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"Ach, wenn wir schon Fabeln und Wundergeschichten nötig haben, so sollen sie wenigstens ein Symbol der Wahrheit sein!"
- Voltaire
Durch dieses Zitat des französischen Philosophen Voltaire bekommst Du eine erste Ahnung, was eine Fabel überhaupt ist und was sie bewirken soll. Durch eine ausgedachte Erzählung soll dem Menschen eine allgemeine Wahrheit vermittelt werden. Was eine Fabel sonst noch auszeichnet, wie sie aufgebaut ist und wie Du sie verstehen lernst, erfährst du im Folgenden.
Fabeln sind kurze Geschichten oder Erzählungen, die eine lehrende Absicht verfolgen. Sie werden in Versform oder Prosa erzählt. Der Begriff "Fabel" stammt von dem lateinischen Begriff fabula ab und bedeutet so viel wie "Rede" oder "Erzählung".
Eine Fabel enthält immer eine Moral, die den/die Leser*in zum Nachdenken anregen soll. Dafür wird ein Einzelfall illustriert, aus dem eine allgemeine Lehre gezogen werden kann. Das Ziel der Fabel ist es, das Verhalten der Menschen zu kritisieren. So weisen die Geschichten oft einen Verweischarakter auf.
Wenn ein Text einen Verweischarakter hat, bedeutet das, dass er einen Hinweis darstellen soll. Im Fall der Fabel besteht dieser Hinweis in der Darstellung des menschlichen Verhaltens und der Kritik daran.
In den Erzählungen einer Fabel trifft man meistens auf Tiere mit menschlichen Merkmalen. Diese sind die Hauptfiguren und verkörpern allgemeine menschliche Charaktereigenschaften, weswegen man Fabeln auch als Tierdichtung bezeichnet.
In der Entstehungszeit der Fabel schützte die Darstellung von Tieren anstelle von Menschen den/die Autor*in vor Bestrafung oder Verfolgung, da man so nur auf indirekte Weise kritische Aspekte des menschlichen Lebens in der Gesellschaft aufzeigte. Durch die Personifikation der Tiere wird den Menschen ihr Handeln satirisch oder belehrend verdeutlicht, sodass die Leser*innen darin eine praktische Lebensweisheit finden können.
Eine Personifikation ist ein rhetorisches Stilmittel und bedeutet "Vermenschlichung". Dabei erhalten Tiere, Pflanzen oder Gegenstände menschliche Eigenschaften oder verhalten sich wie Menschen.
Hauptmerkmal in Fabeln ist oftmals die Themenbehandlung von Konflikten in der Gesellschaft zwischen mächtigeren Personen und „den Schwachen“. Klassische Themen sind Neid oder Eitelkeit, aber auch Freundschaft und Ehrlichkeit. Somit üben Fabeln oft Sozialkritik aus und zeigen den Menschen ihre Schwächen im Verhalten auf.
In der Fabel spielen meist Tiere die Hauptrolle. Seltener können auch Pflanzen oder Objekte belebt und zu den Protagonisten gemacht werden. Den Figuren werden menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeordnet, sodass sie wie Menschen reden und handeln. Jedes Tier steht dabei für eine oder wenige allgemeine, festgelegte Charaktereigenschaften. Dadurch verkörpern sie typische Stereotype. Zur Unterstreichung des personifizierten Charakters erhält jedes Tier einen eigenen Fabelnamen.
Der Fuchs ist in der Fabel schlau und durchtrieben und heißt Reinecke oder Reinhart.
Der Esel dagegen ist störrisch und dumm und wird Langohr oder Boldewyn genannt.
In einer Fabel kommen aber oft nur wenige Tiere vor. Meistens sind es zwei Tiere, die im Dialog stehen. Im Verlauf der Fabel ist dabei aber keine charakterliche Veränderung zu erkennen.
Die Personifikation der Tiere erfüllt mehrere Zwecke. Einerseits kann den Leser*innen ein Spiegel vorgehalten werden, indem man die Eigenschaften der Menschen auf eine satirische und teils übertriebene Weise darstellt. Dabei können grundsätzliche Dinge, wie menschliches Fehlverhalten, kritisiert werden. Andererseits sollte die Darstellung der Charaktere in Tierform die Autor*innen vor Verfolgung und Strafen schützen, da somit indirekt Kritik geübt werden konnte.
