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Stockholm Syndrom

In dem Disney-Film "Die Schöne und das Biest" wird die junge Frau Belle von einem verwunschenen Prinzen in seinem Schloss gefangen gehalten. Am Anfang empfindet Belle dem Biest gegenüber eine starke Abneigung. Doch im Laufe der Geschichte entwickelt sie immer mehr Zuneigung für den Prinzen. Doch was hat Disney mit Psychologie zu tun?

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In dem Disney-Film "Die Schöne und das Biest" wird die junge Frau Belle von einem verwunschenen Prinzen in seinem Schloss gefangen gehalten. Am Anfang empfindet Belle dem Biest gegenüber eine starke Abneigung. Doch im Laufe der Geschichte entwickelt sie immer mehr Zuneigung für den Prinzen. Doch was hat Disney mit Psychologie zu tun?

Auch wenn in dem Film alles sehr harmonisch wirkt und eine romantische Geschichte erzählt wird, wäre eine solche Situation in der Wirklichkeit alles andere als romantisch – vielmehr spricht man in diesem Fall von dem Stockholm-Syndrom.

Stockholm Syndrom – Definition

Laut Definition ist das Stockholm-Syndrom ein psychologisches Phänomen, das bei Opfern beispielsweise von Entführungen oder Geiselnahmen unbewusst und ohne Absicht passiert. Dabei verzerrt sich die Wahrnehmung der Opfer bzw. der Geiseln durch die gegebenen Umstände und sie passen ihr Verhalten (z. B. durch die Entwicklung von Sympathie und dadurch kooperatives Handeln) der Gefahrensituation, in der sie sich befinden, an.

Unter dem Stockholm-Syndrom, oder auch Stockholmer Syndrom genannt, versteht man die Veränderung des Verhaltens eines Opfers bzw. einer Geisel während und auch nach einer Geiselnahme. Das Opfer entwickelt dabei oft positive Gefühle wie Sympathie oder Verständnis für den oder die Geiselnehmer*in. Die entwickelte Sympathie kann in extremen Fällen sogar zu Liebesgefühlen führen.

Beim Stockholm-Syndrom handelt es sich also um eine Verhaltensanpassung an eine extreme Ausnahmesituation, mit dem einzigen Ziel, die eigenen Überlebenschancen zu erhöhen. Es handelt sich in diesem Fall weniger um eine psychische Störung, als mehr um eine funktionale (wenn auch meist unbewusste) Überlebensstrategie.

Der Name des Stockholm-Syndroms ist an die schwedische Hauptstadt angelehnt. Dort wurde das Phänomen im Jahr 1973 zum ersten Mal bei einem Banküberfall beobachtet. Der Täter hielt vier Bankangestellte über einen Zeitraum von fünf Tagen in einem Tresorraum gefangen. Während und auch nach der Geiselnahme kam es dazu, dass die Opfer mit dem Täter sympathisierten und sogar mehr Angst vor der Polizei zeigten, als vor dem Täter. Das Stockholm-Syndrom wird fälschlicherweise oft auch als Helsinki Syndrom bezeichnet.

Das Lima Syndrom ist sozusagen das umgekehrte Stockholm Syndrom. Dabei entwickeln die Täter*innen Sympathie für ihre Opfer. Die Täter*innen beginnen dann, sich um die Opfer zu kümmern und sich für deren Wohlergehen einzusetzen. Seinen Namen hat das Lima Syndrom durch einen Vorfall während einer Geiselnahme im Jahr 1996 in der Hauptstadt Perus – Lima.

Stockholm Syndrom – Symptome

Wie Du nun weißt, zeichnet sich das Stockholm-Syndrom durch ein positives Verhältnis zwischen Geisel und Geiselnehmer*innen aus. Typische Verhaltensmuster, die Opfer äußern, entstehen aufgrund der empfundenen Sympathie zu ihren Geiselnehmer*innen. Kleinste Gefälligkeiten (z. B. das Lockern der Fesseln) kann von den Opfern schon als große Geste empfunden werden. Eines der Symptome des Stockholm-Syndroms ist demzufolge, dass Opfer oft nicht mehr dem/der Täter*in die Schuld an einer Geiselnahme geben und sie sich selbst als zufälligen Teil der Situation sehen.

In manchen Fällen führt das Stockholm-Syndrom so weit, dass die Opfer beginnen, der Regierung oder der Polizei zu misstrauen und die Geiselnehmer*innen selbst als die Opfer wahrzunehmen. Manchmal bewirkt das Stockholm-Syndrom auch, dass die Geiseln sich mit den Geiselnehmer*innen verbünden und diesen vertrauen. Das lässt sich zum Beispiel am Geiseldrama von Gladbeck im Jahre 1988 gut erkennen:

Zwei Männer überfielen eine Deutsche Bank-Filiale. Sie nahmen im Laufe des Überfalls mehrere Geiseln. Einige Geiseln begannen nicht nur während der Geiselnahme mit den Tätern zu sympathisieren und kooperieren, sondern schlugen ihren Entführern sogar Tricks vor, mit denen sie die Polizei täuschen könnten.

