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Der Sandmann Interpretation

E. T. A. Hoffmanns Werk "Der Sandmann" ist geprägt von Gegensätzen, welche die Leserschaft über den Wirklichkeitsgehalt der Geschehnisse verunsichern sollen. Dadurch fällt es schwer, Wirklichkeit und Illusion zu unterscheiden. Diese Themen sind typisch für die Epoche der Romantik – zugleich kommen aber auch andere zentrale Motive vor, die den Text zu einem heute noch relevanten Werk machen.

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E. T. A. Hoffmanns Werk "Der Sandmann" ist geprägt von Gegensätzen, welche die Leserschaft über den Wirklichkeitsgehalt der Geschehnisse verunsichern sollen. Dadurch fällt es schwer, Wirklichkeit und Illusion zu unterscheiden. Diese Themen sind typisch für die Epoche der Romantik – zugleich kommen aber auch andere zentrale Motive vor, die den Text zu einem heute noch relevanten Werk machen.

Die Literaturepoche der Romantik

Der Begriff des Romantischen (Literaturepoche der Romantik von circa 1790 bis 1835) wurde damals zunächst negativ konnotiert – Kitsch und Schund wurden mit diesem Begriff verbunden. Erst mit der Zeit wandelte sich die Semantik (Wortbedeutung) des Romantischen hin zum Unheimlichen, Mythischen, Gefühlvollen und Wunderbaren.

Spätestens ab hier wird klar, dass die Romantik sehr komplex zu verstehen ist. Daher gibt es auch zahlreiche Unterteilungen innerhalb dieser literarischen Strömung (Früh-, Hoch-, Spätromantik). Der Protagonist Nathanael ist aufgrund seines Hangs zum Fantastischen eine romantische Figur.

"Der Sandmann" – Motive & Ideale der Romantik

Die Ideale der Romantik lassen sich nur durch ihre Nähe zur Weimarer Klassik und zur Aufklärung verstehen. Diese Epoche überschneidet sich mit der Klassik. Viele romantische Dichter nahmen sich Johann Wolfgang von Goethe als Vorbild – seine Werke sprachen im Sturm und Drang das Naturgenie und die Ich-Zentriertheit an.

In "Der Sandmann" lässt sich dies zum Beispiel auch an Nathanaels hoher Emotionalität erkennen. Die Weimarer Klassik mit ihrer Forderung nach einem rationalen Umdenken und einem Ausgleich zwischen Vernunft und Naturgenie brachte die Romantiker dazu, ihre Ideale neu auszurichten.

"Der Sandmann" – Thema Aufklärung vs. Romantik

Die Aufklärung diente den romantischen Künstlerinnen und Künstlern als negative Vorlage. Hier forderte man die Vernunft als zentrale Instanz im Menschen, welche die Gefühle und die Emotionalität in den Hintergrund stellen sollte. Nur so sei ein autonomes und selbst bestimmendes Leben möglich. Diese Ansätze lassen sich in der Figur der Clara erkennen, die Nathanaels Ängste zunächst als Hirngespinste abtut und ihm rät, stattdessen vernünftig zu sein.

Doch wenn man die Figur Clara genauer betrachtet, kann erkannt werden, dass sie der Emotionalität und dem Künstlergenie nicht abgeneigt ist. Vernunft und Gefühl sollen ihr zufolge eine Einheit bilden, die Poesie soll Kunst und Wissenschaft miteinander vereinen.

Nathanael bildet mit seiner Selbstbezogenheit sowie steigenden Entfremdung den Gegenpol zu Clara und wird zur tragischen Figur in der Geschichte. Durch E.T.A. Hoffmanns hier dargestellter Kritik an der Romantik kann der Autor weder eindeutig zum aufklärerischen noch zum romantischen Block zugeordnet werden. Der Sandmann nimmt damit im Kontext der literarischen Epoche der Romantik eine Sonderstellung ein.

"Der Sandmann" – Thema Schwarze Romantik

Der Protagonist Nathanael verfällt dem Wahnsinn, da er durch die Figurenkonstellation Coppelius/Coppola seine Autonomie einbüßt. Am Ende ist seine Wandlung so radikal, dass er von psychotischen Assoziationen geplagt wird und keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich vom Turm zu stürzen. Es ist dem Leser nicht klar, ob hier psychische Traumata oder wirklich der Einfluss dunkler Mächte auf den Helden einwirken.