Mehr Informationen zu den Tieren in Fabeln, ihren Namen und Charaktereigenschaften findest Du in dem Abschnitt "Liste von bekannten Tieren in Fabeln"!
Eine Fabel möchte eine Moral oder allgemeine Lehre vermitteln. Aus einem konkreten Einzelfall, der in der Fabel geschildert wird, sollen die Leser*innen eine allgemeingültige, praktische Lebensweisheit für ihr eigenes Handeln im alltäglichen Leben ziehen. Deswegen kritisieren Fabeln auch oft das Verhalten der Menschen. Die Lehre der Fabel ergibt sich dabei direkt aus dem Geschehen oder wird in einem Lehrsatz deutlich.
Fabeln haben den Anspruch, allgemein und auch für das einfache Volk verständlich zu sein. Dafür nutzen die Autor*innen meist eine einfache Sprache und Gestaltungsmittel wie Ironie oder Satire. Die Fabeln werden meistens in einer Vergangenheitsform erzählt. In der Regel werden die Zeit und der Ort einer Fabel aber nicht genau benannt.
Auch sind Fabeln oft so kurz, dass sie nur aus wenigen Zeilen bestehen. Ihre Handlung ist auf wenige Ereignisse reduziert, wobei es keine Nebenhandlungen und nur einen Handlungsstrang gibt. Die Handlung soll knapp und unkompliziert sein, um die grundsätzliche Aussage deutlich hervortreten zu lassen.
Der Aufbau von Fabeln zeichnet sich meist durch Vers- oder Prosaform aus. Außerdem liegt eine Einheit von Ort, Zeit und Handlung vor. Somit erstreckt sich die Handlung nur über einen kurzen Zeitraum hinweg, in dem sich der Ort nicht ändert. Dadurch hat die Fabel auch nur einen Handlungsstrang und keine Nebenhandlungen.
Schon seit der Antike ist eine Fabel in drei Teile aufgeteilt. Bis heute folgen Fabelautor*innen dieser Aufteilung, weshalb man das Prinzip der Dreigliederung auch als den strengen, klassischen Aufbau einer Fabel bezeichnen kann. Die drei Teile folgen der Logik einer Erzählung von Einleitung, Hauptteil und Schluss.
Die Fabel beginnt mit dem Erzählteil. Hier wird die Ausgangssituation geschildert. Dabei soll der/die Leser*in in die Handlung eingeführt werden. Alle wichtigen Informationen zum Verständnis der Fabel und die Umstände des Konfliktes werden geschildert. Zudem wird beschrieben, welche handelnden Personen, beziehungsweise Tiere vorkommen.
Als Nächstes folgt der Dialogteil, den man auch als Konfliktsituation bezeichnen kann. In diesem Abschnitt führen zwei Tiere einen Dialog miteinander und zeigen dabei, welche menschlichen Eigenschaften sie repräsentieren. Die Tiere haben in der Regel gegensätzliche Eigenschaften, wobei ein Merkmal als das moralisch gute und eines als das moralisch schlechte dargestellt wird.
Durch die Gegensätze geraten die Fabeltiere in einen Konflikt, der im Dialog durch Rede und Gegenrede oder auch Handlung und Gegenhandlung ausgetragen wird. Somit liegt überwiegend eine dialektische Erzählstruktur vor. Der Konflikt steigert sich dann hin zu einer Pointe, er führt also zu einem überraschenden Höhepunkt.
Am Ende der Fabel folgt die Lösung des Konfliktes und das Ergebnis der Handlung. Es kann sowohl passieren, dass der Konflikt sich zum Guten wendet als auch, dass er ein schlechtes Ende nimmt. In diesem Teil der Erzählung wird in der Regel auch die Moral deutlich.
Eine Fabel enthält manchmal auch einen Lehrsatz. Dieser gehört aber nicht zum klassischen Fabelaufbau, da die Moral in den meisten Fällen nicht explizit genannt, sondern aus dem Text heraus verstanden wird.
Gibt es aber doch einen Lehrsatz, dann bezeichnet man diesen entweder als Promythion oder als Epimythion. Ein Promythion ist eine vorangestellte Lehre, die man nur selten in Fabeln findet. Die vorangestellte Lehre wird verwendet, wenn die Moral besonders verdeutlicht werden soll.
