Waldorfschule – Entstehung der Waldorfpädagogik
Die Waldorfschule, auch Freie Waldorfschule oder Rudolf-Steiner-Schule genannt, wurde im Jahre 1919 von Rudolf Steiner mit der finanziellen Unterstützung von Emil Molts gegründet. Seither stellt die Waldorfpädagogik ein Konzept dar, das auf der anthroposophischen Menschenkunde – also den Mensch aus spiritueller Sicht bestehend aus Leib, Seele und Geist zu sehen – beruht.
Als erste Gesamtschule haben sie das Prinzip der Auslese – wie im vertikalen Schulsystem vorhanden – durch eine Pädagogik der Förderung ersetzt und folgen statt eines standardisierten einem entwicklungsorientierten Lehrplan.
„Das Kind soll in Ehrfurcht aufgenommen, in Liebe erzogen und in Freiheit entlassen werden“ – Rudolf Steiner
Waldorfschule – Konzept
Mit dem Konzept der “Freien Schule” haben die Waldorfschulen statt hierarchischer staatlicher Außenlenkung eine freiheitliche Verfassung: Sie verwalten sich also selbst durch Eltern und Lehrkräfte und einer pädagogischen Leitung, die wöchentlich an einer Lehrerkonferenz wahrgenommen wird.
Statt reiner geistiger Wissensaneignung stehen im Konzept der Waldorfpädagogik Schulungen auf vielerlei Ebenen im Vordergrund:
- Kreativität (musisch und künstlerisch)
- Handwerk
- Gymnastik
- Selbstständigkeit
- Handlungskompetenzen
- soziale Fähigkeiten
Kinder der Waldorfschule werden als Individuen wahrgenommen – mit unterschiedlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Bedürfnissen – und sollen zu freien, selbstbestimmten Menschen erzogen werden. Genau das spiegelt sich im Waldorf-Konzept wider:
- Schüler und Schülerinnen lernen vom ersten bis 13. Schuljahr gemeinsam im Klassenverband.
- In den ersten Schuljahren findet bildhafter Unterricht statt, um Fantasie und Geschicklichkeit anzuregen.
- Kein Leistungsdruck: Auf Sitzenbleiben oder die Notwendigkeit eines Schulwechsels wird verzichtet.
- Es gibt statt Notenzeugnissen Textzeugnisse mit detaillierten Beschreibungen der Leistung, des Fortschritts, der Begabung und Bemühung.
- Lernwege haben die gleiche Gewichtung wie die Ergebnisse selbst (“Der Weg ist das Ziel.”).
- Epochenunterricht: Zwei bis drei Monate gibt es täglich für zwei Stunden dasselbe Fach, um Wissen besser erfassen und begreifen zu können (nur in Fächern mit geschlossenen Inhalten wie Mathematik, Deutsch, Geschichte und Naturwissenschaften).
- Vielfalt an Fächern: Neben den klassischen Schulfächern gibt es jedes Schuljahr ein breites Angebot an Kunst, Handarbeit, Werken, Theater, Gymnastik und Gartenbau.
- Eurythmie: Übersetzt “Sprachlaute in Bewegung” – hier lernen Kinder ihren Körper kennen und entwickeln ein Gefühl für ihn und Raum.
- Bezugsperson: eine Lehrkraft betreut eine Klasse bis zu acht Schuljahren, um eine vertrauensvolle Beziehungsentwicklung zu fördern.
Waldorfschule – Namensgebung
Warum wird die Rudolf-Steiner-Schule eigentlich Waldorfschule genannt? Steiners Mitgründer Emil Molt war zu dieser Zeit Besitzer der Waldorf Astoria Zigarettenfabrik. Somit wurde die Schule nach der Fabrik bzw. ihrem Standort in Rheinland-Pfalz benannt.
Waldorfschule – Abitur
An einer Waldorfschule kann jeder staatliche Schulabschluss erlangt werden, so auch das Abitur in der 13. Klasse.
Jedes Bundesland verfügt über eigene Prüfungsregelungen, aber ein an der Waldorfschule erworbenes Abitur hat ausnahmslos dieselbe Gültigkeit wie das einer staatlichen Schule.
In den meisten Bundesländern liegt der Prüfungsvorsitz bei einer staatlichen Schule und es werden deutlich mehr Fächer geprüft als an staatlichen Schulen oder einer Waldorfschule mit staatlich anerkannter Oberstufe. In der Regel sehen die Abiturprüfungen folgendermaßen aus:
- Vier schriftliche Abiturprüfungen (vom zuständigen Ministerium gegeben und somit dieselben Klausuren wie an staatlichen Schulen)
- Vier mündliche Abiturprüfungen (meist als externe Prüfung durch Abnahme von Mitarbeitenden staatlicher Schulen, die prüfende Fachkraft bleibt jedoch die Waldorflehrkraft)
Waldorfschule – Kosten
Zwar erhalten Waldorfschulen in Deutschland staatliche Zuschüsse, da sie die Betriebskosten jedoch nur zum Teil decken, sind sie auf Schulgeldbeiträge der Eltern angewiesen. Weil jedes Bundesland eigene Regelungen hat, variiert der Elternbeitrag je nach Region und Schule stark. Der Durchschnitt des Regelsatzes liegt bei etwa 200 € pro Monat.
