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Reiselyrik

Stelle Dir vor, dass Du im Flugzeug in Richtung Urlaub unterwegs bist. Vielleicht freust Du Dich schon darauf, im salzigen Meerwasser zu baden und stundenlang in der Sonne zu entspannen. Oder Du gehst gedanklich die spannenden Orte Deines Reiseziels ab, die Du unbedingt erkunden willst. In jedem Fall stellst Du bestimmte Erwartungen an sie (z. B. Erholung oder Abenteuer). Du wirst Erfahrungen und Eindrücke sammeln, die später zu Erinnerungen werden und Dich stets begleiten.

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Stelle Dir vor, dass Du im Flugzeug in Richtung Urlaub unterwegs bist. Vielleicht freust Du Dich schon darauf, im salzigen Meerwasser zu baden und stundenlang in der Sonne zu entspannen. Oder Du gehst gedanklich die spannenden Orte Deines Reiseziels ab, die Du unbedingt erkunden willst. In jedem Fall stellst Du bestimmte Erwartungen an sie (z. B. Erholung oder Abenteuer). Du wirst Erfahrungen und Eindrücke sammeln, die später zu Erinnerungen werden und Dich stets begleiten.

Eine lange Reise hört nicht am Ziel auf. Ein Stück von uns wird im Geiste immer weiterreisen.

(Andreas Bechstein)

Genau dieser nachhaltige Prozess des Reisens begeistert und inspiriert Schriftsteller*innen bis heute. Deshalb ist Reisen, also unterwegs sein, ein immer wiederkehrendes Motiv in der Lyrik. Dichter*innen verarbeiteten in der sogenannten Reiselyrik alles, was mit dem Reisen einhergeht: Erwartungen, Vorfreude, Erfahrungen und Erinnerungen.

Als Lyrik bezeichnet man die Dichtung in Versform.

Reiselyrik – Definition und Merkmale

Der Begriff "Reiselyrik" setzt sich aus den Wörtern "Reise" und "Lyrik" zusammen.

Unter einer Reise versteht man einen meist mehrtägigen Ausflug zu einem (un)bekannten Ort. So reist man in ein kleines Dorf, um etwa seine Oma zu besuchen. Andere reisen wiederum, um neue Länder und Kulturen kennenzulernen. Doch auch ein Spaziergang kann als Reise ausgelegt werden. Heute spricht man vor allem vom "verreisen", wenn man zum Beispiel einen erholsamen Urlaub meint.

Die Reiselyrik ist keine eigenständige Literaturepoche. Vielmehr kann man jedes Gedicht als Reiselyrik bezeichnen, das sich vordergründig mit dem Thema des Reisens auseinandersetzt.

Als Reiselyrik bezeichnet man Lyrik, die sich thematisch mit dem Motiv der Reise befasst. Reiselyrik ist in fast jeder Epoche zu finden.

Die Reiselyrik zählt zur Reiseliteratur, genauso wie Reiseberichte, Reisefiktion und Reiseromane. Neben der Reiselyrik gibt es zum Beispiel auch die Liebeslyrik, die Großstadtlyrik und die Naturlyrik.

Gedichte der Reiselyrik sind nicht durch eindeutig definierbare Kriterien bestimmbar. Dadurch, dass das Reisethema in vielen verschiedenen Epochen auftritt, ist diese Form der Lyrik auch entsprechend im jeweiligen epochalen Stil verfasst.

Zum Stil eines Gedichts gehören die äußere Form, das Metrum und das Reimschema.

Unter der äußeren Form eines Gedichts versteht man das Verhältnis von Strophen und Versen.

Als Metrum oder auch Versmaß bezeichnet man den Leserhythmus, der durch betonte und unbetonte Silben erzeugt wird. Die bekanntesten Metren sind Jambus (unbetont, betont), Trochäus (betont, unbetont), Anapäst (unbetont, unbetont, betont) und Daktylus (betont, unbetont, unbetont).

