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Gap Junctions
Zell-Zell-Verbindungen für den Transport von Ionen und Molekülen
Ionotrope Rezeptoren
sind zugleich Rezeptoren und Ionenkanäle, die sich nach Binden des Rezeptors öffnen.
Metabotrope Rezeptoren
erfordern erst den Einsatz von Signalproteinen, um nach Andocken des Transmitters die Ionenkanäle zu öffnen.
Diencephalon
wird auch Zwischenhirn genannt und besteht aus Epithalamus, Thalamus und Hypothalamus.
Lipophile
sind fettlöslich und binden an die DNA innerhalb der Zelle
Plastizität
Die Fähigkeit der Synapsen, sich aufgrund wiederholter Reizung nachhaltig zu verändern.
Deploarisation
Währenddessen öffnen sich die Ionenkanäle, der Spannungsunterschied sinkt und ein EPSP entsteht.
Kotransmitter
haben eine modulierende Wirkung auf Neurotransmitter und bestimmen Intensität und Dauer der Wirkung mit.
Sympathikus
innerviert die Organe in Anspannungs- und Stresssituationen und löst die entsprechenden vegetativen Reaktionen aus.
GABA
ist der am häufigsten vorkommende inhibitorische Transmitter.
Alles-oder-Nichts-Prinzip
Ein Aktionspotenzial folgt dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Es steigt also nicht graduell, sondern sprunghaft, sobald die Potenzialschwelle überschritten ist.
Aktiver Ionentransprot
Ionen passieren die Membran mithilfe von zugefügter Energie, meist in Form von ATP.
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Jetzt loslegenLektion 1: Einführung in die biologische Psychologie
1.1 Einfürhung und Begriffsbestimmung
Jeder Gedanke, jede Handlung und jede Emotion basiert auf biologischen Prozessen. Zum Lesen dieses Textes benötigt man seine Augen und Hände, die durch biologische Prozesse gesteuert werden. Das Lernen für die Prüfung ist nur durch biologische Veränderungen im Gehirn möglich. Bei Angst erhöht sich der Herzschlag. Koffein, Alkohol oder andere psychotrope Substanzen haben Einfluss auf unser Verhalten und Erleben, indem sie beispielsweise die Konzentration verbessern oder die Wahrnehmung verzerren. Auch alltägliche Erfahrungen können Veränderungen biologischer Prozesse verursachen und langfristig Verhaltensweisen, Emotionen und Gedanken beeinflussen.
In der biologischen Psychologie – kurz: Biopsychologie:
Der Zusammenhang zwischen Psyche und Physis wird bereits seit Jahrhunderten diskutiert. Anfangs wurde das sogenannte „Leib-Seele-Problem“ insbesondere durch René Descartes (1596–1650) mit dem Dualismus geprägt, also mit einer strikten Trennung zwischen diesen beiden Kategorien. In heutiger neurowissenschaftlicher Sicht wird das Thema weiterhin diskutiert, jedoch werden die beiden Einheiten nicht mehr voneinander getrennt betrachtet, sondern als unterschiedliche Aspekte vom selbigen Prozess. Dies wird auch als sogenannter Mind-Brain-Isomorphismus beschrieben. So stellt etwa die Aktivität der Amygdala, die im Gehirn eine Art Alarmknopffunktion innehat, den biologischen Prozess, die empfundene Angst hingegen das gleichzeitige subjektive Erleben dar.
Darauf haben viele Prozesse einen bedeutenden Einfluss, darunter auch erblich bedingte Faktoren – unsere Gene spielen nicht nur eine wichtige Rolle für unser Aussehen, sondern können auch beispielsweise unsere Intelligenz oder Persönlichkeit beeinflussen. Hinzu kommen evolutionäre Faktoren, die für eine Selektion bestimmter Eigenschaften gesorgt haben. Ebenso können Veränderungen biologischer Prozesse durch Umwelteinflüsse, körperliche Defizite und Hormonveränderungen unsere Verhaltensweisen und psychisches Befinden mitbestimmen.
