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Abstraktionsprinzip

Wenn Du den einen oder anderen juristischen Text liest, wirst Du immer wieder auf eines der wichtigsten Prinzipien der Rechtslehre stoßen – dem Abstraktionsprinzip. Dabei ist das Abstraktionsprinzip nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der juristischen Praxis von enormer Bedeutung. 

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Wenn Du den einen oder anderen juristischen Text liest, wirst Du immer wieder auf eines der wichtigsten Prinzipien der Rechtslehre stoßen – dem Abstraktionsprinzip. Dabei ist das Abstraktionsprinzip nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der juristischen Praxis von enormer Bedeutung.

In dieser Erklärung kannst Du erfahren, was das Abstraktionsprinzip ist, wie sich dieses entwickelt hat und warum es so bedeutend und einzigartig ist.

Abstraktionsprinzip BGB

Das Abstraktionsprinzip ist einer der wichtigsten Grundsätze im Zivilrecht und wird durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geregelt. Dabei basiert das Abstraktionsprinzip auf dem Trennungsprinzip.

Das Trennungsprinzip bedeutet, dass das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft getrennt voneinander behandelt werden müssen.

Nach dem Trennungsprinzip wird bei Geschäften (z. B. bei einem Kaufvertrag) streng zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft getrennt. Teilweise ist es nicht einfach, die unterschiedlichen Rechtsgeschäfte getrennt voneinander zu betrachten, weil beide Geschäfte im Alltag häufig einem einzigen Vorgang zugrunde liegen.

Um dies besser zu verstehen, kann Dir folgendes Beispiel helfen:

Um ideal auf die nächste Klausur vorbereitet zu sein, möchtest Du Dir ein Buch zur Klausurvorbereitung für 9,99 € bei dem Buchhändler deines Vertrauens kaufen. Du gehst in die Buchhandlung und teilst dem Händler mit, welches Buch Du kaufen möchtest. Der Buchhändler zeigt Dir das Buch und teilt Dir mit, dass er Dir dieses für 9,99 € verkaufen wird. Somit schließt ihr einen Kaufvertrag ab.

Aufgrund des Trennungsprinzips stellt der Kaufvertrag ein Verpflichtungsgeschäft dar. Nachdem ihr euch einig geworden seid, geht ihr gemeinsam zur Kasse. Der Buchhändler übergibt Dir im Zuge des Kaufvertrages das Buch und Du übergibst wiederum das Geld in Höhe von 9,99 €. Diese beiden Vorgänge werden als dingliche Übereignung und als Verfügungsgeschäft bezeichnet.

Demnach liegen theoretisch bei einem Kaufvertrag immer 3 Geschäfte vor:

VorgangArt des Geschäfts nach dem Trennungs- und Abstraktionsprinzips
Einigung über den Kaufvertrag Verpflichtungsgeschäft
Übergabe und Übereignung der Kaufsache Verfügungsgeschäft
Übergabe und Übereignung des GeldesVerfügungsgeschäft

Das Trennungsprinzip wird für Dich verständlicher, wenn Du Dir vorstellst, dass das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich auseinanderfallen.

Du hast diesen Monat kein Geld mehr und vereinbarst mit Deinem Buchhändler, dass Du im nächsten Monat das für die nächste Klausur notwendige Buch kaufst. Dann hast Du jetzt schon den Kaufvertrag mit dem Buchhändler geschlossen (Verpflichtungsgeschäft). Die Übergabe und Übereignung des Buches und des Geldes erfolgt aber erst in einem Monat (Verfügungsgeschäft).