Das Reimschema bezieht sich auf die Reihenfolge, in der sich die letzten Worte eines Verses reimen.

Wenn Du Dich näher mit den stilistischen Merkmalen eines Gedichts auseinandersetzen möchtest, dann lies Dir die entsprechenden Erklärungen zu "Reimschema" oder "Metrum" durch.

Zum Beispiel ist Barock-Lyrik für klare formale Vorgaben bekannt, während Dichter der Moderne praktisch losgelöst von jeglichen Strukturen schreiben.

Der Barock und die Moderne sind sogenannte Literaturepochen. Im Laufe der Zeit bildeten sich Trends in der Literatur, die man zeitgeschichtlich zu Epochen und Strömungen zusammenfassen kann.

Gedichte der Reiselyrik unterscheiden sich aber nicht nur formal voneinander, sondern auch inhaltlich. Das ist auch nachvollziehbar, denn Dichter*innen, die zum Beispiel während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert lebten, setzten sich mit ganz anderen Problemen, Ängsten und Gedanken auseinander als Dichter*innen, die in der heutigen Zeit leben.

Unter dem Abschnitt "Reiselyrik in den Literaturepochen" kannst Du nachlesen, welche Merkmale für welche Epoche charakteristisch sind.

Reiselyrik – Motive

Wenn man Reiselyrik ohne epochales Vorwissen erkennen möchte, gibt es im Prinzip nur eine Möglichkeit. Denn obwohl sich Reiselyrik von Epoche zu Epoche sehr stark unterscheiden kann, hat sie eines gemein: das Reisemotiv.

In der folgenden Auflistung kannst Du Dir mögliche Stationen und Themen der Reise durchlesen, die in dieser oder ähnlicher Form in Gedichten verarbeitet werden können:

Stationen der Reise:

  • Aufbruch zur Reise
  • Sehnsucht nach einer Reise
  • Reiseweg
  • Erinnerung an eine in der Vergangenheit liegende Reise
  • Erreichen des Reiseziels
  • Rückkehr von einer Reise

Themen der Reise:

  • zeitliche und räumliche Distanz
  • Unterschied zwischen Fremde und Heimat
  • Unterschied zwischen Reisenden und Zurückgebliebenen
  • Ländergrenzen, Sprachbarrieren
  • Freiheit, Abenteuer und Gefahren
  • andere Kulturen, Traditionen, Umgangsformen
  • Zeitreisen

Enthält ein Gedicht eines dieser Punkte? Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das Gedicht zur Reiselyrik gezählt werden kann.

Reiselyrik – Epochen

Wie bereits mehrfach erwähnt, ist es schwierig, der Reiselyrik allgemeine Merkmale zuzuweisen. Doch wenn man die dazugehörigen Literaturepochen betrachtet, gelingt es, stilistische und formale Kriterien festzuhalten.

Wenn Du Dich intensiv mit den einzelnen Epochen auseinandersetzen möchtest, dann schaue Dir die Erklärungen zur jeweiligen Epoche unter "Literaturepochen" an.

Reiselyrik – Barock (1600–1720)

Während des Barocks herrschte der Dreißigjährige Krieg von 1618 bis 1648. Aufgrund dieses Krieges verloren viele Menschen ihren Wohnort und mussten gezwungenermaßen reisen, um ein neues Zuhause zu finden. Solche Reisen fanden vorwiegend zu Fuß statt.

Da das Beten den Menschen während des Krieges Hoffnung auf Frieden spendete, kann man auch die Gebete an Gott als grenzüberschreitende Reise ansehen. So entflohen Gläubige zumindest gedanklich dem Krieg. Diese Form der Reise nennt man auch metaphysische Reise.

Metaphysisch stammt vom Wort "Metaphysik" ab. Die Metaphysik ist ein philosophisch geprägter Begriff und beschäftigt sich mit grenzüberschreitenden Erfahrungswerten von Menschen.

