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Pilus

Stell dir vor, Du könntest durch das bloße Auflegen einer Hand auf den Arm eines anderen Menschen Teile Deines Erbguts an sie oder ihn übertragen. So könntest Du etwa einer Person, die eine Autoimmunerkrankung besitzt, weil ihm/ihr bestimmte genetische Informationen fehlen, dieses Erbgut weitergeben. Klingt unsinnig? Für Menschen ist es das vermutlich auch noch lange, allerdings ist es für viele Bakterien eine gewöhnliche Praktik, die durch Pili ermöglicht wird.

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Stell dir vor, Du könntest durch das bloße Auflegen einer Hand auf den Arm eines anderen Menschen Teile Deines Erbguts an sie oder ihn übertragen. So könntest Du etwa einer Person, die eine Autoimmunerkrankung besitzt, weil ihm/ihr bestimmte genetische Informationen fehlen, dieses Erbgut weitergeben. Klingt unsinnig? Für Menschen ist es das vermutlich auch noch lange, allerdings ist es für viele Bakterien eine gewöhnliche Praktik, die durch Pili ermöglicht wird.

Pilus Pili

Pili sind fädige Strukturen aus Proteinen, die bei einigen Gruppen von Bakterien und Archaeen aus der Oberfläche der Zelle ragen. Sie dienen der Anheftung an Oberflächen, gleichwohl ob lebendig oder nicht.

Die Unterscheidung von Bakterien und Archaeen ist der Evolutionsgeschichte zu verdanken. Sowohl Bakterien und Archaeen gehören den Prokaryoten an, da sie – im Gegensatz zu Eukaryoten – keinen Zellkern besitzen. Allerdings haben die Archaeen solch bedeutsamen Unterschiede, insbesondere in der Struktur bestimmter Zellbestandteile, dass man heute bestimmte Spezies, die Prokaryoten sind, zwischen Bakterien und Archaeen unterscheidet.

Pilus Pili StudySmarterAbbildung 1: Pili bei E. coli,

Die Klassifizierung der Pili folgt der Unterscheidung ihrer verschiedenen Funktionen. Die bedeutsamsten sind F-Pili und Typ-IV-Pili.

Pilus Pili: F-Pili

F-Pili (auch “Sexpili” genannt) bauen eine Verbindung zwischen Bakterien bzw. Archaeen auf. Dies dient der Übertragung von DNA, was als Konjugation bezeichnet wird. Die Übertragung erfolgt von einem Spender (Donor) zu einem Empfänger (Akzeptor), wobei der Informationsaustausch nicht reziprok, also beidseitig, verläuft.

Das “F” in F-Pili stammt vom englischen fertility für “Fruchtbarkeit”.

Ein wichtiger Bestandteil, um die Übertragung nach der Verbindung via eines F-Pili zu ermöglichen, ist das F-Plasmid.

Ein Plasmid ist ein kleines, üblicherweise ringförmiges Molekül in Form eines DNA-Doppelstrangs. Es repliziert sich eigenständig und kann bei Bakterien und Archaeen gefunden werden.

Das F-Plasmid (auch als “Sex-Plasmid”, veraltet als “F-Faktor” bezeichnet) ist ein Plasmid, das die Erbinformation zur Durchführung einer Konjugation einer Zelle mit einer anderen trägt.

Die DNA ist die überwiegend häufigste Form der Speicherung von Erbinformation in Lebewesen. Anhand dieser kann im Zuge der Proteinbiosynthese die Information aus der DNA in entsprechende Proteine übertragen werden. Proteine können wiederum vielfältige Aufgaben und Zwecke besetzen, wie die Katalyse von Reaktionen (Enzyme), Struktur bspw. bei Haaren, Immunreaktionen bspw. mit Antikörpern oder als Nahrung als bspw. Hühnereiweiß.

Auf dem F-Plasmid sind Gene zur Ausbildung von langen Pili kodiert, die wiederum bei der Suche nach Konjugationspartnern eine große Hilfe darstellen. Jede Zelle kann ein bis drei solcher Pili bilden, wobei die Länge ein enormes Vielfaches der Zellenlänge darstellt.

Diese Pili ermöglichen einer F+-Zelle – einer Zelle, die die Erbinformation zur Konjugation trägt – eine Verbindung mit einer F--Zelle – einer Zelle ohne diese Erbinformation der Konjugation – aufzubauen. Nach dem Finden der Empfängerzelle zieht sich die Spenderzelle heran und baut eine Plasmabrücke auf. Damit der Spender nicht die kodierte Information auf dem F-Plasmid verliert, wird während der Konjugation eine Kopie angefertigt und selbige auf den Partner über die Plasmabrücke übertragen.

Eine Plasmabrücke ist eine Verbindung der Cytoplasmas zweier in Konjugation stehenden Zellen, die die Übertragung von Molekülen ermöglicht.

