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Gehorsam Experiment

Im Jahr 1978 ereignete sich in Jonestown, einer von Pfarrer Jim Jones gegründeten Gemeinde, ein grausames Ereignis: 909 Mitglieder der Sekte Peoples Temple, die Anhänger*innen von Jones waren, nahmen sich bei einem Massenselbstmord das Leben. Sie tranken freiwillig einen mit Gift versetzten Softdrink. 

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Im Jahr 1978 ereignete sich in Jonestown, einer von Pfarrer Jim Jones gegründeten Gemeinde, ein grausames Ereignis: 909 Mitglieder der Sekte Peoples Temple, die Anhänger*innen von Jones waren, nahmen sich bei einem Massenselbstmord das Leben. Sie tranken freiwillig einen mit Gift versetzten Softdrink.

Immer wieder finden sich in der Geschichte Gräueltaten, die auf Anweisung von Autoritätspersonen durchgeführt wurden. Wie kommt es zu solchen Ereignissen? Wieso schloss sich die Mehrheit der Sektenmitglieder bereitwillig dieser Handlung an, obwohl sie ihren eigenen Tod bedeutete? Welche Rolle spielte die Macht und Autorität des Sektenanführers Jones?

Um Antworten auf solche Fragen zu finden, haben Psycholog*innen in den vergangenen Jahrzehnten Experimente durchgeführt, um das Zusammenspiel von Autorität, Gehorsam und Konformität zu untersuchen.

Gehorsam und Konformität – Definition

Bevor Du die bedeutsamsten psychologischen Experimente zu Konformität und Gehorsam kennenlernst, kann es hilfreich sein, zunächst die dafür grundlegenden Begriffe genau zu definieren.

Konformität – Definition

Konformität entsteht aus dem Bedürfnis, Teil einer Gruppe bzw. der Gesellschaft zu sein. Wenn Personen Konformität zeigen, passen sie ihr Verhalten an, um von anderen akzeptiert und nicht ausgeschlossen zu werden.

Konformität bedeutet, dass sich ein Individuum in Einklang mit den Werten, Regeln und Normen einer Gruppe oder der Gesellschaft verhält.

Menschen orientieren sich also an den Erwartungen der Mehrheit. Ein solches konformes Verhalten ist auch in alltäglichen Situationen zu beobachten:

Jonas interessiert sich eigentlich überhaupt nicht für das Thema Umweltschutz. Er hat keine Lust auf Online-Shopping zu verzichten, seinen Fleischkonsum zu reduzieren oder mit dem Fahrrad anstatt mit dem Auto zu fahren. Da Umweltschutz für seine Freund*innen jedoch wichtig ist und sich diese deshalb entschließen, mit der Straßenbahn zum Schwimmbad zu fahren, lässt auch Jonas sein Auto zu Hause stehen und nimmt die Bahnfahrt in Kauf. Er verhält sich konform, um von den anderen nicht ausgeschlossen zu werden.

Konformität entsteht durch den Einfluss der Mehrheit auf ein Individuum oder auf mehrere Personen. Wenn Du Dich mehr mit dem Thema Gruppeneinfluss befassen möchtest, dann lies Dir die Erklärungen "Mehrheitseinfluss" und "Minderheitseinfluss" durch.

In manchen Situationen erhöhen auch äußere Umstände den Konformitätsdruck. Im Jonestown-Beispiel, das in der Einleitung beschrieben wurde, waren die Sektenmitglieder besonders abhängig von ihrer sozialen Gruppe, da sie in ihrer Gemeinde abgeschieden vom Rest der Gesellschaft lebten. Gegen den Strom zu schwimmen und sich entgegen den Normen der Mehrheit zu verhalten, kann in einer solchen Situation zusätzlich erschwert werden, da man im Fall von Ausgrenzung durch die anderen Gruppenmitglieder vollkommen isoliert wäre.