Neben den kriegsbedingten Reisen gab es auch die (meist politisch begründete) Reise der Adeligen. Sie war den vermögenden Menschen mit adeliger Herkunft vorbehalten, die mit der Pferdekutsche zwischen ihren Höfen pendelten.

Zudem wurden große, durch Gewässer unterbrochene Reisewege mit dem Schiff oder Boot zurückgelegt. Da aber zur Zeit des Barocks noch nicht viele Landschaften erkundet waren, bewegten sich die meisten Menschen eher auf bekannten Routen.

Ein weiterer Grund zu reisen, war die Flucht vor Hungersnöten und Seuchen. Dass für die Menschen damals nie absehbar war, wann sie erneut flüchten würden, spiegelt sich auch in der Lyrik wider. Denn der Fokus der Reise wurde stets auf den Abschied und die Vergänglichkeit des Moments gelenkt.

Diese pessimistische Einstellung entspringt dem sogenannten Vanitasmotiv, welches typisch für die Literatur des Barocks war.

Unter dem Vanitasmotiv versteht man eine christlich-jüdische Vorstellung der Vergänglichkeit alles Irdischen. Das bedeutet, einfach ausgedrückt, dass alles auf unserer Welt irgendwann nicht mehr existieren wird.

In diesem Zusammenhang findet man in der barocken Lyrik häufig Symbole und Beispiele für die Vergänglichkeit wie den Spruch "Carpe diem!" (dt. "Nutze den Tag!") und den Rat "Memento mori" (dt. "Bedenke, dass Du sterben wirst").

Abgesehen von der zeitgeschichtlichen Bedeutung der Reise wurde die Reiselyrik in einem besonderen Stil verfasst. Denn der Barock ist für seine klar festgelegte Form innerhalb der Gedichte bekannt. Das bedeutet, dass die Lyrik strengen Regeln folgte. Du kannst barocke Reiselyrik also an einheitlichen Reimschema und Metren erkennen, die sich in der Regel durch das ganze Gedicht ziehen.

Eine besondere Form der Lyrik im Barock war das Sonett.

Das Sonett ist ein aus vierzehn Versen und vier Strophen bestehendes Gedicht. Die ersten beiden Strophen bestehen aus jeweils vier Versen (auch Quartette genannt). Die letzten beiden Strophen bestehen aus jeweils drei Versen (auch Terzette genannt).

Zudem wird ein umarmender Reim verwendet. Das heißt, die letzten Wörter des ersten und letzten Verses einer Strophe reimen sich, sowie die letzten Wörter des zweiten und dritten Verses (Reimschema: abba). Außerdem folgt das Sonett häufig dem Metrum des Alexandriners.

Als Alexandriner bezeichnet man einen Jambus, der sechshebig ist, also sechs betonte Silben innerhalb eines Verses enthält.

Zu bekannten Werken dieser Epoche zählen:

  • "Sta viator" von Martin Opitz (1630)
  • "Als er aus Rom geschiedn" von Andreas Gryphius (1646)
  • Der Cherubinische Wandersmann von Angelus Silesius (1657)

Reiselyrik – Aufklärung (1720–1800)

Während der Aufklärung stand vor allem die Vernunft des Menschen im Vordergrund. Um ihr Wissen und ihr Können zu erweitern, gab es viele Dichter*innen und Denker*innen, die Reisen antraten. Auf diesen lernten sie neue Kulturen kennen und veränderten ihre Sicht auf das noch recht zerstückelte Deutschland. Italien, ein beliebtes Reiseziel der Aufklärung, stand für Menschen, die stolz auf ihr Land waren und als einheitliche Nation zusammenrückten.

Goethe trat 1786 eine Italienreise an, die besonders auf die Beobachtung der klassischen Kunst in Italien abzielte. Angelehnt an diese klassischen Formen, wurden auch Gedichte recht strukturiert und an antiken Vermaßen orientiert verfasst.