Der Vorgang bei der Kopie eines Plasmids wird als rolling-circle-Mechanismus (manchmal auch als rolling-circle-Replikation) bezeichnet. Je nachdem, ob das Plasmid als Einzel- oder Doppelstrang vorliegt, beginnt es auf unterschiedliche Weise.

Liegt es als Einzelstrang vor, so wird dieser zunächst zu einem Doppelstrang vervollständigt.

Ist es jedoch als Doppelstrang vorliegend, so wird zu Beginn eine Endonuklease zum Aufbrechen zweier Nukleotide verwendet. An dem jeweiligen 3'-Ende dieser Öffnung kann nun sich ein Primer anlagern, der wiederum als Start für einen Polymerase-Komplex dient.

Dieser Komplex verlängert den offenen Strang, indem es den inneren, ungebrochenen Ring als komplementäre Matrize nimmt. Dabei läuft der Replikations-Komplex kreisförmig den inneren Strang ab. Da der innere Kreis mehrmals ununterbrochen als Matrize dienen kann, kann ein Vielfaches von Kopien des inneren Strangs konkateniert, also aneinander gekettet, vorliegen. Diese werden hierauf entsprechend getrennt.

Je nachdem, ob ein Einzelstrang genügt oder ein Doppelstrang benötigt wird, kann der Einzelstrang der rolling-circle-Replikation erneut als Matrize in einer einfachen Replikation dienen und somit zum Doppelstrang ergänzt werden.

Pilus Schema StudySmarterAbbildung 2: Schema der rolling-circle-Replikation

In manchen Fällen liegt die Information zur Durchführung der Konjugation, wie die Kodierung der Proteine, die für den Kontakt notwendig sind, oder der Replikation und Übertragung des Plasmids, nicht in Form eines Plasmids vor. Stattdessen ist es im Genom des Wirts integrierte (Hfr).

In diesem Fall erfolgt im Zuge der Konjugation eine (teilweise) Übertragung der genomischen DNA des Spenders.

Übertragung des F-Plasmids bei Escherichia Coli

Ein anschauliches Beispiel der bakteriellen Konjugation wird häufig mit dem F-Plasmid des E. coli gewählt.

Escherichia Coli (benannt nach dessen Ersten Beschreiber, dem Kinderarzt Theodor Escherich und dem lateinischen Genetiv von colon für einen Teil des Dickdarms) ist ein Bakterium, das im menschlichen Darm vorkommt. Es zählt zu den am gründlichsten erforschten Modellorganismus und bildete die Grundlage für zahlreiche Vergaben des Nobelpreises für Physiologie und Medizin.

Eine bestimmte Region auf dem F-Plasmid – die Transferregion (tra) – kodiert acht Proteine des Sekretionssystems (vom lateinischen secernere für “absondern”), die aufgrund ihrer hohen Spezifität ihrer Aufgabe kaum im Laufe der Evolution verändert haben bzw. verändern konnten. Man spricht dann von konservierten Proteinen.

Nach erfolgter Verbindung des F-Pilus verkürzt sich derselbige stark, damit eine stabile Paarungsform zwischen den Zellen errichtet wird. Das Sekretionssystems (im englischen type IV secretion system, T4SS) baut nach erfolgter Verbindung mit dem Pilus einen Kanal auf, durch den Moleküle, wie DNA oder Proteine, von der Spender- in die Empfängerzelle befördert werden können.

Durch die Absonderung eines “Paarungssignals”, das in die Zelle übertragen wird, kommt es zur Entspiralisierung der DNA. Sie wird in einen Einzelstrang modifiziert und mit einem “Pilotprotein” in die Empfängerzelle überführt.

Pilus Austausch F-Plasmids StudySmarterAbbildung 4: Austausch des F-Plasmids durch Konjugation

Da Erbinformation nicht an eine Tochterzelle, wie nach einer Zellteilung, sondern an eine bereits existierende Zelle eines anderen übertragen wird, stellt die Konjugation mit Sex-Pili eine Form des horizontalen Gentransfers dar.

Unter horizontalem Gentransfer (manchmal auch lateraler Gentransfer genannt) die Übertragung von Erbgut an eine bereits existierende Zelle. Es steht im Gegensatz zum Transfer von genetischer Information entlang der Abstammungslinie.

Pilus Pili: Typ-IV-Pili

Typ-IV-Pili werden für eine gleitende Fortbewegung des Bakteriums oder Archaeons auf einer festen Oberfläche genutzt.

Die Typ-IV-Pili sind nur an den Zellpolen zu finden. Sie strecken und kontrahieren sich abwechselnd unter dem Verbrauch von ATP. Diese Bewegung wird als “Zuckbewegung” (im englischen “twitching motility”) bezeichnet.

ATP stellt einen universelle und rasch verfügbare Einheit von Energie in beinahe allen Lebewesen dar.