Gehorsam – Definition

Gehorsam beschreibt die Unterordnung gegenüber einer Autorität. Gehorsam zu leisten bedeutet, dass Vorschriften und Befehle befolgt und Verbote eingehalten werden.

Ähnlich wie Konformität entsteht auch Gehorsam dann, wenn andere Personen oder Institutionen Einfluss auf Individuen ausüben. Autoritätspersonen könnten etwa die eigenen Eltern oder der/die Vorgesetzte sein. Institutionen, die eine Autoritätsrolle innehaben, sind etwa Gerichte, Schulen oder die Polizei.

Autoritäten können aufgrund einer amtlichen Befugnis, einer hohen (fachlichen) Stellung oder einer inneren Überlegenheit Einfluss auf andere Personen nehmen. Sie genießen häufig ein hohes Ansehen oder eine Machtbefugnis über andere.

Menschen Gehorsam – Bedingungen

Die wesentlichen Bedingungen dafür, dass Menschen Gehorsam leisten, sind Respekt gegenüber einer Autorität und das Befürchten negativer Konsequenzen. Es gibt jedoch noch weitere Faktoren, die Einfluss auf die Bereitschaft zu Gehorsam nehmen. Beispielsweise hören Personen eher auf eine Autorität, wenn diese ...

  • eine Machtposition innehält.
  • Belohnungen gewährleisten kann.
  • Druck auf eine Person ausüben kann.
  • über überlegenes Wissen verfügt.

Im eingangs beschriebenen Beispiel zum Suizid in Jonestown waren viele Voraussetzungen für Gehorsam erfüllt:

Pfarrer Jones war der Anführer der Sekte und genoss durch sein Ansehen und seine Machtposition eine hohe Autorität. Zudem war Jonestown isoliert von der Außenwelt. Die einzigen Nachrichten, die die Bewohner*innen von Jonestown erhielten, waren die, die Jones ihnen zur Verfügung stellte. Demnach verfügte er über mehr Wissen als die anderen Sektenmitglieder. Da Jonestown zudem von Kameras und bewaffneten Wächtern überwacht wurde, konnte Jones Druck auf seine Anhänger*innen ausüben.

Blinder Gehorsam

Blinder Gehorsam bedeutet, dass die Vorschriften und Verbote, aber auch Ansichten einer Autorität nicht hinterfragt werden. Den Aussagen einer Autorität wird uneingeschränkt vertraut, selbst wenn diese möglicherweise in Widerspruch zu den eigenen Werten und Überzeugungen stehen.

Konformitätsexperiment von Asch

Eines der bedeutsamsten psychologischen Experimente zur Untersuchung von konformem Verhalten ist das Konformitätsexperiment von Solomon Asch (auch Asch-Experiment oder Linienexperiment genannt). Asch wollte der Frage nachgehen, ob sich Menschen in ihrer Urteilsbildung von anderen beeinflussen lassen auch wenn sie eigentlich wissen, dass sie selbst richtig und die anderen falsch liegen.

Grundlegende Idee des Linienexperiments

In der im Jahr 1951 von Asch durchgeführten Studienreihe bestand die Aufgabe der Versuchspersonen darin, die Länge einer Linie zu bestimmen. Den Teilnehmenden der Untersuchung wurde gesagt, dass es sich dabei um eine Studie zu Wahrnehmungsurteilen handelt. Es sollte aus drei Vergleichslinien diejenige ausgewählt werden, die die gleiche Länge wie eine Referenzlinie hatte. Es wurde bewusst eine einfache Aufgabe gewählt, bei der die richtige Antwort eindeutig und relativ offensichtlich ist.

Wie Du in Abbildung 1 sehen kannst, ist die Aufgabe recht leicht zu lösen. In diesem Beispiel ist ersichtlich, dass die Vergleichslinie 2 gleich lang wie die Referenzlinie ist.

