. Nachdem seine Schwester weg ist, wird er auch von keiner anderen Figur mehr verstanden und ist gezwungen, die Strafe für den Schlag auf sich zu nehmen. In der Gefängniszelle, aus der er nie mehr entkommen kann, ist er von allen anderen Menschen abgeschottet und seine Einsamkeit bleibt somit für den Rest seines Lebens unveränderlich.

Die idyllische Normalität des Anfangs wird durch Zweifel und durch die wachsende Bedrohung gebrochen, die in der Wortwahl und in einigen Reihungen deutlich werden. So werden die Dorfbewohner als "freundschaftlich", dann als "warnend" und schließlich als "erschrocken" und "gebückt vor Schrecken" beschrieben. Ebenfalls ein Beispiel für eine solche Chiffre ist die Beobachtung der in das Hoftor einreitenden Reiter.

Alle blickten wir zum Hofe zurück, wie man eine ferne Rauchwolke beobachtet und auf die Flamme wartet.

Die Ahnung wird darin deutlich, dass bald etwas Schreckliches passieren würde.

Und wirklich, bald sahen wir Reiter ins weit offene Hoftor einreiten. Staub erhob sich, verhüllte alles, nur die Spitzen der hohen Lanzen blinkten.

Die Gefahr und das drohende Unheil nähert sich in Form der Reiter, allerdings ist noch nicht erkennbar, was genau passieren wird und die Situation ist für den Protagonisten immer noch sehr undurchsichtig. Das wird dadurch deutlich, dass der Staub so stark aufgewirbelt wird, dass man nichts erkennt außer die spitzen Lanzen, die als Waffen für die größere Macht stehen, die die Reiter über den Erzähler haben.

Franz Kafka – "Der Schlag ans Hoftor"

Franz Kafka wurde 1883 als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns in Prag geboren. Er studierte Germanistik und Jura und promovierte 1906 in Jura. Er arbeitete bis 1917 als Angestellter in einer Versicherungsgesellschaft, während er meist nachts schrieb. Zu Lebzeiten wurden die Sammlung von Erzählungen "Die Betrachtung" und die Romane "Die Verwandlung" und "Das Urteil" veröffentlicht. 1917 erkrankte Kafka an Tuberkulose, an deren Folgen er 1924 in Kierling bei Wien starb.

Die meisten seiner Werke wurden erst nach seinem Tod von seinem Freund Max Brod veröffentlicht, obwohl es Kafkas ausdrücklicher Wunsch war, diese zu vernichten. Auch "Der Schlag ans Hoftor" gehört zu den Werken, die erst posthum erschienen sind. Die Parabel wurde 1917 von Franz Kafka verfasst und 1931 durch Brod veröffentlicht. 1903 verfasste Kafka die Erzählung "Kinder auf der Landstraße", die eine ähnliche Ausgangssituation wie "Der Schlag ans Hoftor" enthält. Allerdings wird in dieser Erzählung die Stimmung nicht ebenso gebrochen, und der Ausgang wird nicht so bedrohlich und aussichtslos.

"Der Schlag ans Hoftor" – geschichtlicher Hintergrund

Die Parabel erinnert auch an den Roman "Der Prozess", den Kafka kurz nach der Auflösung seiner Verlobung mit Felice Bauer begonnen hatte, zu schreiben. Es kam zu einer Aussprache mit Felice und einer Freundin derer in einem Hotel, die Franz Kafka als Strafgericht empfunden hatte. Den Roman hat er nie vollendet und die Fragmente wurden später von Max Brod angeordnet.

Die Entstehungszeit wird auf den März 1917 datiert. Beeinflusst wurde Kafkas Schaffensphase von persönlichen Umständen, wie der Trennung von deiner Verlobten und der räumlichen Trennung von seiner Familie, aber auch der Erste Weltkrieg und der Tod des Kaisers Franz Joseph.

Der Erste Weltkrieg fand vom 28. Juli 1914 bis zum 11. Nov. 1918 statt und war der erste Krieg, in dem alle globalen Großmächte involviert waren. Neu war außerdem der Einsatz von moderner Waffentechnik. Mehr als 9 Millionen Soldaten kamen im Ersten Weltkrieg ums Leben.

Das Jahr 1917 wird aufgrund seiner einschneidenden historischen Entwicklung oft auch als Epochenjahr betitelt.

Zu diesen Ereignissen zählen:

  • Die USA traten dem Krieg bei und in Russland kam es zu weitreichenden Revolutionen.
  • Der Kriegseintritt der USA, aufseiten der Entente, brachte die entscheidende Wende des Krieges.
  • Das amerikanische Wirtschaftspotenzial glich die französischen und britischen Verluste aus.
  • Über 1 Million amerikanische Soldaten kamen an der Westfront gegen Deutschland zum Einsatz.

Der Schlag ans Hoftor - Das Wichtigste

  • Franz Kafka – "Der Schlag ans Hoftor": "Der Schlag ans Hoftor" ist eine Parabel des tschechischen Schriftstellers Franz Kafka.
  • "Der Schlag ans Hoftor" – Inhaltsangabe: Die Parabel handelt von einem Geschwisterpaar auf ihrem Nachhauseweg, auf dem die Schwester vermutlich an ein Hoftor schlägt. Der Bruder und Ich-Erzähler wird für dieses vermeidliche Verbrechen von einem Richter mit lebenslanger Haft bestraft.
  • Die Parabel wurde zwar 1917 verfasst, allerdings erst nach dem Tod Kafkas im Jahr 1931 veröffentlicht.
  • "Der Schlag ans Hoftor" – Analyse: "Der Schlag ans Hoftor" ist in einer nüchternen Sprache geschrieben, die viele Interpretationsmöglichkeiten offen lässt. Erst am Ende der Parabel wird klar, dass der Protagonist die Geschichte aus seiner Gefängniszelle heraus erzählt.
  • "Der Schlag ans Hoftor" – Interpretation: Die Figuren können unter anderem anhand der Familienmitglieder von Franz Kafka interpretiert werden. Das Geschwisterpaar würde dann Kafka und seine Schwester Ottla darstellen, die Dorfbewohner seine Mutter und der Richter seinen Vater.
  • Die Parabel handelt außerdem von Orientierungslosigkeit und Ohnmacht sowie von der Ausweglosigkeit aus der Ungerechtigkeit.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Der Schlag ans Hoftor

"Der Schlag ans Hoftor" handelt von einem Geschwisterpaar, das sich auf seinem Nachhauseweg befindet. Die Schwester schlägt wahrscheinlich an ein Hoftor, woraufhin ihr Bruder und sie verklagt werden sollen. Der Protagonist schickt seine Schwester weg und wird von einem Richter auf lebenslange Haft in einer Gefängniszelle verurteilt.

Die prominentesten Motive sind die Einsamkeit des Protagonisten und seine Orientierungslosigkeit, Ohnmacht und das Ausgeliefertsein gegenüber der ungerechten Strafe.

Der Richter kann als Chiffre für den Vater Franz Kafkas gedeutet werden, zu dem er ein schlechtes Verhältnis hatte. Allerdings ist es auch möglich die Figur als ein ungerechtes Rechtssystem oder eine übermenschliche Ordnung zu deuten. 

"Der Schlag ans Hoftor" von Franz Kafka ist eine Parabel. 

Kafkas Parabeln handeln häufig von der Machtlosigkeit Einzelner und von Einsamkeit. Der Aufbau der Isolation ist dabei meist selbst verschuldet oder es ist vollkommen unklar, wie die Situation zustande gekommen ist. 

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