Die biologische Psychologie untersucht diese Vielzahl an Prozessen mithilfe verschiedener Methoden, um einen wichtigen Beitrag zum Verständnis unseres Verhaltens zu leisten. Zur Untersuchung der Interaktion von Psyche und Physis werden drei grundlegende Forschungsansätze verwendet:
1. Der korrelative Ansatz
2. Die Variation physiologischer Variablen
3. Die Variation psychologischer Variablen
Die Biopsychologie bedient sich bei der Anwendung der verschiedenen Forschungsansätze unterschiedlicher Ebenen der Analyse, um die Zusammenhänge zwischen Physis und Psyche mithilfe von verschiedenen Techniken zu untersuchen. Die Analysen variieren von den Interaktionen mit anderen Menschen auf Verhaltensebene, über Analysen bestimmter Gehirnareale bis hin zur molekularen Ebene in Zusammenarbeit mit Biologen. Aufgrund des enormen technischen Fortschritts in den letzten Jahrzehnten haben die technischen Möglichkeiten für die unterschiedlichen Analysen zugenommen und zu weitreichenden Fortschritten und Verbesserungen innerhalb der psychobiologischen Forschung beigetragen.
1.2 Teildisziplinen
Die Neurowissenschaften befassen sich im Allgemeinen mit Prozessen des gesamten Nervensystems von Menschen und Säugetieren. Der Fokus liegt hierbei auf dem Aufbau und der Funktion neuronaler Systeme. Dies beinhaltet insbesondere Forschung im Bereich der Neuronen und des Gehirns hinsichtlich zellulärer, funktionaler, evolutionärer, molekularer und medizinischer Aspekte.
Sie stellt einen interdisziplinären Forschungsbereich dar, was bedeutet, dass die Neurowissenschaften verschiedene Forschungsdisziplinen vereinen, wie z. B. Biologie, Ingenieurwesen, Mathematik, Chemie, Physik und Psychologie. Dementsprechend beinhalten die Neurowissenschaften eine Vielzahl von Teildisziplinen und Überschneidungen mit anderen Bereichen, zu der u. a. die Neurochemie, die Neuroinformatik, die Neuroanatomie, die Neuroendokrinologie, die Neuroimmunologie, die kognitiven Neurowissenschaften oder auch die Biopsychologie gehört.
Innerhalb der Neurowissenschaften spielen u. a. die Kognitionen eine große Rolle, die in den letzten Jahrzehnten in der Forschung zunehmend an Relevanz gewonnen haben. Somit hat sich die kognitive Neurowissenschaft als Teilgebiet der Neurowissenschaften entwickelt, das sich auf die spezifische Untersuchung kognitiver Prozesse mit neurowissenschaftlichen Methoden fokussiert. Somit bildet sie eine bedeutende Schnittstelle zwischen den Neurowissenschaften und Teilgebieten der biologischen Psychologie. Ein enger Zusammenhang besteht insbesondere zur Neuropsychologie und zur Psychophysiologie, die im weiteren Verlauf dieser Lektion erläutert werden.
Die kognitiven Leistungen eines Menschen umfassen alle informationsverarbeitenden Strukturen und somit verschiedene Funktionen wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Denken, Vorstellung, Handeln und Reagieren, Problemlösen, Aufmerksamkeit und Sprache.
Die kognitive Neurowissenschaft interessiert sich dabei primär für die zugrundeliegenden Abläufe jener komplexen kognitiven Prozesse und ihrer neuronalen Korrelate. Demnach arbeitet sie weitestgehend grundlagenwissenschaftlich, was bedeutet, dass sie als Ziel hat, universelle Erklärungsmodelle und grundlegende Theorien für bestimmte Phänomene zu entwickeln. Jedoch bekommen in den letzten Forschungsentwicklungen in der kognitiven Neurowissenschaft auch zunehmend spezifische Anwendungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse Aufmerksamkeit, die allerdings weiterhin nur einen kleinen Teil der Forschung ausmachen.