Zu den antiken Versmaßen gehört zum Beispiel der Daktylus (betont, unbetont, unbetont). Eine besonders häufig in der Antike auftretende Form des Daktylus war der Hexameter. Als Hexameter wird ein sechsmal hintereinander vorkommender Daktylus bezeichnet, dessen letzter Daktylus um eine Silbe verkürzt ist.

Goethes "Ich saug an meiner Nabelschnur" aus dem Jahr 1775 gehört zu den bekanntesten reiselyrischen Werken dieser Zeit.

Reiselyrik – Sturm und Drang (1765–1785)

Sturm und Drang war eine Bewegung gegen die zeitgleich herrschende Aufklärung. Das Reisen kommt zumindest für den Adel in Mode und der erste Tourismus entsteht. Reisen wird außerdem konkret thematisiert, denn im Gegensatz zur Aufklärung, ist den Vertreter*innen dieser Bewegung eines wichtig: Emotionen. Diese können auf Reisen und Spaziergängen durch die vielen verschiedenen Eindrücke und Erkenntnisse empfunden werden.

Hierbei war es den Autor*innen dieser Zeit besonders wichtig, verschiedene Kulturen und Landschaften kennenzulernen. Beim Reisen standen sich deshalb die äußere und die innere Reise gegenüber. Die äußere Reise zielte dabei auf die eigentliche Reise ab, wohingegen sich die innere Reise auf jegliche Erfahrungen, die zur Identitätsbildung beitrugen, bezog. Das Reisen wurde sozusagen als Medium der Weiterentwicklung auf einer intellektuellen und seelischen Ebene verstanden.

Vor allem die Beobachtung des Göttlichen in der Natur (Pantheismus) stand bei Reisen und Ausflügen im Fokus. Wanderungen, Spaziergänge und lange Reisen halfen den Dichtern, Inspiration für ihre Werke zu finden.

Stilistisch erkennt man Reiselyrik dieser Epoche an besonders gefühlsbetonter Sprache und freien Formen. Die Reise wird unter anderem als Mittel zur Selbsterkenntnis genutzt. Prägend für die Reiselyrik des Sturm und Drang waren unter anderem die Schifffahrtsgedichte Goethes. Dazu zählen etwa:

  • "Seefahrt" von Goethe (1776)
  • "Wandrers Nachtlied" von Goethe (1776)

Reiselyrik – Weimarer Klassik (1786–1805)

Die Literaturepoche der Weimarer Klassik wird beginnend mit Goethes Italienreise 1786 datiert und endet 1805 mit dem Tod Schillers. Sie war vor allem dadurch geprägt, dass die Menschen die antike Kunst nachahmten und sich an ihr orientierten. Gedichte wurden demzufolge wieder metrisch regelmäßig und strukturiert verfasst.

Vor allem in Wandergedichten kam der ursprüngliche Gedanke der Klassik zum Vorschein: Der/Die Wandernde trat in den Hintergrund und verstand sich als Teil des großen Ganzen. Selbstverwirklichung zählte demzufolge nicht mehr zum vordergründigen Bestreben der Dichter*innen. Viel mehr geriet die Reise als ganzheitliche seelische Erfahrung in den Vordergrund, die durch abwechselndes Bewegen und Ruhen zum Gleichnis für das abwechselnd hektische und ruhige Leben interpretiert werden kann.

Reiselyrische Werke aus dieser Epoche sind:

  • "Mignon" von Goethe (1782)
  • "Lied auf dem Wasser zu singen" von Friedrich Leopold Stolberg (1782)
  • "Römische Elegie" von Goethe (1788)

Reiselyrik – Romantik (1795–1848)

Die Romantik war geprägt von zahlreichen Umbrüchen der Gesellschaft, wie zum Beispiel der Industriellen Revolution ab dem 19. Jahrhundert.

Unter der Industriellen Revolution versteht man die aus England hervorgehende Erfindung und Einführung von Maschinen, mit denen Massenproduktionen ermöglicht wurden.