Viel häufiger findet man den Lehrsatz am Ende der Fabel. Dabei ist die Fabel dann die Geschichte, die den Lesenden auf ein Problem hinweist. In diesem Fall bezeichnet man die Lehre als Epimythion.
Eines der bekanntesten Tiere in Fabeln, aber auch in Märchen, ist der Wolf. Die Fabel "Das Lamm und der Wolf" wurde von dem altgriechischen Fabeldichter Äsop ungefähr im 6. Jahrhundert vor Christus verfasst und durch den römischen Dichter Phaedrus in Versform gebracht. In den folgenden Abschnitten erfährst Du, worum es in dieser Fabel geht und welche Botschaften sie vermittelt.
Ein Wolf und ein kleines Lamm kamen einmal zur gleichen Zeit an einen Bach und tranken. Der Wolf trank weiter oben, das Lamm weiter unten. Als der Wolf das weißflockige Lamm erblickte, hörte er zu trinken auf, lief zu ihm und sprach: „Warum trübst du mir das Wasser, dass ich nicht trinken kann?“
Das Lämmlein antwortete: „Wie kann ich dir das Wasser trüben? Du trinkst doch weiter oben. Viel eher könnte ich sagen, dass du mir das Wasser trübst.“ Der Wolf rief: „Wie? Du trübst mir das Wasser und fluchst und gibst mir dazu böse Worte?“ Das kleine Lamm entgegnete friedlich: „Ich fluche nicht.“ Der Wolf aber zeigte zornig seine Zähne und grollte: „Vor sechs Monaten fluchte mir dein Vater, und nun tust du es! Du bist ganz wie dein Vater.“
„Wie kann ich an etwas Schuld tragen, das mein Vater vor sechs Monaten getan hat“, verteidigte sich das Lamm, „damals war ich ja noch nicht geboren.“ Der Wolf aber, der entschlossen war, das kleine Lamm zu fressen, redete sich immer mehr in Wut: „Du bist es, der mir Wiesen und Äcker abgenagt und verdorben hat!“
„Wie ist das möglich“, sagte das Lamm, „ich habe doch noch keine Zähne!“ „Ha“, knurrte der Wolf und duckte sich, „finde nur so viele Ausreden, als du magst, es hilft dir nichts! Ich werde dich noch heute fressen!“ Und er sprang das unschuldige Lamm an und tötete es, um es zu fressen.3
Die Ausgangssituation der Fabel zeigt zwei Gegenspieler auf: Ein Wolf und ein kleines Lamm kommen zur gleichen Zeit an einen Bach und trinken. Der Wolf trinkt weiter oben am Fluss, das Lamm weiter flussabwärts.
Im Folgenden beschuldigt der Wolf das Lamm, es habe ihm Unrecht getan, woraufhin das Lamm friedlich darauf reagiert und versucht, sich wahrheitsgemäß zu erklären, um den Wolf von seiner Unschuld zu überzeugen. Der Wolf aber, der bereits weiß, dass er das Lamm fressen wird, hört nicht auf das Lamm und nutzt dessen Aussagen nur, um sich immer weiter aufzuregen.
Nach der Diskussion folgt der Wendepunkt und schließlich die Schlusssituation: Der Wolf frisst das Lamm.
In der Fabel wird das Lamm in seiner Rolle als schutzlos, ohne Rechte, ängstlich und schwach dargestellt. Im Gegensatz dazu ist der Wolf der Stärkere und in seinem Verhalten gierig und rücksichtslos. Der Wolf steht dabei stereotypisch für die Stärkeren in der Gesellschaft, das Lamm für die schwachen Unschuldigen.
Zum einen findet sich in dem Ausgang der Fabel wieder, dass der Stärkere immer siegt: Es ist egal, was das Lamm tut oder sagt. Der Wolf plädiert darauf, dass das Lamm ihm Böses getan habe, obwohl er im Unrecht ist. Zum Ende hin schnappt der Wolf sich das Lamm, da er es von Beginn an zu fressen plante.
Eine weitere Lehre, die sich aus der Fabel ziehen lässt, ist, dass die Wahrheit bei Boshaften kein Gehör findet. Obwohl das Lamm die ganze Zeit über die Wahrheit sagt und auf die Anschuldigungen des Wolfes wahrheitsgemäß reagiert, ist es dem Wolf gleichgültig. Er will das Lamm fressen und schreibt der Wahrheit keine Bedeutung zu.