Zum Teil wird das Verpflichtungsgeschäft auch als kausales Geschäft bezeichnet, welches Grundlage für das Verfügungsgeschäft (abstraktes Geschäft) ist. Dabei können eine Reihe von Verträgen Verpflichtungsgeschäfte darstellen. Dazu gehören unter anderem:

  • Kaufvertrag (§ 433 BGB)
  • Mietvertrag (§ 535 BGB)
  • Schenkung (§ 516)
  • Werkvertrag (§ 631 BGB)
  • Darlehensvertrag (§ 488)

Wenn Du mehr über diese Vertragsarten erfahren möchtest, kannst Du Dir die Erklärung Verträge ansehen.

Abstraktionsprinzip Definition

Das Abstraktionsprinzip ist vom Trennungsprinzip zu unterscheiden und kann folgendermaßen definiert werden:

Das Abstraktionsprinzip baut auf der Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft auf und besagt, dass die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht unmittelbar die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes zur Folge hat und umgekehrt.

Damit eindeutiger wird, was Du Dir darunter vorstellen kannst, kannst Du Dir dieses Beispiel ansehen:

Stell Dir einmal vor, dass Dein 6-jähriger Bruder eine neue Spielekonsole gekauft hat. Das Verpflichtungsgeschäft (der Kaufvertrag) ist aufgrund des Alters des Jungen nichtig. Denn nach § 104 Nr. 1 BGB ist jeder unter 7 Jahre geschäftsunfähig. Somit ist der Kaufvertrag unwirksam. Davon bleibt aber das Verfügungsgeschäft, also die Übergabe der Spielekonsole und die Bezahlung, unberührt und damit wirksam. Das Verfügungsgeschäft wird durch das Abstraktionsprinzip unabhängig vom Verpflichtungsgeschäft beurteilt.

Falls Du Dich fragst, ob Dein Bruder das Buch behalten darf, obwohl der Kaufvertrag unwirksam ist, dann ist das nicht der Fall. Innerhalb des BGB regeln die §§ 812 ff. BGB die Rückabwicklung solcher unwirksamen Verträge.

Abstraktionsprinzip einfach erklärt

Einfach erklärt, werden durch das Abstraktionsprinzip folgende Regelung getroffen:

  • unabhängige Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften

Das hat zur Folge, dass die Nichtigkeit eines Verfügungsgeschäfts nicht gleichzeitig bedeutet, dass auch das Verpflichtungsgeschäft nichtig und damit unwirksam ist. Dasselbe gilt andersherum.

Abstraktionsprinzip Beispiel

Damit Du Dir die Auswirkungen des Abstraktionsprinzips besser vorstellen kannst, kannst Du Dir dieses Beispiel ansehen:

Die Verkäuferin Lena schließt mit dem 15-jährigen Tom einen Kaufvertrag über ihren gebrauchten Fernseher zu einem Preis von 150 €. Nach der Zahlung des Kaufpreises übergibt Lena ihm den Fernseher. Die Eltern von Tom wissen nichts von dem Kaufvertrag und sind entschieden dagegen, als sie davon erfahren.

Frage: Welche Auswirkungen hat die Minderjährigkeit von Tom auf die Wirksamkeit des Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft?

Das Verpflichtungsgeschäft, also der Kaufvertrag, verpflichtet Tom dazu, den Kaufpreis zu zahlen, sodass er nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Daher ist das Verpflichtungsgeschäft nach den Regelungen der §§ 107 ff. BGB unwirksam.

Getrennt davon zu betrachten ist das Verfügungsgeschäft, also die Übereignung des Eigentums an dem Fernseher von Lena an Tom. Sie haben sich geeinigt, dass das Eigentum übertragen werden soll und Lena hat ihm den Fernseher übergeben. Da das Verfügungsgeschäft keine Verpflichtungen für Tom begründet, ist es rechtlich lediglich vorteilhaft, sodass es wirksam ist.

Aufgrund des Abstraktionsprinzips hat die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht die Auswirkung, dass gleichzeitig das Verfügungsgeschäft unwirksam ist. Die Verfügung kann unabhängig von der zugrundeliegenden Verpflichtung wirksam bleiben.