Auch nach der Geiselnahme kann das Stockholm-Syndrom bei vielen Opfern weiterhin beobachtet werden. Es gibt Opfer, die sich nach der Entlassung aus der Geiselnahme dankbar gegenüber den Geiselnehmer*innen zeigen und diese sogar im Gefängnis besuchen.

Erfahrungen von Gewalt können bei Betroffenen aber auch das Gegenteil zu Folge haben und etwa zu Schlafstörungen, Albträumen, Phobien und Depressionen führen. Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest, dann lies Dir die Erklärungen "Psychische Störungen" und "Posttraumatische Belastungsstörung" durch.

Stockholm Syndrom – Ursachen

Das Stockholm-Syndrom entsteht aus einem Zusammenspiel mehrerer Ursachen. Dazu gehören hauptsächlich Wirklichkeitsverzerrung, Verhalten der Täter*innen und Kontrollverlust. In der folgenden Tabelle erfährst Du mehr über die verschiedenen Ursachen, die zu der Bildung des Stockholm-Syndroms führen können:

UrsacheBeschreibungBeispiel
Wirklichkeitsverzerrung
  • Opfer fühlen sich alleingelassen, sind isoliert von der Außenwelt und verfügen über keine Informationen über die derzeitige Situation, in der sie sich befinden.
  • Die einzigen sozialen Kontakte sind die Geiselnehmer*innen selbst.
  • Das löst eine Veränderung der Wahrnehmung aus und dadurch kommt es zu einer Wirklichkeitsverzerrung.
Bei einem Banküberfall werden mehrere Besucher*innen der Bank als Geiseln genommen. Die Geiseln werden über mehrere Tage von den Geiselnehmer*innen festgehalten. Die Opfer haben seit Tagen keinen Kontakt zu anderen Menschen als den Täter*innen. Auch haben sie keine Informationen über die Situation außerhalb der Bank. Dadurch beginnen sie, immer mehr Partei für die einzige Seite zu ergreifen, mit der sie im Kontakt stehen und über die sie Informationen erhalten. Also die Seite der Geiselnehmer*innen.
Verhalten der Täter*innen
  • Das Verhalten der Täter*innen spielt eine tragende Rolle bei der Entstehung des Stockholm Syndroms.
  • Oftmals überzeugen die Täter*innen die Geiseln davon, dass sie keine Gewalt anwenden wollen, wenn es nicht absolut notwendig ist.
  • In ihrer verzerrten Wahrnehmung können die Geiseln dies als Schutz und Sicherheit deuten, die die Geiselnehmer*innen ihnen bieten.
Die Täter*innen, die bei einem Banküberfall über mehrere Tage Geiseln gefangengehalten haben, reden in dieser Zeit oft auf die Opfer ein. Sie erzählen den Geiseln, dass sie keine andere Wahl hatten als die Bank zu überfallen. Sie teilen den Opfern mit, dass sie ihr Geld lieber auf ehrliche Weise verdienen würden. Jedoch wurden sie immer wieder ungerechtfertigt von ihren Arbeitsgerber*innen entlassen. So hatten sie keine andere Wahl als die Bank zu überfallen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Zudem versichern sie den Geiseln, dass sie ihnen nicht schaden wollen. Sie fesseln etwa ihre Opfer nicht. All diese Verhaltensweisen in Verbindung mit der Ausnahmesituation, in der sich die Geiseln befinden, sorgen dafür, dass die Opfer Sympathie gegenüber den Täter*innen entwickeln.
Kontrollverlust
  • Die Ausnahmesituation, in der sich die Opfer während einer Geiselnahme befinden, sorgt für das Empfinden eines Kontrollverlusts über ihr eigenes Leben.
  • Um das auszugleichen, identifizieren sich die Geiseln unterbewusst mit den Täter*innen.
  • Dies kann von Sympathiebekundungen bis hin zu Allianzen mit den Geiselnehmer*innen gehen.
Die Tochter eines Marketingmanagers wird entführt. Der/Die Täter*innen wollen von den Eltern Lösegeld verlangen. Das junge Mädchen hat große Angst um ihr Leben. Sie sieht sich in einer ausweglosen Situation. Um dem Gefühl von Kontrollverlust entgegenzuwirken, entwickelt das Mädchen unbewusst ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Entführer*innen. So hat sie das Gefühl, mehr Einfluss auf die Situation nehmen zu können und fühlt sich den Täter*innen nicht mehr hilflos ausgeliefert.

Das Stockholm-Syndrom kann jedoch nicht nur im Falle einer Geiselnahme auftreten. Auch häusliche Gewalt und Beziehungen, in denen eine große Abhängigkeit zu der anderen Person besteht, können Ursachen für das Bilden des Stockholm-Syndroms sein. Das bedeutet, dass die Opfer dem/der Täter*in gegenüber weiterhin positive Gefühle entgegenbringen und deren Verhalten sogar rechtfertigt oder entschuldigt wird, obwohl der/die Täter*in die Opfer herablassend behandelt und/oder misshandelt.