Die romantischen Dichter*innen drückten in ihren Werken vor allem Sehnsucht nach dem Überirdischen, Mystischen und Schönen aus. Reiselyrik ist das Aushängeschild für die Romantik, denn Dichter gehen auf gedankliche Reisen mit dem lyrischen Ich. Abenteuer, die Suche nach dem Übernatürlichen und die Bewunderung des Universums sind typische Motivationen für diese gedanklichen Reisen.

Nicht nur im Bereich der Literatur wurden Reisen thematisiert, auch in anderen künstlerischen Feldern, wie zum Beispiel der bildenden Kunst, griff man auf sie zurück.

Typisch für die romantische Reiselyrik sind nämlich Volkslieder, die durch Jamben (Versmetrum) und Kreuzreime (abab) ausgeschmückt wurden. Ein berühmtes Beispiel ist das "Wanderlied" von Goethe:

Wo wir uns der Sonne freuen,

Sind wir jede Sorge los;

Daß wir uns in ihr zerstreuen,

Darum ist die Welt so groß.

(Goethe, Wanderlied)

Dem Wanderer kam in der Romantik eine besondere Rolle zu, denn er zeigte den Gegensatz zwischen dem sesshaften Kleinbürger und dem künstlerischen Menschen auf, der sich frei in der Natur bewegte.

Oft endeten die Wanderungen in der Lyrik darin, dass das erwartete Ziel nie erreicht wird und der Wanderer auf ewig weiter wandert. Diese Metapher veranschaulichte die überschwängliche Sehnsucht der Menschen nach Harmonie, die nie erreicht werden konnte. Ein bekanntes Motiv in diesem Zusammenhang ist die blaue Blume, die auch in der Reiselyrik aufgegriffen wurde und für den Lockruf der Ferne steht.

Weitere Motive, denen man als Leser*in der romantischen Reiselyrik begegnet, sind zum Beispiel:

  • die rauschenden Bäche,
  • die klingenden Hörner,
  • die funkelnden Sterne,
  • das brennende Herz.

Zu den Werken der romantischen Reiselyrik zählen unter anderem:

  • "Die schöne Müllerin" von Wilhelm Müller (1818)
  • "Sehnsucht" von Joseph von Eichendroff (1830)

Reiselyrik – Biedermeier (1815–1848)

Der Biedermeier steht für die politisch begründete Flucht vor dem Staat aufgrund der Beschlüsse des Wiener Kongresses 1814.

Der Wiener Kongress war eine Versammlung der führenden Staatsmänner Europas im Jahr 1814. Sie zielten auf eine Wiederherstellung der alten (absolutistischen) Ordnung ab, die durch die Französische Revolution und die Kriege Napoleons erschüttert wurde.

Die Französische Revolution war eine von 1789 bis 1799 vorherrschende Gegenbewegung zur absolutistischen Staatsführung. Die Revolutionäre wollten den Absolutismus, eine Staatsform, bei der einem einzigen Monarchen die gesamte Staatsgewalt zukam, stürzen. Sie kämpften für Freiheit und Gleichberechtigung.

Als Napoleon 1799 die Macht Frankreichs ergriff, führte er Kriege und Schlachten, in denen er für die Verwirklichung der revolutionären Ideen in Europa kämpfte.

Klingt der Umschwung Europas interessant? Dann lies Dir die passende Erklärung zur "Französischen Revolution" durch.

Es herrschte Angst vor einer Zensur der Lyrik, weil Dichter sich in ihr teilweise politisch kritisch positionierten.

Als Zensur bezeichnet man die Kontrolle von künstlerischen Werken durch den Staat, die oft in Verboten resultierte.

Reiselyrik wurde, wenn überhaupt, als Flucht vor den Beschlüssen des Wiener Kongresses und der angespannten Situation nach der Französischen Revolution genutzt. Thematisiert wurden der Rückzug und die Rückkehr in die Heimat.

Durch die voranschreitende Industrialisierung entwickelte und vergrößerte sich auch die Infrastruktur. So konnten die Menschen von neuen und besser vernetzten Reisewegen profitieren.