Unrecht passiert dem Schwachen - eine weitere Lektion. Da das Lamm dem Wolf körperlich unterlegen ist, hat es keine Chance, sich gegen den Wolf zu behaupten. Es fehlt im schlichtweg die Kraft dazu.
Und zu guter Letzt noch eine letzte Lehre: Trau niemals einem Mächtigen. In seiner Unerfahrenheit ist das Lamm auf das Gespräch mit dem Wolf eingegangen. Stattdessen hätte es weglaufen sollen, sobald es den Wolf erblickte.
Zusammengefasst zeigt die Fabel auf, dass sich immer der Stärkere durchsetzt, egal ob im Recht oder Unrecht.
Auf diese Fabel ist auch die Redewendung "Kein Wässerchen trüben können" zurückzuführen. Dies kann einerseits wortwörtlich damit erklärt werden, dass das Lamm wirklich nicht in der Lage war, das Wasser des Wolfs zu trüben, da es ja weiter flussabwärts getrunken hat. Es wurde also zu Unrecht beschuldigt und war unschuldig.
Gleichzeitig verkörpert die Redewendung auch genau die Eigenschaften des Lammes. "Kein Wässerchen trüben zu können", bedeutet auch, völlig harmlos und unschuldig zu sein. Dies ist auch die Rolle des Lammes in der Fabel.
Fabeltiere sind im Normalfall eindimensionale Charaktere. Dadurch verkörpern sie nur eine oder wenige Eigenschaften und stehen als Synonyme für diese. Somit sind ihre Kennzeichen und auch ihre Namen in vielen Fabeln gleich, sodass auch die Leser*innen vorab schon wissen, welches Verhalten von den Tieren zu erwarten ist.
Die typischen Fabeltiere und ihre Eigenschaften zu kennen, kann Dir bei der Interpretation von Fabeln helfen. Vergiss dabei aber nicht, dass diese Zuschreibungen zwar häufig vorkommen, aber auch in einigen Texten abweichen können!
Fabeltiere | Name | Eigenschaften |
Affe | Martin | intrigant, eitel |
Bär | Petz, Meister Petz, Braun | nett, freundlich, gutmütig, ein wenig naiv und einfaltig |
Biber | Bockert, Bokert | fleißig, tatkräftig |
Dachs | Grimbart | ausgeglichen, nachdenklich |
Esel | Langohr, Boldewyn | störrisch, faul, dumm |
Fuchs | Reinecke, Reinhart | schlauch, listig, durchtrieben |
Hahn | Henning | hochnäsig, eitel, stolz, hochmütig |
Hase | Lampe, Meister Lampe | ängstlich, vorsichtig, vorlaut |
Henne | Kratzefuß | einfältig, dämlich |
Hund | Hylax | treu, freundlich |
Igel | Arbnora, Swineigel | schlau, klug |
Kater | Murner, Murr, Hinze | sturr, eigensinnig |
Krähe | Merkenau | naiv, leichtgläubig |
Lamm | Lamb | schutzlos, ohne Rechte, schwach, fromm |
Löwe | Leo, Leu, König der Tiere, Nobel | stolz, königlich, stark, mächtig |
Luchs | Lynx | schlau, vorsichtig |
Rabe | Pflückebeutel | besserwisserisch, diebisch, dumm, eitel |
Storch | Adebar, Meister Adebar | hochmütig, gelehrt, bringt die Kinder |
Widder | Bellyn | ängstlich und schwach, aber schlau |
Wolf | Isegrim | gütig, gierig, rücksichtslos, böse |
Ziege | Metke | leichtgläubig, naiv, unzufrieden |
Fabeltiere darf man nicht mit Fabelwesen verwechseln!
Während es Fabeltiere auch im realen Leben gibt, sind Fabelwesen erfundene Tiere, die ausschließlich in der Fantasiewelt existieren. Solche Fabelwesen, die es in der Wirklichkeit nicht gibt, sind zum Beispiel Drachen, Feen, Einhörner, Zwerge, Elfen, Vampire, Werwölfe, Hexen oder Meerjungfrauen.
Bereits im 3. Jahrtausend vor Christus entstanden auf der ganzen Welt Fabeln zur Unterrichtung und Erziehung, wodurch sich kein explizites Ursprungsland festlegen lässt. Beispielsweise wurden in Sumer die Fabel vom klugen Wolf und den neun dummen Wölfen als Lehrtext in Schulen verwendet.