Gehorsam Experiment Linienexperiment Asch StudySmarterAbbildung 1: Beispiel für Aufgabe der Teilnehmenden im Linienexperiment von Asch

In Wahrheit interessierte sich Asch nicht für die Wahrnehmungsfähigkeit der Versuchsteilnehmenden. Er wollte herausfinden, ob Konformitätsdruck Personen dazu bringen kann, absichtlich eine falsche Lösung bei dieser Aufgabe anzugeben.

Linienexperiment – Ablauf

  • Die Teilnahme am Experiment fand angeblich mit sieben weiteren Versuchspersonen statt. Tatsächlich handelte es sich dabei nicht um echte Teilnehmende, sondern um Verbündete des Versuchsleiters Asch.
  • Die echte Versuchsperson saß gemeinsam mit den sieben angeblichen Proband*innen an einem Tisch. Alle "Teilnehmenden" sollten der Reihe nach laut beantworten, welche der Vergleichslinien ihrer Meinung nach die gleiche Länge wie die Referenzlinie hatte.
  • Dabei war die echte Versuchsperson als Vorletztes an der Reihe.
  • Insgesamt gab es bei diesem Experiment 18 Durchgänge.
  • In 12 davon gaben die Vertrauten des Versuchsleiters absichtlich eine falsche Antwort an.

Stell Dir vor, dass Du an diesem Experiment teilnimmst. Für Dich wäre beispielsweise völlig eindeutig, dass die richtige Antwort "Vergleichslinie 2" ist. Was würdest Du tun, wenn sechs andere Teilnehmende, die vor Dir an der Reihe sind, alle mit "1" antworten? Würdest Du zu Deiner Einschätzung stehen und als einzige Person "2" sagen? Oder würdest Du Dich der Meinung der Mehrheit anschließen?

Linienexperiment – Ergebnisse

Asch stellte fest, dass 76 % der Teilnehmenden in mindestens einem der zwölf Durchgänge Konformität zeigten und sich der Mehrheitsmeinung anschlossen – obwohl sie es wahrscheinlich besser wussten. Rund 12 % der Versuchspersonen verhielten sich sogar in fast jedem der zwölf Durchgänge konform und gaben damit eine falsche Antwort an.

In einer Kontrollgruppe, in der die Teilnehmenden die Aufgabe allein bewältigen sollten, lagen sie in mehr als 98 % der Fälle richtig. Das spricht dafür, dass die Aufgabe grundsätzlich einfach zu bewältigen ist. Wieso also gaben so viele Personen absichtlich eine falsche Antwort an?

Linienexperiment – Schlussfolgerungen

Aus den Aussagen vieler Teilnehmenden, die ihr Verhalten nach Abschluss des Experiments erklärten, wurde ersichtlich, dass sie sich nur konform verhielten, um kein*e Außenseiter*in zu sein. Von ihren Antworten waren sie nicht wirklich überzeugt. Obwohl es sich bei den anderen Personen um Fremde handelte, war dennoch der Druck, von anderen akzeptiert zu werden, für viele Teilnehmende hoch.

Autorität und Gehorsam – das Milgram Experiment

Zu den bekanntesten und populärsten Experimenten zu Autorität und Gehorsam gehören das Milgram-Experiment und das Stanford-Gefängnis-Experiment. Beide Experimente dienten dazu, die Bereitschaft zu Gehorsam gegenüber einer Autorität zu untersuchen.

Stanley Milgram – Gehorsam Experiment

Das Milgram-Experiment wurde erstmalig im Jahr 1961 von Stanley Milgram an der Universität Yale durchgeführt. Es sollte untersucht werden, inwiefern Versuchspersonen Gehorsam gegenüber einer Autoritätsperson – in diesem Fall dem Versuchsleiter des Experiments – zeigten.

Ablauf Milgram-Experiment

Ablauf des Milgram-Experiments war wie folgt: Die Teilnehmer für das Experiment wurden zunächst über eine Anzeige in einer Lokalzeitung und über den Postweg rekrutiert. Angeblich handelte es sich bei der Untersuchung um eine Studie zu den Themen Lernen und Gedächtnis.