Pilus Zuckbewegung Bakterium StudySmarterAbbildung 5: Zuckbewegung des Bakterium. Typ-IV-Pili werden vom Zellkörper ausgefahren. Die Retraktion der Pili führt zu einer Vorwärtsbewegung der Zelle

Pilus Pili – Fimbrien

Fimbrien sind aus denselben Proteinen wie Pili aufgebaut, sind allerdings deutlich kürzer und dienen der Anheftung an bspw. Zellen von Tieren. Ebenso dienen sie der Nahrungsaufnahme oder der Verteidigung.

Meistens sind die Fimbrien über den ganzen Zellkörper verteilt. In manchen Fällen können sie sich allerdings auch auf die Zellpole beschränken. Mit den Fimbrien können sie sich allgemein an Grenzflächen festsetzen, wie zwischen einer Flüssigkeit und Feststoff.

Ebenso können sie allerdings sich an der Grenzfläche zwischen einer Flüssigkeit und einem Gas ansammeln, was als Kahmhaut bezeichnet wird.

Pilus Kahmhaut Bakterien StudySmarterAbbildung 6: Kahmhaut in einem natürlichen Gewässer, verursacht durch eisenoxidierende Bakterien

Pathogene Bakterien – solche, die Krankheiten verursachen – wie Salmonellen können sich mit den Fimbrien an Zielproteinen ihrer Wirte und an Gefäßkatheter anheften.

Pilus – Das Wichtigste

  • Pili sind fädige Strukturen aus Proteinen, die bei einigen Gruppen von Bakterien und Archaeen aus der Oberfläche der Zelle ragen. Sie dienen der Anheftung.
  • Sie werden anhand ihrer Funktion klassifiziert, wie in F-Pili und Typ-IV-Pili.
  • F-Pili (auch “Sexpili” genannt) bauen eine Verbindung zwischen Bakterien oder Archaeen auf. Dies dient der Übertragung von DNA, was als Konjugation bezeichnet wird.
  • Die Übertragung erfolgt von einem Spender (Donor) zu einem Empfänger (Akzeptor), wobei der Informationsaustausch nicht reziprok, also beidseitig, erfolgt.
  • Die gesamte Erbinformation, die zur Durchführung der Konjugation benötigt wird, ist auf dem F-Plasmid zu finden.
  • Die Zelle, die die Erbinformation besitzt (die F+-Zelle) kann im Zuge der Konjugation das F-Plasmid (oder einen Teil des Wirtgenoms mit dieser Information) an die Zelle, ohne diese Erbinformation (die F--Zelle) übertragen.
  • Die Übertragung des Plasmids via F-Pili ist eine Form des horizontalen Gentransfers, da es an eine bereits existierende Zelle, und nicht an einen Nachkommen weitergegeben wird.
  • Typ-IV-Pili werden für eine gleitende Fortbewegung des Bakteriums oder Archaeons auf einer festen Oberfläche genutzt.
  • Fimbrien sind aus denselben Proteinen wie Pili aufgebaut, sind allerdings deutlich kürzer und dienen der Anheftung an bspw. Zellen von Tieren. Ebenso dienen sie der Nahrungsaufnahme oder der Verteidigung.

Nachweise

  1. David Sadava et al. (2019). Purves Biologie. Springer.
  2. Jens Boenigk (2021). Boenigk Biologie. Springer.
  3. Helmut Plattner (2021). Abenteuer Zellbiologie: Streifzüge durch die Geschichte. Springer.
  4. Jochen Graw (2015). Genetik. Springer.
  5. Olaf Fritsche (2016). Mikrobiologie. Springer.
  6. Abb. 1: "E. coli fimbriae" (https://journals.plos.org/plosbiology/article?id=10.1371/journal.pbio.0040314) von Manu Forero ist lizenziert durch CC BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).
  7. Abb. 2: "Rolling circle" (https://de.wikipedia.org/wiki/Replikation#/media/Datei:Rolling_circle.svg) von Madeleine Price Ball ist lizenziert durch CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/).
  8. Abb. 4: "Konjugation" (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Konjugation.svg) von Matthias M. (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Matthias_M.) ist lizenziert durch CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en).
  9. Abb. 5: "Twitching Motility Summary" (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Twitching_Motility_Summary.svg) von Psuedomoaner (https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Psuedomoaner) ist lizenziert durch CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/).

Häufig gestellte Fragen zum Thema Pilus

Pili besitzen verschiedene Funktionen. So dienen F-Pili (“Sex-Pili”) bei der Konjugation von Bakterien zur Übertragung von Erbinformation. Typ-IV-Pili dienen der gleitenden Fortbewegung auf einer festen Oberfläche oder an einer Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Gas.

Eine Plasmabrücke ist eine Verbindung der Cytoplasmata, die die Übertragung von Molekülen ermöglicht, zweier in Konjugation stehenden Zellen.

Eine Bakterienzelle kann eine bis drei Pili und damit bis zu drei Plasmabrücken aufbauen.

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