Vor allem dunkle Mächte, das Unheimliche und Unerklärbare bilden die zentrale Faszination der Schwarzen Romantik (Unterströmung der Romantik). Hoffmann gilt als Begründer dieser literarischen Strömung in Deutschland. Das Unbewusste und seine Bedeutung als treibende Kraft hinter dem Menschen ist zu dieser Zeit noch vor den Erkenntnissen des Psychologen und Arztes Sigmund Freud eine Faszination für die Leser.

"Der Sandmann" Motive – Das Augenmotiv

Die gemeinsame Arbeit des Advokaten Coppelius und Nathanaels Vaters hat eine ganz besondere Wirkung auf den jungen Nathanael. Denn er ist als Augenzeuge der alchemistischen Experimente wie verzaubert, was ein zentrales Motiv (Autonomieverlust) in Hoffmanns Werk darstellt. Dieser seelische Zustand sorgt dafür, dass Nathanael keine Kontrolle mehr über seine Handlungen hat.

Er merkt zudem, dass sein Vater beim Experimentieren immer mehr Coppelius ähnelt, was in ihm eine gesteigerte Angst auslöst. Durch den unheimlichen Ausruf nach den Augen stürzt Nathanael aus seinem Versteck und wird dadurch entdeckt. Ab diesem Moment verläuft die Erzählung auf einer fantastischen Ebene – sie scheint für den Leser nicht mehr rational. Coppelius packt den Jungen, wirft ihn auf den Herd und droht ihm damit, die Augen zu entfernen und ihm mit heißer Glut die Augenhöhlen zu verbrennen.

Die Augen sind nicht nur Organe, sondern symbolisieren in der Erzählung zugleich das zentrale Motiv der Epoche der Aufklärung – sie stehen für Vernunft und Rationalität. Der Verlust dieser Fähigkeiten ist fatal. Als der Advokat auch noch die Hände und Füße des Jungen abschraubt, nur um sie beim Jungen an anderer Stelle wieder einzusetzen, wird dem Leser klar, dass Nathanael hier seinen Wahnvorstellungen erliegt.

Die gesamte Erzählung hat eine starke psychoanalytische Komponente, wodurch sie noch heute sehr aktuell ist. Das Innere des Menschen beeinflusst seine Handlungen in der realen Welt. Dies steht in der Epoche der Romantik als Kontrast zu den Idealen der Aufklärung. Hier soll die Vernunft den Menschen leiten und das innere Leben, die Seele und damit auch das Triebhafte in den Hintergrund stellen.

Nathanaels Zusammenbruch als Form der Kritik

Hoffmann kritisiert sowohl die Ideale der Romantik als auch die Motive des Sturm und Drang. Er bricht mit den Traditionen des Naturgenies und der einsamen Künstlernatur, indem er sie kritisch darstellt. Der Protagonist findet keine wahre Liebe – zeitgleich distanziert er sich von der Gesellschaft und die Gesellschaft von ihm. Der Leser ahnt bereits in der Mitte der Erzählung, dass Nathanael am Ende ein schreckliches, vernichtendes Schicksal bevorsteht.

Diese Kritik wird am Niedergang des Individuums verdeutlicht: Die Liebe Nathanaels zu Olimpia gilt in Wirklichkeit nicht ihr, sondern sich selbst. Ihre kalten und starren Augen agieren als eine Art Spiegel, die ihm seine eigenen Ideale sowie Träume zeigen und auf die er sein eigenes Wesen projizieren kann. Er distanziert sich zunehmend von der Gesellschaft, da er hier mit seinem Verhalten nur noch auf Unverständnis stößt und nicht die Anerkennung erhält, die er sich erhofft. Seine Gedanken kreisen nur noch um sich selbst. Infolgedessen führt sein mittlerweile wahnhafter Zustand zu einer psychischen Instabilität – ein kleiner Reiz reicht aus, damit er vollkommen die Fassung verliert.