Für die Versuchspersonen galten folgende Kriterien: Sie sollten männlich, zwischen 20 und 50 Jahren alt und keine Schüler oder Studenten sein. Im Labor trafen sie den Versuchsleiter und einen angeblichen weiteren Probanden – einen 47-jährigen freundlichen Mann. Dieser war in Wahrheit kein Versuchsteilnehmer, sondern ein Verbündeter des Versuchsleiters. Das Experiment lief folgendermaßen ab:

  • Angeblich wurde per Los entschieden, welcher der beiden "Versuchsteilnehmer" im Experiment die Lehrer- und welcher die Schülerrolle einnimmt. Dabei wurde dem echten Probanden immer die Rolle des Lehrers zugewiesen.
  • Die Aufgabe des Lehrers bestand darin, dem Schüler Wortpaare vorzulesen (z. B. blaue - Box; schöner - Tag) und anschließend die Erinnerung des Schülers an die Wortpaare zu testen.
  • Dabei wurden die Lehrer dazu instruiert, dem Schüler Stromschläge in zunehmender Stärke zu verabreichen, wenn diese einen Fehler machten. Angeblich sollte damit die Wirkung von Bestrafung auf die Erinnerungsleistung untersucht werden.

Durchführung Milgram-Experiment

Zunächst sah der Proband dabei zu, wie der angebliche Schüler in einem Nebenraum an einen Stuhl geschnallt wurde und wie Elektroden an seinen Armen befestigt wurden. Der Proband selbst war anschließend in einem anderen Raum, von dem aus er den Schüler hören, aber nicht sehen konnte.

Der "Schockgenerator" also die Apparatur, mit der angeblich die elektrischen Stromschläge verabreicht werden konnten war in Wahrheit eine Attrappe mit 30 Schaltern. Die Intensität der Schocks begann mit 15 Volt, nahm mit jedem Schalter in 15 Volt-Schritten zu und reichte bis zu einer Stromstärke von 450 Volt. Die Schalter waren beschriftet mit Kennzeichnungen von "leichter Schock" bis hin zu "Gefahr: schwerer Schock" und einem "XXX" neben den höchsten Stufen.

Damit der Proband einschätzen konnte, wie sich die angeblichen Stromschläge für den Schüler anfühlen, bekam er selbst vorab einen Beispielschock von 45 Volt verabreicht, der relativ schmerzhaft war.

Nach der Instruktion begann das Abfragen der Wortliste. Bei der ersten falschen Antwort sollte der Proband dem Schüler einen Stromschlag von 15 Volt verabreichen. Bei jedem nachfolgenden Fehler sollte die Intensität des elektrischen Schocks um 15 Volt erhöht werden.

In Wahrheit bekam der Schüler keine Stromschläge verabreicht. Er spielte seine Reaktionen auf die angeblichen Stromschläge nach einem Protokoll:

  • Ab 75 Volt beginnt der Schüler mit einem "Au!" zu reagieren.
  • 120 Volt: "Au! Das tut wirklich weh."
  • 150 Volt: "Au! Versuchsleiter! Das reicht! Holen Sie mich hier raus. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Herzbeschwerden habe. Mein Herz fängt an, mir Probleme zu machen."
  • 270 Volt: "Au! (gequälter Schrei) Lassen Sie mich hier raus (wiederholend). Hören Sie mich? Lassen Sie mich hier raus!"
  • 330 Volt: "Au! (Intensiver, langer, gequälter Schrei) Lassen Sie mich hier raus. Mein Herz macht mir Probleme. Lassen Sie mich hier raus, Mensch (hysterisch)! Sie haben kein Recht, mich hier festzuhalten."
  • Danach reagierte der Schüler nicht mehr. Jede weitere Bestrafung sollte von nun an bei jeder verweigerten Antwort in einem 10-Sekunden-Rhythmus stattfinden.

Der Versuchsleiter sollte die Versuchsperson mit vier standardisierten Sätzen dazu bringen, den Versuch fortzusetzen. Er blieb dabei ruhig und höflich, hatte aber eine Klarheit und Entschlossenheit in der Stimme.