Die Eigentumsübertragung (Verfügungsgeschäft) ist also zunächst weiterhin wirksam, wohingegen der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) unwirksam ist.

Durchbrechen des Abstraktionsprinzips

In bestimmten Konstellationen kann jedoch das Abstraktionsprinzip durchbrochen werden. Zwei Situationen sind zu unterscheiden:

  1. Vertragliche VereinbarungZum einen können die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts eine Bedingung für die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes darstellt.
  2. Fehleridentität des Verpflichtungs- und VerfügungsgeschäftsZum anderen können Fälle auftreten, bei denen sowohl das Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäft den gleichen Nichtigkeitsgrund haben, sodass beide Rechtsgeschäfte unwirksam sind (Fehleridentität). Solche Ausnahmen sind jedoch selten und werden nur angenommen, wenn die Anwendung des Abstraktionsprinzips unangemessen wäre.

Abstraktionsprinzip Hintergrund

Das Abstraktionsprinzip hat eine lange Tradition und wurde bereits im römischen Recht, insbesondere bei der Manzipation und der in iure cessio, angewendet.

Als Manzipation (lat. mancipatio; zusammengesetzt aus manus = Hand; capere = ergreifen) wird ein Vorgang der Eigentumsübertragung im römischen Reich verstanden.

So musste der Erwerber (Käufer) eines Gegenstandes oder eines Sklaven diesen vor Zeugen und vor den Augen des Verkäufers ergreifen und dabei den Erwerb mit einem bestimmten Ausspruch erklären. Ein solches Ritual kommt heute einem Verfügungsgeschäft gleich (z. B. der Übergabe der Kaufsache bei einem Kaufvertrag).

Die in iure cessio wird auch als Abtretung bezeichnet. Darunter wird das Verfügungsgeschäft sowohl zur Begründung als auch zur Aufhebung von Rechten verstanden.

Beide Rituale gelten bei vielen Historikern als Beleg für das Trennungs- und Abstraktionsprinzip römischen Recht. Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) griff diese Konzeption auf und entwickelte die Idee eines eigenständigen, abstrakten Vertrages (Verfügungsgeschäft), der vom kausalen Vertrag (Verpflichtungsgeschäft) zu unterscheiden ist. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurde die alte Rechtsordnung teilweise bekämpft und in diesem Zuge das Abstraktionsprinzip scharf kritisiert.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde in der DDR versucht, ein lebensnahes und verständliches Zivilrecht zu schaffen. So wurde in § 25 ZGB (Zivilgesetzbuch der DDR) festgelegt, dass das Eigentum an einer Sache bereits durch Kauf erlangt wird (beispielsweise im Rahmen eines Kaufvertrages) und demzufolge das Abstraktionsprinzip abgeschafft.

Auch wenn das Abstraktionsprinzip selbst in der Bundesrepublik immer wieder kritisiert wurde, hat es das deutsche Zivilrecht zusammen mit dem Trennungsprinzip bis heute geprägt, auch wenn es nach wie vor im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht direkt erwähnt wird.

Abstraktionsprinzip – Vorteile und Nachteile

Das Abstraktionsprinzip hat Vorteile und Nachteile. Wahrscheinlich fragst Du Dich, wofür das komplizierte Abstraktionsprinzip denn überhaupt gut ist.

Abstraktionsprinzip Vorteile

Grundsätzlich dient das Abstraktionsprinzip der Sicherheit im Rechtsverkehr, denn durch die Trennung und das abstrakte Betrachten von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, kannst Du trotz eines unwirksamen Vertrages (erst einmal) Eigentümer einer Sache bleiben. Dies kannst Du auch anhand des folgenden Beispiels nachvollziehen.

Du möchtest von Deiner Lieblingsband "Die Super-Smarties" ein sehr seltenes Poster kaufen und gehst dazu am 1. September in einen Fanshop. Mit einigem Verhandlungsgeschick einigst Du Dich mit dem Verkäufer Berthold auf einen Preis von 2400 €. Er möchte dir das Poster am 1. Oktober vorbeibringen.

