Ländlicher Raum - Definition
Ein Ländlicher Raum wird durch den Begriff Ländlichkeit definiert.
Unter Ländlichkeit versteht man das Gegenteil von Urbanität. Das Verständnis dieses Begriffes hat sich jedoch über Jahre hinweg gewandelt.
Abb. 1: Ländlicher Raum in Deutschland
Das Verständnis von Ländlichkeit vor einhundert Jahren war noch ein anderes als heute, da sich die Verhältnisse auch sehr geändert haben. Einige Stigmata, die Menschen selbst heute noch haben, sind, dass ländliche Räume
- relativ homogen sind,
- sich hinsichtlich der Wirtschafts- und Sozialstruktur klar von städtischen Gebieten abgrenzen lassen,
- eine kleine Bevölkerungsdichte haben,
- hauptsächlich in den Branchen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Bergbau aktiv sind,
- keine differenzierte Gesellschaft hinsichtlich Arbeitsteilung und Statusgruppen haben.
Verstädterung
Mit der Verstädterung und dem Eintreten der Moderne wurden die ländlichen Räume als rückständig abgestempelt. Gründe hierfür waren das niedrigere Einkommensniveau sowie die unterentwickelte Infrastruktur. Diese Bedingungen führten dazu, dass qualifizierte Arbeiter abgewandert sind, um in den neuen städtischen Industrien zu arbeiten.
Das Land wurde jedoch auch stark idealisiert. Es galt als unberührte Natur, wo die Menschen enge soziale Bindungen pflegten, da es oft Drei-Generationen-Haushalte gab.
Es entwickelte sich die Idee, dass sich moderne, urbane Lebensstile in ländlichen Gebiete ausbreiten sollten. Es sollte keine klare Grenze mehr geben zwischen dem Land und der Stadt. So entstand das Stadt-Land-Kontinuum.
Das Stadt-Land-Kontinuum bezeichnet den fließenden Übergang vom Land zur Stadt ohne klare Grenzen.
Ländlicher Raum Deutschland heute
Menschen in ländlichen Räume sind also – anders als oft dargestellt – kulturell genauso verschieden wie die Menschen in den Städten. Auch hier lassen sich von Ort zu Ort Unterschiede feststellen. Es gibt keinen typischen ländlichen Lebensstil. Was sich jedoch feststellen lässt, ist, dass es
- in ländlichen Räumen weniger Mietwohnungen gibt,
- die Haushalte durchschnittlich mehr Autos besitzen und
- die Bürger gesellschaftlich aktiver sind (zum Beispiel in Vereinen).
Es existiert außerdem keine typische ländliche Wirtschaftsstruktur in Deutschland. Das liegt daran, dass die Landwirtschaft in hochentwickelten Industriestaaten nur noch eine kleine Rolle spielt.
Die Probleme der ländlichen Räume in Deutschland werden auch im Artikel Disparitäten behandelt. Schau doch dort einfach mal vorbei!
Ländlicher Raum Deutschland - Abgrenzung und Typisierung
Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Merkmale, die früher vielleicht typisch für ländliche Räume waren, haben sich in der heutigen Zeit an die der Stadt angeglichen. So ist eine Unterscheidung zwischen den beiden Räumen deutlich schwerer. Meist werden siedlungsstrukturelle Merkmale zur Abgrenzung hinzugezogen, wie
- geringe Bevölkerungsdichte,
- kleine Gemeindegrößen,
- hoher Anteil an nicht besiedelter Fläche und
- große Entfernungen zu Zentren.
Häufig werden bei der Abgrenzung Stadt und Land verschiedene Indikatoren oder Schwellenwerte verwendet, sodass sich die Ergebnisse stark unterscheiden. Je nach Abgrenzung beträgt also der Anteil ländlicher Räume in Deutschland zwischen 35 und 95 Prozent der Fläche, auf der zwischen etwa zwischen 15 und 60 Prozent der Bevölkerung leben.
Zudem wird bei der Abgrenzung häufig nicht auf die Vielfalt der ländlichen Räume eingegangen oder das Stadt-Land-Kontinuum beachtet.
Das Thünen-Institut hat nun ein Modell erstellt, das dieses Problem der Abgrenzung aufheben soll. Der Ansatz soll dabei helfen, ländliche Räume abzugrenzen und zu typisieren.
Ländlicher Raum Deutschland - Der Thünen-Ansatz
Der Thünen-Ansatz schaut sich bei der Abgrenzung der ländlichen Räume von den städtischen Gebieten zwei wichtige Aspekte an. Zum einen will man mit diesem Ansatz herausfinden, welche Gebiete zum ländlichen Raum gehören. Dafür nutzt man den Ländlichkeitsindex.