Damit kein Kind aufgrund der familiären finanziellen Situation vom Schulbesuch ausgeschlossen wird, kann das Elterngeld
- per Antrag (inkl. Finanzgespräch) ermäßigt werden, wenn Elternhäusern die Zahlung der vollständigen Summe nicht möglich ist
- oder es wird im Vorhinein ein einkommensabhängiger individueller Beitrag verlangt.
Waldorfschule – Kritik
Die Beliebtheit des Konzeptes der freien Waldorfschule wächst. Das liegt vor allem daran, dass Kinder die Möglichkeit haben, in ihrem individuellen Tempo zu lernen. Der Verzicht auf Vergleich durch Noten nimmt Kindern Konkurrenzgedanken und Leistungsdruck.
Dennoch bleibt auch die Waldorfschule nicht von Kritik verschont:
- Externe Schulabschlüsse werden doch wieder einheitlich mit Noten bewertet.
- Abschlussklausuren unterscheiden sich oft von den vorherigen Leistungsnachweisen.
- Eine über Jahre konstante Klassengemeinschaft und Lehrkraft kann dann zu Problemen führen, wenn sich ein Kind unwohl fühlt oder mit der Lehrkraft nicht zurechtkommt.
- Ein Wechsel auf eine reguläre Schule kann sich als schwierig herausstellen.
- Lehrkräfte benötigen nicht zwingend ein klassisches Lehramtsstudium und können auch aus anderen Bereichen kommen.
- Oftmals fehlen Grundkenntnisse in allen Bereichen, stattdessen werden Fähigkeiten in bestimmten Bereichen gefördert. Dabei können Lücken an anderen Stellen auftreten.
- Waldorfschulen scheinen oftmals noch stark einer anthropologischen Ideologie (nach Rudolf Steiner) zu folgen.
- Das Konzept scheint in einigen Bereichen altmodisch, wenn es beispielsweise um neue Lerntrends (wie zum Beispiel E-Learning) geht.
Ich muss gestehen, dass ich an einigen Kritikpunkten auch etwas Positives sehe. Es gibt wohl kaum eine Schulform, die perfekt ist. Jedoch hebt sich die Waldorfschule vom klassischen Bildungskonzept mit einigen Vorzügen ab und schafft es so, Kindern Raum zu schaffen, in denen sie sich fern von dem Leistungsdruck unserer Gesellschaft entfalten können.
Dass Kinder beispielsweise verstärkt in bestimmten Bereichen gefördert werden, ermöglicht ihnen, in die Tiefe zu gehen, statt sich nur oberflächlich damit zu befassen und ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten zu entwickeln.
Waldorfschule – Erfahrungen
Eltern entscheiden sich oft deshalb für eine Waldorfschule, um das Lernen zu entschleunigen. Und genau das bietet die Waldorfpädagogik fern von G8, Noten und Leistungsdruck.
Erfahrungen zufolge finden sich viele Kinder an einer Waldorfschule bestens zurecht, nachdem sie zuvor schlechte Erfahrungen an einer staatlichen Schule gemacht haben. Umfragen zufolge fühlen sich Schüler und Schülerinnen einer Waldorfschule weniger gestresst und gehen gerne zur Schule.
Ergebnisse einer Befragung von ca. 800 Lernenden konnten folgende Vorteile bescheinigen:
- größere Lernfreude
- höheres Selbstbewusstsein
- geringerer Schulstress
- weniger Schlafstörungen und Schulangst
Diese positiven Erfahrungen sind nicht nur während der Schulzeit von Vorteil, sie können auch dabei helfen, spätere Prüfungen in der Universität oder während einer Ausbildung ohne Druck, Angst und Stress zu meistern.
Waldorfschule – Fazit
Das, was an staatlichen Schulen oft so schwer erscheint, gelingt Waldorfschulen durch ein Konzept mit weniger Druck und mehr Wertschätzung sowie Zusammenhalt scheinbar ganz einfach.
Alternative Schulkonzepte wie das der Waldorfschule zeigen, dass Erfolg nicht durchgehend mit Stress und Leistungsdruck verbunden sein muss. Es ist möglich, mit Freude und Leichtigkeit zu lernen, zu wachsen und seinen eigenen, ganz persönlichen Lebensweg zu finden.
Letztlich müssen Eltern mit ihren Kindern selbst entscheiden, welche Schulform am besten passt. Auf jeden Fall bietet die Waldorfschule eine gute Alternative zu einer Regelschule. Aber auch Konzepte wie das der Montessori Schulen können in Betracht gezogen werden.