  1. "Bitte fahren Sie fort."
  2. "Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen."
  3. "Sie müssen unbedingt weitermachen."
  4. "Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen."

Das Experiment war entweder beendet, wenn die Versuchsperson dem Schüler dreimal einen Stromschlag von 450 Volt verabreichte, oder wenn sie sich trotz Aufforderung dreimal weigerte, den Anforderungen Folge zu leisten.

Ergebnisse Milgram-Experiment

Nimm Dir einen kurzen Moment Zeit, um zu überlegen, wie viele Probanden deiner Einschätzung nach den Anordnungen des Versuchsleiters bis zum Ende Folge geleistet und den höchsten Stromschlag von 450 Volt verabreicht haben. Als diese Frage Psychologiestudierenden der Universität Yale und einem Gremium von Psychiater*innen gestellt wurde, vermuteten diese, dass nur etwa 1 % der Bevölkerung uneingeschränkten Gehorsam zeigen und einen Stromschlag dieser Intensität verabreichen würde.

Tatsächlich waren es jedoch 62,5 % der Teilnehmenden, die alle Schalter betätigten und damit annahmen, dass sie den Schüler Stromschlägen bis zu einer Stärke von 450 Volt aussetzten. Die durchschnittliche Stromstärke, bis zu der Probanden das Experiment fortführten, lag bei 360 Volt.

Während die Versuchspersonen in dieser Studie alle männlich waren, zeigten Nachfolgeuntersuchungen ähnliche Ergebnisse mit Probandinnen.

Mehr über das Milgram-Experiment und die einzelnen Variablen des Versuchs erfährst Du in der Erklärung Laborexperimente.

Milgram-Experiment – Schlussfolgerungen

Das Milgram-Experiment sollte den Einfluss von Autorität untersuchen. Es führte zu der Schlussfolgerung, dass die meisten Versuchspersonen Gehorsam mit den Aufforderungen einer Autoritätsperson zeigten, selbst wenn ihr Handeln dabei eine andere Person schädigte und potenziell einer hohen Gefahr aussetzte.

Das Milgram-Experiment löste jedoch auch eine Welle der Empörung und Kritik aus, da die ethische Vertretbarkeit der Durchführung einer solchen Untersuchung aus mehreren Gründen infrage gestellt wurde.

Zum einen wurden die Probanden bezüglich des Zwecks der Studie getäuscht. Demnach gab es aufseiten der Versuchspersonen auch keine tatsächliche Einwilligungserklärung zu der Studie, da sie nie wirklich zur Teilnahme an dem Szenario zugestimmt haben, in dem sie sich letztlich befunden haben.

Zudem verursachte die Rolle des Lehrers im Laufe des Experiments eine psychische Belastung bei den Teilnehmenden und es wurde zu Beginn nicht klargestellt, dass die Teilnehmenden zu jeder Zeit das Recht hatten, von der Studie zurückzutreten.

Aktuellere Experimente zu Gehorsam

Das Milgram-Experiment wurde das erste Mal im Jahr 1963 durchgeführt. Seitdem fanden viele gesellschaftliche Veränderungen statt und blindem Gehorsam Autoritäten gegenüber wurde zunehmend kritisch gegenübergestanden. Würde eine ähnliche Untersuchung mehrere Jahrzehnte später immer noch zu vergleichbaren Ergebnissen führen?

Dieser Frage ging der Forscher Jerry M. Burger im Jahr 2009 nach. Er führte eine ähnliche Studie durch, in der er jedoch die Kritik an der ethischen Vertretbarkeit berücksichtigte und deshalb einige Änderungen an der Durchführung vornahm. Zum Beispiel wurde, um die psychische Belastung der Proband*innen zu reduzieren, die Studie nach der Verabreichung eines angeblichen Schocks mit der Intensität von 150 Volt abgebrochen. Außerdem teilte Burger den Teilnehmenden explizit und wiederholt mit, dass sie zu jeder Zeit die Studienteilnahme beenden konnten.