Der Ländlichkeitsindex wurde eingeführt, um ländliche Räume von den dichter besiedelten Räumen abzugrenzen. Der Index misst Ländlichkeit anhand siedlungsstruktureller Merkmale wie der Siedlungsdichte oder Abgelegenheit.
Außerdem will man sehen, wie die ländlichen Räume typisiert sind. Dazu schaut man sich die sozioökonomische Lage an. Am Ende kann dann festgestellt werden, ob mehr Ländlichkeit gleichzeitig mehr sozioökonomische Probleme mit sich bringt oder nicht.
Ländlichkeit
Die Ländlichkeit eines Raumes wird im Thünen-Ansatz anhand siedlungsstruktureller Merkmale gemessen. So steigt die Ländlichkeit also an, je
- geringer die Siedlungsdichte,
- höher der Anteil land- und forstwirtschaftlicher Fläche,
- höher der Anteil der Ein- und Zweifamilienhäuser,
- geringer die Bevölkerungszahl im Umkreis besiedelter Flächen und
- abgelegener die Region von großen Zentren ist.
Um nun die ländlichen Räume abgrenzen zu können, wurde ein Schwellenwert festgelegt. Schwellenwerte sind jedoch nicht immer aussagekräftig, da auch hier vor allem Regionen, die nah am Schwellenwert liegen, nicht definitiv zugeordnet werden können.
Im Thünen-Ansatz wurden 361 Kreisregionen bestimmt. Mit dem oben genannten Ländlichkeitsindex konnten 267 davon als ländliche Räume bezeichnet werden. Dort leben etwa 47 Millionen Menschen aus Deutschland, also circa 57 Prozent der Bevölkerung, auf ungefähr 91 Prozent der Fläche des Bundesgebietes. Andere Zählungen, wie die des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, haben andere Schwellenwerte und Indizes und kommen daher auf andere Werte.
Sozioökonomie
Neben der Ländlichkeit werden die Räume auch noch hinsichtlich ihrer sozioökonomischen Aspekte untersucht. Es wird analysiert, wie gut oder schlecht die Verhältnisse der dort lebenden Menschen sind. So soll untersucht werden, ob mit einer hohen Ländlichkeit auch die Sozioökonomie schlechter wird.
Ergebnis des Thünen-Ansatzes
Die folgende Abbildung zeigt die Ergebnisse des Thünen-Ansatzes.
Abbildung 2: Thünen-Ansatz
Die Disparitäten, die viele Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands immer noch zwischen Osten und Westen herrschen, sind auch in der Grafik deutlich erkennbar. Die ländlichen Räume im Osten sind in den Farben dunkelblau und dunkelgrün, was beides für eine weniger gute sozioökonomische Lage steht. Dagegen befinden sich hauptsächlich im Süden Deutschlands ländliche Räume mit einer guten sozioökonomischen Lage.
Die Ergebnisse des Thünen-Ansatzes verdeutlichen zudem, dass zwischen der Ländlichkeit eines Raumes und der sozioökonomischen Lage kein Zusammenhang besteht. Nur aufgrund von Ländlichkeit kann also nicht auf bestimmte wirtschaftliche und soziale Merkmale geschlossen werden.
Natürlich stellt auch der Thünen-Ansatz und die obige Abbildung nur eine Vereinfachung der eigentlich herrschenden Verhältnisse dar. Die Raumstrukturen sind sehr vielfältig und es können auch Unterschiede innerhalb der einzelnen Typen bestehen.
Ländlicher Raum Deutschland - Das Wichtigste
- In Deutschlands Geschichte ließen sich Disparitäten zwischen Stadt und Land, sowie Osten und Westen feststellen.
- Es gibt heute keinen typisch ländlichen Lebensstil.
- Der Thünen-Ansatz ist ein Modell zur Abgrenzung und zur Typisierung ländlicher Räume.
- Der Thünen-Ansatz arbeitet mit den Dimensionen Ländlichkeit und Sozioökonomie.
- Ländlichkeit kann anhand von siedlungsstrukturellen Merkmalen, wie der Bevölkerungsdichte gemessen werden.
- Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Ländlichkeit eines Raumes und seiner Sozioökonomie.
Nachweise
- Abb. 1 - "Rotenberg Village" (https://live.staticflickr.com/8355/8318073992_704d8d80ab_b.jpg) von halbag unter der Lizenz von CC BY 2.0.
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Gabriel Freitas ist AI Engineer mit solider Erfahrung in Softwareentwicklung, maschinellen Lernalgorithmen und generativer KI, einschließlich Anwendungen großer Sprachmodelle (LLMs). Er hat Elektrotechnik an der Universität von São Paulo studiert und macht aktuell seinen MSc in Computertechnik an der Universität von Campinas mit Schwerpunkt auf maschinellem Lernen. Gabriel hat einen starken Hintergrund in Software-Engineering und hat an Projekten zu Computer Vision, Embedded AI und LLM-Anwendungen gearbeitet.
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