Das frühkindliche Trauma Nathanaels hat einen gewissen Grundreiz erzeugt, der in der späteren Künstlernatur des Studenten zunächst unbemerkt schlummert. Seine Affinität zu fantastischen Geschichten, welche er sich in seiner Kindheit aneignet, bestärkt diese sensible Künstlernatur und seinen Hang zum Mythischen. Zwar scheint Nathanael am Ende zunächst genesen, aber in Wirklichkeit hat er seinen Wahnsinn nur zu unterdrücken versucht.

Claras Bemerkung über einen seltsamen, grauen Busch reicht aus, um Nathanaels Fantasie anzukurbeln. Er assoziiert mit dem scheinbar harmlosen Busch den Advokaten Coppelius, welcher in seiner Kindheit die Familie immer wieder besuchte und dabei seinen aschgrauen Rock trug. Diese eher unauffällige Gemeinsamkeit ist der Auslöser, der das Fass in Nathanaels Psyche zum Überlaufen bringt.

Die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung des künstlerischen (und genialen) Dichters wandelt sich hier – entgegen der Epoche des Sturm und Drang – drastisch ins Negative. Sie ist nicht mehr bewundernswertes Ziel, sondern kann das menschliche Individuum zerstören.

Damit warnt Hoffmann seine Leserschaft davor, sich nicht absolut mit der isolierten und sensiblen Künstlernatur auseinanderzusetzen, sondern gleichzeitig auch die gesellschaftlichen und sozialen Konventionen zu achten.

Das Rätsel um den Advokaten Coppelius und den Wetterglashändler Giuseppe Coppola

Einen weiteren zentralen Aspekt der Geschichte bildet die Frage, ob es sich bei Coppelius und Coppola um ein und dieselbe Person handelt. Zu Beginn der Handlung schreibt Nathanael an Lothar darüber, in dem Wetterglashändler Giuseppe Coppola den "grässlichen" Advokaten Coppelius wiedererkannt zu haben, der Nathanael ein schweres Kindheitstrauma zugefügt hatte und vermeintlich für den Tod des Vaters verantwortlich ist.

Seine Verlobte Clara schafft es durch ihr Wirken und Zusprechen, es handle sich nur um Hirngespinste, Nathanael wieder zu stabilisieren und ihn zu beruhigen. Als er jedoch das verzerrende Perspektiv des Wetterglashändlers erwirbt, wird Nathanael rückfällig, da er sich durch die Betrachtung der Automatenpuppe Olimpia und der daraus folgenden Projektion seiner selbst entgegen den Warnungen der Gesellschaft isoliert.

Somit verfällt er folglich dem Wahnsinn, als er erfährt, dass seine Muse und scheinbar der einzige Mensch, der dazu in der Lage ist, seine sensible Künstlernatur zu verstehen, nur ein seelenloser Automat ist. Die Familie schafft es jedoch wieder, ihn zurückzuholen und positiv auf ihn einzuwirken. Der Leser hat nun die Hoffnung, dass sich Nathanael psychisch stabilisiert hat und ihm ein glückliches Ende mit seiner Geliebten Clara bevorsteht.

Hoffmann beendet die Erzählung an dieser Stelle nicht, sondern lässt den Protagonisten rückfällig werden – sein Tod ist die einzige logische Konsequenz.

Es lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten, ob es sich bei Coppola und Coppelius um dieselbe Person handelt. Dafür sorgt auch der Ich-Erzähler, auf den sich der Leser eigentlich komplett verlassen müsste. Er tritt zwar auktorial auf, schafft es aber nicht, eine eindeutige Trennung zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Realität und Fantasie herzustellen.

Mit seinem Werk Der Sandmann äußert E.T.A. Hoffmann eine Art Warnung an den Leser: Der komplette Rückzug aus der Gesellschaft sowie die obsessive Beschäftigung mit sich selbst führe zum Verlust der Selbstständigkeit und infolgedessen zum Verlust der eigenen Freiheit. Andererseits bleibe die Frage offen, ob es nicht doch äußere, ja dunkle Mächte gäbe, die das Geschehen lenkten.

In diesem Fall fordert Hoffmann den Leser dazu auf, die eigenen Vorstellungen von Realität zu hinterfragen.

Werdegang von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann

Geboren am 24. Januar 1776 in Königsberg, zeigte ETA Hoffmann schon in frühester Kindheit eine musikalische Begabung, welche durch die alleinerziehende Mutter gefördert wurde.