Zeigten die Teilnehmenden in Burgers Studie im Jahr 2009 geringeren Gehorsam als in der Untersuchung Milgrams, die Jahrzehnte früher stattfand? Die Antwort lautet nein. Burger fand keine signifikanten Unterschiede in der Bereitschaft zu Gehorsam im Vergleich zum Milgram-Experiment.

70 % der Proband*innen waren auch nach Verabreichung des 150 Volt starken Schocks bereit, das Experiment fortzusetzen. Bei derselben Voltzahl waren es im Milgram-Experiment 82,5 % der Teilnehmenden, die an diesem Punkt Studie fortführten.

Das Stanford-Prison-Experiment

Der US-amerikanische Psychologe Philip Zimbardo führte im Jahr 1971 ein umstrittenes Experiment durch, das unter dem Namen Stanford-Prison-Experiment bekannt wurde. Dieses Experiment befasste sich mit dem Missbrauch von Macht von Menschen in Autoritätspositionen.

Ablauf des Stanford-Prison-Experiments

Für die Durchführung des Experiments wurde der Keller der Standford-Universität zu einem realistischen Gefängnis umfunktioniert. Die für das Experiment rekrutierten Versuchspersonen wurden vorab getestet und es wurden nur solche Männer ausgewählt, die dabei "normal-durchschnittlich" abschnitten. Sie alle konnten anhand der Tests als gesetzestreu, emotional stabil und körperlich gesund eingestuft werden.

Per Münzwurf wurde eine Hälfte der Probanden in die Rolle von Strafgefangenen und die andere Hälfte in die Rolle der Vollzugsbeamten bzw. Wärter eingeteilt.

  • Die Gefangenen wurden von echten Polizeibeamt*innen zu Hause festgenommen und mit verbundenen Augen in das simulierte Gefängnis transportiert.
  • Bei ihrer Ankunft wurden sie vollständig entkleidet, durchsucht, entlaust und anschließend in die Gefängniskleidung gesteckt.
  • Diese bestand aus einem weißen Kittel mit einer Nummer, einer Fußfessel und einem Nylonstrumpf auf dem Kopf, wodurch das Kahlrasieren in vielen Gefängnissen symbolisiert wurde.
  • Die Wächter trugen eine kakifarbene Uniform mit einer Trillerpfeife, einem Gummischlagstock und einer spiegelnden Sonnenbrille.
  • Die Gefangenen wurden nur noch mit ihrer Nummer angesprochen.
  • Sie lebten zu dritt in sehr kleinen und tristen Zellen. Ihre Gespräche wurden heimlich abgehört.
  • Den Vollzugsbeamten wurde mitgeteilt, dass sie im Gefängnis für Ruhe und Ordnung sorgen sollen. Welche Maßnahmen sie dazu anwendeten, wurden ihnen frei überlassen.

Ereignisse im Verlauf des Stanford-Gefängnis-Experiments

Ursprünglich war geplant, dass das Experiment 14 Tage andauern sollte. Allerdings musste es aufgrund der Geschehnisse im "Gefängnis" bereits nach sechs Tagen abgebrochen werden. Folgendes ereignete sich im Verlauf des Experiments:

  • Um ihre Macht zu demonstrieren, zeigten die Wärter bereits nach kurzer Zeit Verhalten, das verbal und physisch aggressiv, demütigend und schikanierend war.
  • Sie griffen unter anderem zu willkürlichen Maßnahmen (beispielsweise Liegestütze als Bestrafung).
  • Es kam zu starken Konflikten zwischen den Wärtern und den Gefangenen.
  • Eine versuchte Revolte seitens der Gefangenen verschärfte die Situation und die Wärter griffen zu drastischen Mitteln, um diese unter Kontrolle zu bringen.
  • Von den Wärtern eingesetzte Strafen beinhalteten unter anderem den Entzug von Kleidung und Betten der Gefangenen oder die Verweigerung von Essen oder Toilettengängen.
  • Viele Gefangene zeigten starke Stresssymptome, manche von ihnen erlitten teilweise emotionale Zusammenbrüche.
  • Diese Vorfälle sorgten dafür, dass das Experiment frühzeitig durch Zimbardo abgebrochen wurde.