Aufgrund der enormen technischen Fortschritte der letzten Jahre hat sich die Anzahl der möglichen Verfahren der Forschung zunehmend erweitert und es kommt eine Vielzahl spezifischer Methoden der funktionellen Bildgebung, invasiven und nicht-invasiven Gehirnstimulationen, Analysen von Gehirnläsionen oder auch elektrophysiologische Verfahren in Experimenten am Mensch und Tier zum Einsatz. Beispielhafte Forschungsthemen der kognitiven Neurowissenschaft sind v. a. die Untersuchungen von den betroffenen neuronalen Aktivitäten mittels funktioneller Bildgebungen während des Lösens einer Matheaufgabe, Aufmerksamkeitsaufgaben, Belohnungslernen oder Entscheidungsverhalten.
In der Biopsychologie steht die Erforschung von biologischen Korrelaten zu menschlichem Verhalten und Erleben als Forschungsschwerpunkt zentral. In Abgrenzung zur reinen Biologie, Neurologie, Medizin oder Humanbiologie bezieht sich die Biopsychologie jeweils auf psychologische Phänomene und versucht, Prozesse aus psychologischer und biologischer Perspektive in Zusammenhang zu bringen.
Im angelsächsischen Sprachraum wird für die Biopsychologie bereits vermehrt das Synonym „Behavioral Neuroscience” verwendet, was den engen Zusammenhang und die starken Überschneidungen zu den Neurowissenschaften (im englischen „neuroscience”) im Bereich der Forschung von Verhalten (im englischen „behavior”) betont.
Der Biopsychologie sind wiederum eine Reihe von Teildisziplinen zugeordnet, die sich größtenteils hinsichtlich der Thematik und Methodik innerhalb der neurowissenschaftlichen Forschungsarbeit unterscheiden. Jedoch lassen sich jene Gebiete nicht immer deutlich voneinander trennen und unterscheiden, da sie viele thematische und methodische Überschneidungen aufzeigen. Zudem haben sich die einzelnen Disziplinen im Laufe der Zeit stetig verändert, sodass in einem dynamischen Prozess neue Teildisziplinen entstanden, andere wiederum zu eigenständigen wissenschaftlichen Disziplinen eines anderen Faches oder gar irrelevant wurden. Auf diese Weise sind sie nicht als deutlich abgrenzbare und statische Teilgebiete zu sehen, sondern als Schwerpunkte und Spezialisierungen innerhalb der Vorgehensweise und Thematik in der Forschung. In der Fachliteratur wird teilweise weiterhin versucht, die Teildisziplinen deutlich voneinander abzugrenzen und ihnen jeweilig spezifische Forschungsmethoden und Thematiken zuzuordnen. Im Forschungsalltag sind die Überschneidungen zwischen den Teildisziplinen jedoch häufig so groß, dass dort in der Regel keine klare Zuordnung einer Forschungsmethode zu einer spezifischen Teildisziplin gegeben ist. Demzufolge sind die folgenden Einteilungen lediglich als Orientierung für ein besseres Verständnis der Schwerpunkte der einzelnen Teildisziplinen zu verstehen.
Die folgende Grafik gibt einen Überblick über eine Auswahl unterschiedlicher Teildisziplinen der biologischen Psychologie mit ihren jeweiligen methodischen und thematischen Interferenzen mit anderen Gebieten:
Physiologische Psychologie
Psychophysiologie
Möglichkeiten, die Funktionsweise des Gehirns zu untersuchen:
Untersuchte Prozesse:
Da überwiegend Veränderungen auf psychischer Ebene angestrebt werden, besteht die Forschung primär aus nicht-invasiven Methoden und es werden Menschen als Untersuchungsobjekt gewählt. Auch wenn dies einen Schwerpunkt der Psychophysiologie darstellt, können im Forschungsalltag ebenso invasive Methoden verwendet oder auch Experimente mit physiologischen Prozessen als unabhängige Variable durchgeführt werden. Auch die Psychophysiologie arbeitet grundlagenwissenschaftlich und anwendungsorientiert. Demnach befasst sie sich neben der Bildung von grundlegenden Theorien auch mit Lösungsansätzen spezifischer und angewandter Probleme.