1792 begann er ein Studium der Rechtswissenschaften, wobei sich sein Fokus eher auf das künstlerische Schaffen richtete. Zunächst tendierte er sogar zu einer Karriere als Musiker – das bezeugen seine zahlreichen Symphonien.Trotzdessen legte er sein erstes Staatsexamen in Königsberg ab und arbeitete als Rechtsreferendar in Berlin.

Rückschläge und Hoffmanns erster

Obwohl er das zweite Staatsexamen mit sehr guten Noten abschloss, hatte er berufliche Probleme, da er sich immer wieder über Politiker und hochrangige Beamte lustig machte und sich selbst somit eine erfolgreiche Karriere verbaute.

Ab 1802 durchlitt er auch im Privatleben verschiedene Schicksalsschläge: Eine Zeit lang war er arbeitslos und auch sein künstlerisches Schaffen brachte ihm nicht den gewünschten Erfolg. Zudem verstarb seine einzige Tochter.

Ab 1808 arbeitete Hoffmann als Musikdirektor in Bamberg, wo er jedoch nach ein paar Monaten aufgrund unzureichender Leistung und interner Intrigen scheiterte.

Ein Jahr später erschien seine erste Erzählung "Ritter Gluck".

Ritter Gluck

Das Werk leitete Hoffmanns Karriere als Schriftsteller ein, wobei viele Motive, die der Verfasser auch in seinen späteren Werken übernahm, hier ihren Ursprung finden. In der kurzen Erzählung geht es um die Frage nach der wahren Identität eines Komponisten, der sich dem Ich-Erzähler am Ende als Ritter Gluck vorstellt.

Der Leser bleibt aber fragend zurück, da er nicht weiß, ob es sich bei der Offenbarung des Komponisten um die Wahrheit handelt oder nicht. Einige Deutungsansätze geben sogar an, der Ich-Erzähler hätte sich die Figur, mit der er interagiert hat, nur ausgedacht. Hier zeigte Hoffmann schon früh seinen Hang, Realität und Fantasie zu vermischen und damit seine Leser zu verwirren.

Entwicklung des Schreibstils

Er kehrte zwar nach dem Sieg Preußens über Napoleon 1813 in den Staatsdienst zurück, intensivierte aber gleichzeitig sein literarisches Schaffen.

Zur selben Zeit änderte sich sein Erzählstil, welcher bis dato noch von den Idealen der Romantik geprägt war. Dabei rückten die Gefahren, die sich auf das künstlerische Genie während seines Schaffensprozesses auswirkten, in den Vordergrund. Die fantastische Vorstellungskraft braucht somit einen Ausgleich in der Wirklichkeit.

Der Sandmann

Diese Forderung Hoffmanns findet sich in Der Sandmann (1816) in der Figur des Protagonisten Nathanael wieder. Die zunehmende Idealisierung der Fantasiewelt führt hier zu gesellschaftlicher Ausgrenzung, psychischen Erkrankung und sogar zum Tod.

Einflüsse

Hoffmanns Erfolg als Autor von Schauergeschichten verdankte er nicht nur seinem Schreibstil, sondern auch den Ansätzen, die er in seinen Werken behandelte. Die Einflüsse zeitgenössischer Erkenntnisse aus der Medizin, Psychologie und anderer Naturwissenschaften zeigen sich in den Werken Hoffmanns in Form von grotesken Charakteren und Ereignissen. Die Grenzen zwischen Fantasie und Realität sowie Wahnsinn und Vernunft fließen stets ineinander. Mit diesen Themen fand er Zugang zu einem breiten Publikum.

Trotz der Popularität seiner Werke wurde sein konfuser Stil nicht selten auf eine mögliche Alkoholsucht zurückgeführt. 1822 verstarb E.T.A. Hoffmann im Alter von 46 Jahren an einer fortgeschrittenen Lähmung, die sich mehr und mehr seines Körpers bemächtigte und schließlich zu einer Atemlähmung führte. Indes war seine geistige Funktion nie durch die Krankheit eingeschränkt.

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Das Unheimliche, Mythische, Gefühlvolle und Wunderbare hat etwas mit der späteren Bedeutung des Begriffs ,,Romantik“ zu tun.  

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