Auch hier liegt die Ursache darin, dass die Opfer sich in einer ausweglosen Situation sehen. Sie verspüren die Sorge, ohne den/die Täter*in allein dazustehen und das Leben zum Beispiel ohne deren finanzielle Unterstützung nicht meistern zu können.

Außerdem konzentrieren sich die Opfer in einer solchen Situation auf die positiven Aspekte, um ein Verbleiben bei dem/der Täter*in für sich selbst, aber auch für Andere zu rechtfertigen. So werden kleine Gesten wie das einmalige Mitbringen von Blumen als Ausrede genutzt, um zum Beispiel gewalttätiges Verhalten zu entschuldigen. Auch das Zuweisen von Schuld gegenüber der eigenen Person kann zur Entwicklung des Stockholm-Syndroms in solchen Situationen beitragen.

Stockholm Syndrom – Therapie

Oftmals lassen die positiven Gefühle der Opfer gegenüber ihren Geiselnehmer*innen nach einer gewissen Zeit nach. Die Dauer kann von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein. Das Syndrom kann einige Tage bis hin zu mehreren Jahren andauern, bis sich die Wahrnehmung der Opfer auf die Situation wieder verändert.

Da die Betroffenen den/die Täter*in oft in Schutz nehmen und den Helfenden, wie der Polizei oder Ärzt*innen, dementsprechend feindlich gegenüberstehen, kann sich eine Therapie anfangs als schwierig gestalten. Eine Psychotherapie kann allerdings helfen, den Prozess zu unterstützen, indem die erlebten Geschehnisse aufgearbeitet werden.

Die vergangene Situation kann durch die Therapie erneut erlebt und mit anderen Emotionen verknüpft werden. Das soll den Betroffenen unter anderem dabei helfen, eine andere Sicht einzunehmen und zu verstehen, wieso sie eine Sympathie für Täter*innen entwickelt haben. Bei dem oben genannten Geiseldrama von Gladbeck könnte die Behandlung der Opfer in etwa so ausgesehen haben:

Der/Die Therapeut*in geht mit den Betroffenen den Tag des Banküberfalls noch einmal Schritt für Schritt durch. Dabei versuchen die Betroffenen die Situation dieses Mal aus einem anderen und neutralen Blickwinkel zu betrachten. Ihnen soll bewusst gemacht werden, in welcher Situation sie sich tatsächlich befanden, dass die Geiselnehmer*innen eine Straftat begangen haben und das Verhalten der Täter*innen falsch war. Somit sollen die Betroffenen lernen, die Täter*innen mit negativen Emotionen zu verknüpfen und die Menschen, die ihnen tatsächlich aus dieser Situation geholfen haben, mit positiven Emotionen zu assoziieren,

Mehr über die verschiedenen Formen der Psychotherapien findest Du in der Erklärung "Diagnose und Therapien psychischer Störungen".

Stockholm Syndrom - Das Wichtigste

  • Stockholm Syndrom – Definition: Das Stockholm-Syndrom ist ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer (z. B. einer Geiselnahme oder Entführung) positive Gefühle zu ihren Geiselnehmer*innen entwickeln.
  • Stockholm Syndrom – Symptome: Die positiven Gefühle können sich in Sympathiebekundungen, dem Zeigen von Verständnis oder sogar in Liebesgefühlen äußern.
  • In manchen Fällen führt das Stockholm-Syndrom zu einem Misstrauen der Opfer gegenüber der Regierung oder der Polizei und es kann auch nach der Geiselnahme noch anhalten.
  • Stockholm Syndrom – Ursachen: Die Wirklichkeitsverzerrung der Opfer, der Kontrollverlust, den sie erleiden und das Verhalten der Täter tragen zur Entstehung des Stockholm-Syndroms bei.
  • 1973 wurde bei einer Geiselnahme in Stockholm zum ersten Mal das psychologische Phänomen beobachtet, das danach als Stockholm-Syndrom bezeichnet wurde.

Nachweise

  1. Folgen einer Geiselnahme: Das Stockholmsyndrom (2010). Christin Wolf.
  2. Mythos Stockholm-Syndrom: Sachbuch (2008). Michaela Gufler.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Stockholm Syndrom

Das Stockholm Syndrom, oder auch Stockholmer Syndrom genannt, ist ein Syndrom, bei dem eine Veränderung des Verhaltens einer Geisel während und auch nach einer Geiselnahme eintritt. Das Opfer entwickelt dabei oft positive Gefühle wie Sympathie oder Verständnis für den oder die Geiselnehmer*in.  

Den Namen hat das Stockholm Syndrom durch die Hauptstadt Schwedens bekommen. In Stockholm wurde das Phänomen nämlich im Jahr 1973 zum ersten Mal bei einem Banküberfall entdeckt.

Das Stockholm Syndrom entsteht aus einem Zusammenspiel mehrerer Ursachen. Dazu gehören hauptsächlich Wirklichkeitsverzerrung, Kontrollverlust und Verhalten der Täter*innen.

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