Mit der Erfindung der Eisenbahn 1804 fanden sich die Menschen in einer Zeit der neuen Mobilität wieder. Diese wurde entweder durch romantisierte, lyrische Eisenbahnfahrten begrüßt oder durch die Gleichsetzung der Eisenbahn mit einem Monster verteufelt.

Da zeitgleich zum Biedermeier auch der Vormärz stattfand, überschnitt sich das Eisenbahnthema. Vertreter*innen des Vormärz vergötterten den Fortschritt und teilten die Vision von Reisen über Ländergrenzen hinweg in ihren reiselyrischen Werken.

Als "Vormärz" bezeichnet man eine Literaturepoche, die von 1815 bis 1848 datiert wird. Im Gegensatz zum Biedermeier wurde Literatur vor allem verfasst, um sich politisch zu den Geschehnissen des Wiener Kongresses 1814 zu positionieren.

Beispiele dafür sind:

  • "Auf der Eisenbahn" von Louise von Plönnies (1844)
  • "Im Eisenbahnhofe" von Justinus Kerner (1845)

Reiselyrik – Realismus (1850–1890)

Dichter*innen der Realismus-Strömung bemühten sich, die Welt objektiv so zu beschreiben, wie sie war. Das erfolgte allerdings in geschönter und ästhetisierter Form. Reiselyrisch versuchten Dichter*innen sich zum wirklich Poetischen, also zur subjektiven Empfindung, hinzuwenden und ihre eigene Perspektive auf das Reisen zu reflektieren.

Die Reise ist im Realismus vor allem als Lebensreise wiederzufinden, die als eine Art Panorama rückblickend analysiert und bewertet wird.

Als Panorama wird eigentlich der Ausblick von einem erhöhten Punkt bezeichnet. Im Zusammenhang mit der realistischen Lyrik spricht man auch von der Panoramatischen-Sichtweise, die darauf abzielt, bestimmte Sachverhalte allumfassend zu betrachten und zu bewerten.

Typisch für diese Zeit waren unter anderem Balladen zum Thema Reisen.

Balladen sind lyrische Texte, die länger als ein normales Gedicht und kürzer als eine Geschichte sind. Charakteristisch für Balladen ist, dass in ihr oft epische, dramatische und lyrische Elemente vereint werden.

Ein Beispiel für die Reiselyrik des Realismus ist:

"Eisenbahnfahrt" von Ferdinand von Saar (1855)

Reiselyrik – Naturalismus (1880–1900)

Der Naturalismus trieb den Gedanken des Realismus, die Welt objektiv darzustellen, auf die Spitze. Denn Ziel der Naturalisten war es, die Welt mit ihrer Schönheit, aber ebenso mit ihrer Hässlichkeit zu zeigen. Wo Lyriker*innen anderer Literaturepochen ein "x" an persönlicher Wertung und Schönung hinterließen, filterten Naturalisten ihre Umwelt nach neutralen Beschreibungen.

Die Formel "Kunst = Natur - x" nach Arno Holz fasst das Bestreben des Naturalismus zusammen. Die Dinge werden demzufolge unbeschönigt und ohne persönliche Wertung so dargestellt, wie sie tatsächlich waren. Diesen Stil findet man auch in der Reiselyrik wieder.

Reisen werden im Naturalismus radikalisiert und ähnlich wie im Realismus kritisch hinterfragt. Eine besondere Form der Reise war die Zeitreise in eine Industriegesellschaft. Geprägt vom anhaltenden technischen Fortschritt der Welt, versetzten sich Lyriker*innen auf diese Weise in eine dystopische Zukunft.

"Dystopisch" kommt vom Wort "Dystopie" und bezeichnet eine nicht wünschenswerte Zukunftsvorstellung.