Neuropsychologie
Beispiel:
die Aphasie stellt eine kognitive Funktionsstörung dar, die innerhalb der Neuropsychologie untersucht wird. Betroffene Patienten mit einer Aphasie haben aufgrund einer pathologischen Veränderung in einem bestimmten Bereich des Gehirns eine Schädigung in Sprachverständnis und/oder -produktion in unterschiedlichem Ausmaß erworben. Sie sind demnach je nach Lokalisation der Hirnschädigung z. B. nicht mehr in der Lage, andere Personen zu verstehen oder in eigener Sprache das auszudrücken, was sie sagen möchten.
Psychopharmakologie
Auch der Effekt von Verhalten und Erleben auf die chemischen Prozesse im Körper als abhängige Variable kann mithilfe von speziellen Methoden gemessen werden. Die chemischen Prozesse werden jedoch häufig als intervenierende Variable betrachtet, die zu einer messbaren Veränderung auf Verhaltensebene oder im somatischen Bereich beitragen. Die Psychopharmakologie hat weitestgehend eine therapeutische Zielsetzung, um beispielsweise mithilfe von Medikamenten psychische Störungen zu verringern. Die Psychopharmakologie lässt sich sowohl in der Grundlagen- als auch in der anwendungsorientierten Forschung einordnen.
Einen wichtigen Bereich der Verhaltensgenetik stellt die Epigenetik dar. Diese beschreibt einen Mechanismus, der zu einer unterschiedlichen Ausprägung von Geninformationen führen kann. Dies bedeutet in der Psychologie, dass die Gene ihre gespeicherten Informationen durch unterschiedliche Faktoren wie äußere emotionale oder soziale Einflüsse in veränderter Ausprägung ablesen. Die Forschung innerhalb der genetischen Psychologie befasst sich darüber hinaus mit einer Vielzahl weiterer Themenbereiche und nutzt hierzu häufig Zwillingsstudien und in diesem Zusammenhang Adoptionsstudien. Man erhofft sich durch die genetisch sehr ähnlichen Informationen bei Zwillingen vergleichen zu können, inwiefern bestimmte Faktoren auf die Genetik oder auf Erfahrungen zurückzuführen sind.
Hinzu kommen die folgenden Teildisziplinen der biologischen Psychologie, die v. a. von historischer Bedeutung sind und in der heutigen Neurowissenschaft immer weniger Anwendung finden.
Evolutionspsychologie
Somit stellt jeder heutige Organismus eine Art mit einer Vielzahl Mechanismen dar, die sich über viele Generationen gegenüber weniger funktionalen Mechanismen durchgesetzt hat. Die Evolutionspsychologie versucht hierbei psychologische Mechanismen zu finden, die in der evolutionären Vergangenheit des Menschen für adaptive Probleme eine Lösungsmöglichkeit und einen Vorteil in der Reproduktion oder zum Überleben dargestellt haben. Zur Erklärung verwendet die Evolutionspsychologie empirische Befunde und evolutionstheoretische Modelle. Ihr Ziel ist es, auf Basis der Befunde und Modelle bestimmte kontextgebundene psychische Prozesse und schließlich Verhalten zu erklären und antizipieren.
Ein Beispiel für einen evolutionären psychologischen Mechanismus wäre etwa die Angst vor Schlangen. Auf der Grundlage unterschiedlicher Experimente kann von einer genetischen Prädisposition von Angst vor Schlangen aufgrund eines Überlebensvorteils ausgegangen werden. Die Evolutionspsychologie ist grundlagenwissenschaftlich einzuordnen.
Vergleichende Psychologie
Primär werden auf Basis dieser systematischen Beobachtungsdaten die Verhaltensweisen von Menschen(-gruppen), Kulturgruppen und Tieren verglichen, um Rückschlüsse über Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestimmter Funktionen zu schließen. Es wird das Ziel verfolgt, ein besseres Verständnis der evolutionsbedingten Grundlagen unseres Verhaltens zu erwerben sowie darüber, was den Menschen als Spezies ausmacht bzw. von den anderen Arten unterscheidet. Die vergleichende Psychologie basiert dabei auf der Annahme, dass einige grundlegende Verhaltensweisen unspezifisch für bestimmte Spezies sind und sich somit auf andere Arten übertragen lassen. Die vergleichende Psychologie arbeitet nicht-invasiv und grundlagenwissenschaftlich. Ein bekanntes Beispiel der Anwendung von vergleichender Psychologie ist die Studie von Gibson und Walk (1960): Sie demonstrierten anhand eines visuellen Abgrundes, dass Babys die Fähigkeit besitzen, Tiefe wahrzunehmen, sobald ihre Motorik ausreichend entwickelt ist. Dieselben Ergebnisse zeigte das Experiment mit verschiedenen Tierarten, folglich entstand die Annahme einer artenunspezifischen charakteristischen Verhaltensweise als Anpassung an den Lebensraum.