Sumer liegt im Gebiet des antiken Mittel- und Südbabyloniens. Babylonien lag am Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris. Heutzutage würde das sumerische Gebiet zwischen der irakischen Stadt Bagdad und dem Persischen Golf liegen.
Der Dichter Äsop gilt als Begründer der europäischen Fabeldichtung. Er soll um 600 v. Chr. alte Fabeln gesammelt und erzählt haben. In seinen Fabeln wurden oft zwei Tiere gegenübergestellt, die den Zweck hatten, die Kritik an der Politik und der Gesellschaft zu verschleiern. Hauptsächlich sollten Äsops Fabeln damals aber die Leser*innen unterhalten, der Anspruch zur Belehrung entstand erst später.
Äsop soll ein Dichter gewesen sein, der wahrscheinlich im 6. Jahrhundert vor Christus im antiken Griechenland lebte. Obwohl Äsop als Vater der Fabeldichtung in Europa gilt, ist gar nicht belegt, dass er wirklich existiert hat. Zu Äsops Leben gibt es kaum sichere Informationen und sein Lebenslauf besteht weniger aus historischen Fakten als aus Legenden. Es wird jedoch angenommen, dass Äsop aus Thrakien im Norden Griechenlands stammte.
Auch wenn Äsops Existenz nicht bewiesen ist, wird die poetische Fabel heute noch als äsopische Fabel bezeichnet.
In der Antike wurde die Fabel noch nicht als literarische Gattung anerkannt, sondern als rhetorisches Element verwendet. Erst durch Überlieferungen fand die Fabel auch ihren Weg in das mittelalterliche Europa.
Der mittelhochdeutsche Fabeldichter "Der Stricker", dessen Werke ab Mitte des 13. Jahrhunderts datiert wurden, kann als der älteste deutsche Fabeldichter angesehen werden. Im Mittelalter wurden die Motive und Charaktere Äsops in weiten Teilen beibehalten und nur die Regeln zur Zusammensetzung der Fabel wandelten sich.
Als eigene Gattung hat sich die Fabelliteratur vorwiegend im Zeitalter des Humanismus (14.-16. Jahrhundert) und in der Reformationszeit (16. Jahrhundert) etabliert. Neben der Belehrung verwendete beispielsweise Martin Luther Fabelgeschichten, um unangenehme Wahrheiten zu verkünden, die die Menschen normalerweise nicht wahrhaben oder wissen wollten.
Insgesamt wurden die Fabeln in dieser Zeit realitätsnäher und sie wurden auch genutzt, um religiöse Botschaften und Erneuerungen zu verbreiten. So vermittelte der Dichter und Meistersänger Hans Sachs aus Nürnberg mithilfe seiner Fabeln die Ideen der Reformation auch an das einfache Volk.
Meistersänger waren Sänger und Dichter aus dem Bürgertum. Im 15. und 16. Jahrhundert schlossen sie sich zu einer künstlerischen Organisation zusammen. Die Dichtungen und Gesänge der Künstler wurden aus dem mittelalterlichen Minnesang übernommen. Die Lieder mussten strengen Regeln und festgelegten Schemata entsprechen.
In der Zeit des Barocks (1600-1720) fand die Fabel wenig Zuspruch als ernst genommene literarische Gattung, während in Frankreich jedoch viele Werke der Fabeldichtung in Versen verfasst wurden. Besonders der französische Autor Jean de La Fontaine (1621-1695) erlangte in Frankreich mit seinen Fabeln Berühmtheit. Sie unterschieden sich von den klassischen Texten darin, dass sie kurz, witzig und vor allem leicht zu lesen waren. In einem lockeren und teils ironischen Ton vermittelte er dem Bürgertum seine Lehren. Einige von La Fontaines Fabeln, wie „Der Rabe und der Fuchs“ werden heute noch in Schulen gelesen.
Erst im 18. Jahrhundert im Zeitraum der Aufklärung fand die moralisch-didaktische Dichtungsgattung ihren Höhepunkt im deutschsprachigen Raum und wurde der "schwülstigen" Barockdichtung vorgezogen. Einfluss auf die neue Fabeldichtung hatte vor allem Antoine Houdar de La Mottes (1672-1731) Fabelbuch "Discours nur la Fable" (1719). Die damaligen Fabelautoren wie Christian Fürchtegott Gellert (1715-1769) und Johann Gottfried Herder (1744-1803) orientierten sich eher an La Fontaines lockerer und volkstauglicher Schreibweise.