"Auf der Fahrt nach Berlin" von Julius Hart (1882)

Reiselyrik – Impressionismus (1885–1910)

Die Impressionisten konzentrierten sich vorwiegend auf die Wirkung der Umwelt auf den Einzelnen. Dabei wurden im Zusammenhang mit der Eisenbahnreise reale Tatsachen mit subjektiven Wahrnehmungen beleuchtet. So vermischte sich etwa die Geschwindigkeit der Eisenbahn mit dem Fortschritt, der den Menschen neue Optionen bot.

Andererseits hob man aber auch die Angst vor dem Neuen hervor, in dem beispielsweise detaillierte Beschreibungen verstörter Gefühlswelten verfasst wurden. Die subjektive Wirkung des technischen Fortschritts wurde auch oft durch außer Kontrolle geratene Eisenbahnen und anschließende Katastrophen verdeutlicht.

"Der Blitzzug" von Detlev von Liliencron aus dem Jahr 1903 kann der Reiselyrik dieser Strömung zugeordnet werden.

Reiselyrik – Expressionismus (1910–1925)

Mit der Jahrhundertwende bewegten sich zahlreiche literarische Strömungen zwischen zwei gegensätzlichen Ansichten der Welt. Diese beschränkten sich einerseits auf die Betrachtung der Welt als sich dem Ende nähernd, was durch Untergangsvisionen und Grausamkeit der Menschen verarbeitet wurde. Andererseits wurde die Welt als Möglichkeit gesehen, sich selbst zu entfalten und durch die Technik neue Horizonte zu erreichen.

Reiselyrisch wurden dem technischen Fortschritt entsprechend auch Autos und Flugzeuge in Gedichte integriert. Typische Motive für die expressionistische Reise waren außerdem Industrieanlagen, Brücken und Ufer, die überquert oder erreicht wurden. Ein Beispiel dafür ist:

"Fahrt über die Kölner Rheinbrücke bei Nacht" von Ernst Stadler (1913)

Reiselyrik – Nachkriegsliteratur (ab 1945) und Postmoderne (ab 1990)

Die (Post-) Moderne und ihre zahlreichen Zwischenströmungen könnten als "bunter, verrückter Lyrikhaufen" beschrieben werden. 1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wird die Rückkehr in die inzwischen fremd gewordene Heimat thematisiert, während die Lyrik 1949 durch die Gründung der DDR und BRD thematisch gespalten wurde.

1945 teilte sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in vier Besatzungszonen. Aus diesen vier Zonen ging 1949 die Teilung Deutschlands in die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) hervor.

Die Reise rückt immer wieder in den Vordergrund, in Form von Rückkehr, Flucht, Zuflucht und Heimkehr. Zunehmend werden Erholungsreisen gemacht, die eine Pause gegenüber dem stressigen Alltag darstellen.

Mit der alltäglichen Nutzung des Flugzeugs können plötzlich große Distanzen problemlos überwunden werden. So reisen die Menschen, um die Welt zu entdecken und ihre Individualität zu entfalten.

Der sich dadurch entwickelnde Massentourismus wird stark kritisiert. Dichter machen es sich teilweise zur Aufgabe, das Reisen ethisch und moralisch zu bewerten. Im Kontext des Klimawandels und der Globalisierung fallen viele Urteile über Reisen mit dem Flugzeug oder Auto schlecht aus.

Die (post-) moderne Lyrik zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie kaum Regeln befolgt: Unvollständige Sätze, Wortneuschöpfungen (Neologismen), keine Reimschemata, keine Metren und sonst frei gewählte lyrische Maßstäbe sind typische Merkmale. Bekannte Werke sind unter anderem:

  • "Fluchtpunkt" von Sarah Kirsch (1982)
  • "Terminal B, Abflughalle" von Hans Magnus Enzensberger (1999)
  • "Außerhalb" von Nora Bossong (2014)

Reiselyrik verstehen

Wenn Du Reiselyrik analysieren, interpretieren oder mit anderen Gedichten vergleichen sollst, ist es wichtig, dass Du das jeweilige Werk verstehst. Um dieses Verständnis zu erzielen, kannst Du Dich an die folgende Schritt-für-Schritt-Anleitung halten:

1. Einordnen in eine Epoche

Dieser Schritt ist sehr wichtig. Denn sobald Du weißt, wann das Gedicht geschrieben wurde, verstehst Du auch den Kontext der Zeit.