Humanthologie
Um angeborene Verhaltensweisen untersuchen zu können, schließt sie die Untersuchung und Vergleiche bestimmter Gebräuche eines Volkes, einzelner Volksmitglieder, verhaltensgeschädigter Menschen und von Primaten ein. Die Untersuchungen werden methodisch mithilfe von Untersuchungen mit Observation, direkter Beobachtung und Analysen durchgeführt. Die Humanethologie ist grundlagenwissenschaftlich einzuordnen und forscht nicht-invasiv am Menschen sowie an Primaten. Eine beispielhafte Studie zur Humanethologie stellt der Vergleich von taubblinden Kindern mit diesbezüglich gesunden Kindern dar, die trotz ihrer Unfähigkeit zu sehen und zu hören ein ähnliches Ausdrucksverhalten und eine ähnliche Schreckreaktion aufzeigen.
Lektion 2: Somatische Grundlagen
2.1 Zellulärer Aufbau des Nervensystems
Das menschliche Nervensystem ist ein engmaschiges Netzwerk, das maßgeblich für die Informationsweiterleitung innerhalb von Körper und Gehirn verantwortlich ist und somit das menschliche Denken, Entscheiden und Handeln maßgeblich mitbestimmt. Es besteht hauptsächlich aus zwei zellulären Bestandteilen: Neuronen und Gliazellen.
Neuronen:
Neuronen sind von einer semipermeablen Zellmembran umschlossen. Jedes besteht aus drei Teilen: dem Zellkörper (auch Soma genannt), Dendriten und Axonen.
Soma
Endoplasmatisches Reticulum
Mitochondrium
Glogi-Apparat
Dendriten
Geschichtlicher Hintergrund der Neuronentheorie
Im Verlauf der Entdeckung von Neuronen herrschte ein erbitterter Konkurrenzkampf zwischen zwei Wissenschaftlern, die unterschiedliche Theorien über den Zusammenhang von Neuronen im Gehirn vertraten. Der italienische Wissenschaftler und Arzt Camillo Golgi entwickelte die sogenannte Golgi-Färbung, eine Lösung aus Silbernitrat, die es erstmalig ermöglichte, unter dem Mikroskop einzelne Neuronen zu erkennen. Die Erkenntnis aus seinen Untersuchungen ergab, dass die durch die Färbung sichtbaren Nervenstrukturen keine einzelnen, unabhängigen Einheiten waren, die Informationen austauschen, sondern ein zusammenhängendes elektrisches Netzwerk darstellen. Der jüngere spanische Wissenschaftler Santiago Ramón y Cajal setzte mithilfe der von Golgi entwickelten Färbungsmethode die Untersuchung von Nervenstrukturen im Gehirn fort und prägte, was heute die Neuronendoktrin genannt wird: Er fand heraus, dass Neuronen einzelne, voneinander unabhängige Einheiten bilden, deren Fortsätze über kleine Lücken (Synapsen) zwischen den Neuronen miteinander kommunizieren. Obwohl beide Wissenschaftler bis zuletzt an ihrer jeweiligen Theorie festhielten, erhielten sie 1906 gemeinsam den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Mit fortschreitenden wissenschaftlichen Methoden konnte die Neuronentheorie von Ramón y Cajal später endgültig bewiesen werden.
Die vier unterschiedlichen Klassen der Gliazellen haben die Fähigkeit, durch Zellteilung neue Zellen in Arealen zu bilden, in denen Nervenzellen abgestorben sind, und können diese auffüllen. Die so entstehenden Vernarbungen können Ausgangspunkte für Krampfentladungen des Gehirns sein, wie sie sich beispielsweise bei epileptischen Anfällen äußern.