In den 1740er-Jahren begann dann mit Christian Fürchtegott Gellert eine stilistische Übernahme der französischen Fabeldichtung. Dabei verzichtete man auf die explizite Nennung von Lebensratschlägen und versuchte, den Leser nur indirekt zum richtigen Urteilen zu leiten. Außerdem zeigte sich eine erhebliche Abweichung von klassischen Fabeln: So gab es mehr Menschenfabeln und eine breitere Ausgestaltung.
Eine klassische Fabel zeichnet sich dadurch aus, dass die Protagonisten Tiere mit menschlichen Eigenschaften sind. Außerdem folgt die klassische Fabel einem strengen Aufbau in drei Teilen.
Mehr dazu erfährst Du in den Abschnitten "Merkmale einer Fabel" und "Aufbau der Fabel"!
Diese Tendenz zeigt sich auch in der Theorie von Gottfried Ephraim Lessing (1729-1781), der heute als bedeutendster Referenzautor für die Definition der Fabel gilt. Mit ihm kam die Forderung zur Rückkehr zum antiken Fabelmodell und die Verfassung in Prosa. Er lehnte die Fabeln in Versformen ab. Lessings Schaffen stellte auch das Ende der Blütezeit der Fabeln dar.
Im 19. Jahrhundert nahm die Fabeldichtung dann stark ab und richtete sich nur noch an Kinder und Jugendliche. Auch wurde sie mit dem Beginn der Neuzeit nicht mehr weiterentwickelt. Mit dem 20. und 21. Jahrhundert folgte der Versuch der Modernisierung der Fabeln, um aktuelle Konflikte zu thematisieren. Diese Fabeln nennt man auch "Protestfabeln". Andererseits kam es zum Teil zur Ironisierung der eigentlichen Fabeltradition.
Letztendlich gelang es aber keinem der Autor*innen wie Maria von Ebner-Eschenbach (1830-1916) oder Bertolt Brecht (1898-1956), der Fabel zu neuem Glanz zu verhelfen. So hat sie ihre Bedeutung als lehrreiches Werk für Erwachsene verloren und zählt heute hauptsächlich zur Kinderliteratur.
Eine Fabel weist oft Ähnlichkeiten zu anderen epischen Textarten auf. Um Dir die Unterscheidung leichter zu machen, findest Du in der folgenden Tabelle eine Übersicht von verschiedenen Textsorten, die mit der Fabel verwandt sind, und ihren Unterschieden.
Name | Erklärung | Unterschied zur Fabel |
Gleichnis |
|
|
Parabel |
|
|
|
|
Fabeln beinhalten immer eine allgemeine Lehre oder Moral, die man aus der Geschichte ziehen kann. Sie bezieht sich beispielsweise auf Unfairness, Eitelkeit oder Neid und soll eine praktische Lebensweisheit vermitteln. Häufig kritisiert sie menschliche Schwächen.
Fabeltiere verkörpern immerzu bestimmte menschliche Verhaltensweisen und Charakterzüge auf. Sie fungieren als Stereotype.
Die Moral von "Der Rabe und der Fuchs" von Gotthold Ephraim Lessing lautet wörtlich "Möchtet ihr euch nie etwas anders als Gift erloben, verdammte Schmeichler!". Sie besagt, dass Menschen aufrichtig sein sollen, statt sich durch Schmeicheleien ihre Erfolge zu erschleichen.
Eine Lehre in der Fabel kann am am Anfang (Promythion) oder Ende (Epimythion) der Fabel als Lehrsatz formuliert werden oder sich aus dem Text ergeben, ohne explizit genannt zu werden. Sie soll eine allgemeine Moral oder eine praktische Lebensweiheit vermitteln.
Die Fabel ist in drei Teile aufgeteilt: Ausgangssituation, Konfliktsituation, Lösung.
Außerdem zeichnet sich der Aufbau einer Fabel meist durch Vers- oder Prosaform aus. Es liegt eine Einheit von Ort, Zeit und Handlung vor. Somit erstreckt sich die Handlung nur über einen kurzen Zeitraum hinweg, in dem sich der Ort nicht ändert. Dadurch hat die Fabel auch nur einen Handlungsstrang und keine Nebenhandlungen.
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