Diese Fragen können beim Betrachten des Inhalts gestellt werden, um epochale Merkmale zu erkennen:

  • Wie kann man den Stil beschreiben? Klar und strukturiert? Oder willkürlich und frei?
  • Gibt es auffallende Reimschemata und/oder Metren?
  • Welche Transportmittel werden verwendet?
  • Werden historischen Ereignisse erwähnt? (z. B. Dreißigjähriger Krieg oder Wiener Kongress)

2. Reisedarstellung erkennen

Der nächste Schritt ist einfach: Welche Art der Reise wird im Gedicht beschrieben? Wie wirkt sie im Zusammenspiel mit dem Stil der Epoche?

Wenn Du Dir nicht sicher bist, von welchem Punkt der Reise aus erzählt wird, stelle Dir folgende Fragen:

  • Wirkt der/die Reisende aufgeregt/nervös? Berichtet er/sie von Plänen oder Reisezielen? Dann befindet er/sie sich kurz vor der Reise oder ist auf dem Weg zum Reiseziel.
  • Wirkt der/die Reisende so, als würde er/sie sich mitten in einem Abenteuer befinden? Werden viele verschiedene Eindrücke geschildert? Dann handelt es sich um den Höhepunkt der Reise.
  • Wird von Erfahrungen, Erkenntnissen und der Vergangenheit berichtet? Dann ist die Reise bereits vorbei.

3. Tipps für den Gedichtvergleich

Der letzte Schritt soll aufzeigen, worauf Du beim Vergleichen von Reiselyrik besonders achten solltest. Abgesehen von der allgemeinen Vorgehensweise, wie man einen Gedichtvergleich schreibt, kannst Du bei der Reiselyrik auf ein paar Besonderheiten eingehen.

Wichtig hervorzuheben sind folgende Aspekte:

  • Wer reist? Das lyrische Ich oder ein lyrischer Erzähler?
  • Wie wird die Reise dargestellt? Düster, fremd und unheimlich? Oder aufregend, abenteuerlich und interessant?
  • Welche Leitmotive gibt es?
  • Welche Emotionen werden ausgedrückt?

Reiselyrik Das Wichtigste

  • Reiselyrik ist jede Form von Lyrik, die sich vordergründig mit dem Reisemotiv auseinandersetzt.
  • Unabhängig von der Entstehungsepoche gibt es bestimmte Motive, an denen man Reiselyrik erkennen kann (z. B.: Anfang/Ende der Reise und vor/nach der Reise oder z. B.: Abenteuer, Gefahr, Fremde und Ferne).
  • Abhängig von der Entstehungsepoche der Reiselyrik gibt es zeitgeschichtliche und stilistische Merkmale.
  • Folgende Vorgehensweise kann beim Verstehen von Reiselyrik helfen:
    • Schritt 1: Einordnen in Epoche.
    • Schritt 2: Reisedarstellung erkennen.
    • Schritt 3: Beim Gedichtvergleich vor allem auf Leitmotive und Emotionen achten.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Reiselyrik

Als Reiselyrik bezeichnet man Lyrik, die sich thematisch mit dem Reisemotiv auseinandersetzt. 

Nein, Reiselyrik ist keine eigenständige Literaturepoche, sondern vielmehr ein Überbegriff für Lyrik, die sich mit dem Reisen beschäftigt.

Wann genau die erste Reiselyrik entstanden ist, kann man nicht genau datieren. Doch vermutlich entspringen die ersten relevanten Beiträge zur Reiselyrik dem Barock (1600-1720).

Unterwegssein bedeutet in der Lyrik praktisch alles von seinen Standort per Fuß ändern, bis hin zu per Flugzeug einen anderen Kontinent zu bereisen.

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