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Die Neue Innerlichkeit oder auch Subjektivität ist eine literarische Strömung in Deutschland in den 1970er-Jahren, in der Selbsterfahrung sowie Sorgen und Probleme aus dem Alltag thematisiert werden.
Während sich die deutsche Gesellschaft der 70er-Jahre insbesondere durch die Hippie-Bewegung veränderte, schlug die deutsche Literaturszene eine andere Richtung ein: statt Themen wie Liebe und Frieden zu behandeln, stand sie eher unter dem prägenden Einfluss der Neuen Subjektivität.
Hippie-Bewegung
Die Hippie-Bewegung, die in den 1960er-Jahren in den USA ihren Ursprung hat, ist eine große gegenkulturelle Jugendbewegung. Zentrale Merkmale dieser sind unter anderem Naturverbundenheit, Konsumkritik oder auch der Bruch mit den damals vorherrschenden Lebens- und Moralvorstellungen. Ihr Ideal war eine friedlichere und humanere Welt. Ihren Höhepunkt fand sie in der Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg. Dabei hatte sie einen prägenden Einfluss auf das Verständnis des Mottos "Make love, not war" ("Macht Liebe, nicht Krieg").
Diese Zeit war geprägt durch gesellschaftliche Umbrüche sowie polarisierende politische Bewegungen: der aufsteigende Terrorismus führte zu Unruhen und drastischen politischen Maßnahmen. Der studentische Demonstrationsgeist nahm terroristische Züge an und die RAF (Rote Armee Fraktion), auch bekannt als Baader-Meinhof-Gruppe, machte insbesondere mit Übergriffen, Anschlägen und Entführungen Schlagzeilen.
1977 gipfelten die Terrorisierungen in der Entführung und Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hans Martin Schleyer und der anschließenden Entführung des Lufthansaflugzeugs "Landshut".
Schriftsteller*innen reagierten daraufhin mit der Niederlegung von politischen Themen in ihren Werken. Stattdessen konzentrierte man sich auf das Eigene und Private.
Die 1970er-Jahre in der DDR begannen mit der Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker als ersten Sekretär der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands; regierende Partei der DDR) bzw. der Position des Generalsekretärs. Die ostdeutsche Gesellschaft hoffte auf eine Liberalisierung, jedoch trat diese nicht ein. Nach dem VIII. Parteitag der SED sollte es in der Literatur und der Kunst keine Tabus mehr geben, doch die von Honecker angepriesene Zeit währte nur kurz.
Beispielsweise erschien in dieser Zeit Christa Wolfs "Nachdenken über Christa T." und Volker Brauns "Das ungezwungene Leben Kasus". Viele andere wichtige Werke der DDR-Literatur folgten erst später oder nie, bspw. "Unvollendete Geschichte" von Volker Braun oder Rolf Schnieders "November".
Die Eskalation der politisch motivierten Gewalt in Form von Terroranschlägen sowie Studierendenprotesten, aber auch eine grundlegende "Politikverdrossenheit" begründete die Ablehnung vieler Autor*innen politischen Themen gegenüber.
Es handelt sich bei der Neuen Innerlichkeit (auch Neue Subjektivität genannt) nicht um eine eigene Literaturepoche, sondern um eine literarische Strömung, welche die deutsche Literaturszene in den 1970er-Jahren prägte.
Marcel Reich-Ranicki, der den Begriff für die neue Richtung der deutschen Literatur geformt hatte, äußerte sich in diesem Zusammenhang. Laut ihm habe die radikale Politisierung die Politik nicht verändert, sondern die deutsche Literatur ruiniert.
Marcel Reich-Ranicki war ein deutsch-polnischer Publizist und Schriftsteller. Als Überlebender des Warschauer-Ghettos siedelte er 1958 in die BRD über und arbeitete dort als Literaturkritiker.
Da viele Frauen in dieser Zeit begannen, sich als Schriftstellerinnen einen Namen zu machen, fand während der 1970er-Jahre die Entwicklung der Frauenliteratur statt.
Schriftstellerinnen wie Elfriede Jelinek, Gabriele Wohmann oder Ursula Krechel hinterfragten klassische Rollenverständnisse und diskutierten das Selbstbild der Frau in einer von Männern dominierten Welt.
Die Neue Innerlichkeit bzw. Subjektivität war zum einen eine Gegenbewegung zu einer politisch engagierten Literatur, die sich mit system- und gesellschaftskritischen Zusammenhängen auseinandersetzte. Zum Anderen stellte sie einen Gegensatz zu literarischen Experimenten dar, die an die klassische Moderne anknüpfen sollten.