Stanford-Gefängnis-Experiment – Schlussfolgerungen

Das Stanford-Gefängnis-Experiment zeigte, dass selbst durch fiktive Rollen verliehene Macht und Autorität das Verhalten von sonst "gesetzestreuen, normal-durchschnittlichen" Menschen verändern kann.

Zimbardo selbst folgerte, dass es nicht die Persönlichkeit einiger weniger Menschen ist, die zu Machtmissbrauch führt. Er nahm an, dass bestimmte Situationen ein solches Verhalten begünstigen können und führte als Beispiel die drastisch ungleichen Machtverhältnisse in Gefängnissen an. Er folgerte, dass es deshalb besonders wichtig sei, dass Vollzugsbeamte strikte Vorschriften einhalten müssen, um ihre Macht nicht auszunutzen.

Gehorsam Experiment - Das Wichtigste

  • Konformität bedeutet, dass sich ein Individuum in Einklang mit den Werten, Regeln und Normen einer Gruppe oder der Gesellschaft verhält.
  • Gehorsam zu leisten bedeutet, dass die Vorschriften und Befehle einer Autorität befolgt und ihre Verbote eingehalten werden.
  • In verschiedenen Experimenten wurden die Bedingungen für Konformität und Gehorsam sowie die Konsequenzen davon untersucht.
  • Beim Linienexperiment von Asch beantwortete ein großer Teil der Proband*innen eine einfache Aufgabe absichtlich falsch, um sich an das Verhalten der anderen Anwesenden anzupassen.
  • Das Milgram-Experiment sollte untersuchen, inwiefern Teilnehmende Gehorsam gegenüber einer Autoritätsperson zeigten, auch wenn sie damit einer anderen Person Schaden zufügten.
    • Die Mehrheit der Versuchspersonen war dazu bereit, einer anderen Person Stromschläge mit hoher Intensität zu verabreichen.
  • Das Stanford-Gefängnis-Experimentbefasste sich mit der Frage, ob Menschen ihre Macht missbrauchen, wenn sie Autoritätspositionen einnehmen.
    • Die Probanden, die die Rolle von Gefängniswärtern einnahmen, zeigten in einem fiktiven Gefängnis den "Gefangenen" gegenüber aggressives und schikanierendes Verhalten.

Nachweise

  1. Aronson et al. (2018). Social psychology. Pearson.
  2. Gilovich et al. (2019). Social psychology. Norton and Company.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Gehorsam Experiment

Eine Untersuchung von Jerry Burger aus dem Jahr 2009 zeigt, dass das Milgram-Experiment auch heute noch funktionieren würde. Burger musste allerdings einige Veränderungen im Ablauf vornehmen, da das Milgram-Experiment heute nicht mehr ethischen Standards entspricht.

Gehorsam geht so weit, dass es bis zum sogenannten blinden Gehorsam kommen kann. Das bedeutet, dass die Ansichten von Autoritäten nicht hinterfragt werden und die Vorschriften uneingeschränkt eingehalten werden, selbst wenn diese in Widerspruch zu den eigenen Überzeugungen stehen.

Das Milgram-Experiment beweist, dass viele Menschen dazu bereit sind, Gehorsam mit den Aufforderungen einer Autoritätsperson zu zeigenselbst wenn ihr Handeln dabei eine andere Person schädigt.

Nein, so wie das Milgram-Experiment ursprünglich durchgeführt wurde, ist es moralisch nicht vertretbar. Die Versuchspersonen wurden über den Zweck der Studie getäuscht und gleichzeitig einer hohen Belastung ausgesetzt.

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