Nachdem er Dir das Poster vorbeigebracht hat, zahlst Du 5 Tage später die 2400 €. Dabei erkennt Berthold, dass er sich im Vertrag verschrieben hat und das Poster eigentlich für 4200 € verkaufen wollte und ficht den Vertrag sofort an.

In der Zwischenzeit hat Deine beste Freundin Susi mitbekommen, dass Du im Besitz des einzigartigen Posters bist und hat Dir 3000 € angeboten, wenn Du es ihr verkaufst. Du nimmst das lukrative Angebot schweren Herzens an und übergibst das Poster an Susi, sodass zum Zeitpunkt der Anfechtung durch Berthold Susi bereits Eigentümerin des Posters geworden ist.

Der Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) zwischen Dir und Berthold ist aufgrund des Schreibfehlers unwirksam. Die Übereignung (Verfügungsgeschäft) des Posters an Dich, bleibt jedoch wirksam. Somit muss Susi sich dank des Trennungs- und Abstraktionsprinzips nicht zusätzlich informieren, ob der Kaufvertrag zwischen Dir und Berthold wirksam war und sie bleibt rechtmäßig Eigentümerin am Poster.

Abstraktionsprinzip Nachteile

Allerdings wird die Konzeption des Abstraktionsprinzips auch von Juristen immer wieder kritisiert, denn ein im Alltag einheitlicher Prozess wird in zwei Vorgänge fiktiv getrennt. Dies erscheint nicht nur kompliziert, sondern auch lebensfern und ist nur schwer zu vermitteln.

Abstraktionsprinzip in anderen Ländern

Sowohl das Trennungs- als auch Abstraktionsprinzip ist im Vergleich mit dem Zivilrecht anderer Länder sowohl im europäischen als auch internationalen Raum einzigartig und stößt immer wieder auf Verwunderung. Andere Rechtsordnungen sind hauptsächlich nach dem Einheitsprinzip konzipiert.

Nach dem Einheitsprinzip bilden der jeweilige Vertrag und die Übereignung eine rechtliche Einheit, sodass bei einer Unwirksamkeit generell das Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nichtig ist.

Durch die Einzigartigkeit und Gegensätzlichkeit zum verbreiteten Einheitsprinzips steht das deutsche Trennungs- und Abstraktionsprinzip einer Vereinheitlichung des Zivilrechts auf europäischer Ebene im Weg.

Abstraktionsprinzip - Das Wichtigste

  • Das Abstraktionsprinzip baut auf dem Trennungsprinzip auf.
  • Trennungsprinzip – das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft müssen getrennt voneinander behandelt und betrachtet werden.
  • Verpflichtungsgeschäft als kausales Geschäft, welches die Grundlage für das Verfügungsgeschäft schafft.
  • Abstraktionsprinzip – die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts hat nicht unmittelbar die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts zur Folge und umgekehrt.
    • unabhängige Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften.
  • Vorteil des Abstraktionsprinzips: Sicherheit im Rechtsverkehr.
  • Nachteil des Abstraktionsprinzips: ein im Alltag einheitlicher Prozess wird in zwei Vorgänge fiktiv getrennt und verkompliziert.
  • Das Abstraktionsprinzip ist zwar kompliziert, dient aber der Rechtssicherheit.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Abstraktionsprinzip

Als Abstraktionsprinzip wird die Unabhängigkeit der Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts von der Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts verstanden.

Das Abstraktionsprinzip kann einerseits durchbrochen werden, wenn die Vertragsparteien vereinbaren, dass die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts Bedingung für die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts ist oder wenn sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft von dem gleichen Nichtigkeitsgrund betroffen sind (Fehleridentität).

Das Abstraktionsprinzip dient der Sicherheit im Rechtsverkehr.

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