Weitere sprachliche Merkmale sind:
In der Lyrik ging es während der 70er-Jahre vor allem um persönliche Erfahrungen, die überwiegend in einen größeren gesellschaftlichen Kontext gestellt wurden.
Dabei lehnten Autor*innen eine elitäre Sprache ab und legten den Fokus auf die Freiheit. Autor*innen der 70er-Jahre verfolgten das Ziel, kommunikative und leicht verständliche Gedichte zu verfassen. Um dabei authentisch zu bleiben, gab es keine formalen "Fesseln". Die verwendete Sprache wird aus heutiger Sicht auch als prosaisch, also eher nüchtern, bezeichnet. Auf einfache und direkte Weise werden Probleme beschrieben. Sprachliche Bilder finden sich nur wenig in lyrischen Texten und die Sprache besitzt einen erzählenden Stil.
Häufig wurde die Lyrik der 70er auch als Alltagslyrik bezeichnet, da persönliche Themen wie Freude, Glück und Trauer eine große Rolle spielen.
Hierbei handelt es sich um ein Gedicht von Roman Ritter aus dem Jahr 1978.
Ich drehe mich am Schreibtisch um
und sehe durch das Fenster
ein paar Kastanienäste,
ein Stück Rasen mit Buschwerk
und den Stamm einer Linde.
Ich gehe zum Fenster
und sehe draußen die Lind
die Äste leicht vom Wind bewegt,
den Rasen, der so grün ist,
dass man beinah lachen muss,
und die große Kastanie, durch deren Blätter
man in die Sonne sehen kann.
Dort drüben blüht ein Busch.
[...]
Auffällig ist hier die leicht verständliche Sprache. Außerdem wirkt es, als würde das lyrische Ich etwas erzählen. Neben der Verwendung der Versform unterscheidet sich das Gedicht von einem erzählenden Text durch die Zeilensprünge (siehe Vers 3, 12). Das vom lyrischen Ich beschriebene beschränkt sich auf seine eigene Wahrnehmung. Auch auffallend ist die wiederholende Verwendung des "Ich", das an jedem Strophenanfang vorzufinden ist.
Dass das lyrische Ich auf eine solch deutliche Weise hervorgehoben und in das Zentrum gestellt wird, ist ein typisches Merkmal der Lyrik der 70er-Jahre.
Eine weitere Auffälligkeit ist die Beschreibung bzw. Wahrnehmung einer alltäglichen Situation. Zudem findet sich kein Reimschema, Metrum oder eine häufige Verwendung von rhetorischen Mitteln im Gedicht wieder.
Viele Autor*innen dieser Zeit nahmen ihre eigene Biografie zum Anlass, schriftstellerisch tätig zu werden. Dadurch sind in diesem Zeitraum zahlreiche autobiografische Romane und Erzählungen entstanden.
Zu den wichtigsten Erzählungen gehörte "Lenz" von Peter Schneider aus 1973. Darin beschreibt der Autor das Seelenleben des jungen, intellektuellen Lenz nach einer gescheiterten Studierendenrevolte. Angelehnt sind diese Schilderungen an Georg Büchners Erzählfragment von 1839.
Heinrich Böll verfasste den Roman "Gruppenbild mit Dame", in welchem er die Geschichte von Leni Gruyten, die Tochter eines reichen Bauunternehmers, erzählt. Leni Gruyten liebt einen russischen Gefangenen, den sie retten möchte. Dazu besorgt sie einen deutschen Pass, doch nach dem Krieg erfährt sie, dass ihr Geliebter in einem amerikanischen Lager ums Leben gekommen ist. Während des Krieges ist sie mit seinem Kind schwanger gewesen und in den Jahren des Wiederaufbaus geht Leni dem bescheidenen Leben einer Hilfsgärtnerin nach. Um ihren Besitz und ihre Liebe betrogen, bleibt ihr ein Leben, in welchem sie ihren Gefühlen schlussendlich folgen kann.
Das Drama ist in der Neuen Subjektivität eher eine untergeordnete literarische Gattung. Botho Strauß war zu dieser Zeit der wichtigste Dramatiker mit Werken wie "Trilogie des Wiedersehens" (1977) oder "Groß und klein"(1978). Auch heute gilt er zu den meist gespielten zeitgenössischen Dramatikern.
Die Neue Subjektivität stellt eine Gegenbewegung zur Radikalisierung der politischen Studentengruppen und der Aufruhr im Land dar. Die Autor*innen wollen sich grundlegend von den politischen Tendenzen in der Literatur abwenden und den Fokus auf sich selbst legen.
Es handelt sich bei der Neuen Subjektivität nicht um eine Epoche, sondern um eine literarische Strömung.
Die 70er Jahre fallen unter die Epoche der Nachkriegsliteratur.
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