Blut-Hirn-Schranke
Synapsen und Neurotransmitter
Die gesamte Kommunikation der Neuronen im zentralen Nervensystem findet über Synapsen statt. Eine Synapse bezeichnet die Spalte zwischen zwei Neuronen, die in Form von chemischen oder elektrischen Signalen Informationen austauschen. Hierbei unterscheidet man zwischen chemischen und elektrischen Synapsen.
Chemische Synapse
Bei der synaptischen Übertragung mittels chemischer Botenstoffe unterscheidet man zwischen Neuro- und Kotransmittern, auch Modulatoren genannt. In einer präsynaptischen Endigung sind beide dieser Überträgerstoffe vorhanden. Die Neurotransmitter werden vom Neuron selbst hergestellt und in Vesikeln abgespeichert, bis sie schließlich in den synaptischen Spalt freigesetzt werden. Kotransmitter haben eine verstärkende Wirkung auf die Haupttransmitter. Während diese meist niedermolekulär sind, also aus kleinen Molekülen bestehen, setzen sich Kotransmitter meist aus Aminosäureketten zusammen, die man Peptide nennt. In der Interaktion zwischen Haupttransmittern und Modulatoren kann festgestellt werden, dass Erstere für eine schnelle Übertragung an der Synapse zuständig sind, während Letztere Intensität und Dauer der Wirkung und somit die Langzeitverstellungen der Erregbarkeit beeinflussen.
Postsynaptische Rezeptoren
Dringt der Transmitter nach Freisetzung in den synaptischen Spalt schließlich zur postsynaptischen Membran vor, bindet er sich dort an die postsynaptischen Rezeptoren, die in der Folge die vorhandenen Ionenkanäle öffnen. Dies kann durch zwei unterschiedliche Prozesse bewirkt werden. Docken die Transmittermoleküle direkt an die Ionenkanäle an, sind diese gleichzeitig auch Rezeptor und werden ionotrope Rezeptoren genannt. Da ionotrope Rezeptoren unmittelbar an die Ionenkanäle gekoppelt sind, schließt oder öffnet dieser nach Anbindung des Transmitters sofort, wodurch unmittelbar ein postsynaptisches Potenzial ausgelöst wird. Verbindet sich der Transmitter jedoch mit einem Rezeptor, der erst über eine intrazelluläre Signalkette die Kanäle öffnet, nennt man diesen metabotropen Rezeptor.
Metabotrope Rezeptoren sind an sogenannte G-Proteine und Signalproteine gekoppelt. Nach Abspaltung der G-Proteine können sich diese entweder direkt an einen Ionenkanal binden oder über die Herstellung von sekundären Botenstoffen auf nachhaltige Stoffwechselprozesse wirken. Die Informationsweiterleitung zwischen zwei Synapsen kann eine hemmende oder erregende Wirkung haben. Dies hängt jedoch nicht von den Transmittern, sondern von der Beschaffenheit der postsynaptischen Rezeptoren ab. Die Reaktion nach Bindung an einen metabotropen Rezeptor findet langsamer statt, kann aber nachhaltige und andauernde Auswirkungen erzeugen
Plastizität von Synapsen
Synapsen sind lernfähig. Diese Eigenschaft ist beim Menschen u. a. für Gedächtnisvorgänge notwendig. Bei wiederholter Aktivität einer Synapse kann diese funktionelle oder strukturelle Veränderungen aufweisen. Die „Lernfähigkeit“ der Synapsen nennt man Plastizität. Diese kann wenige Millisekunden bis Minuten andauern (Kurzzeitplastizität) oder eine Zeitspanne von Minuten bis hin zu Monaten abdecken (Langzeitplastizität).
Wird eine Synapse verstärkt gereizt, entwickelt sich bei der Langzeitplastizität ein nachhaltig bestehender Anstieg der synaptischen Aktivität. Diese andauernde Veränderung nennt man Langzeitpotenzierung (engl. Long-Term Plasticity, kurz LTP). Das umgekehrte Phänomen, die andauernde Schwächung einer Synapse, nennt man Langzeitdepression (engl. Long-Term Depression, kurz LTD). Die Langzeitplastizität spielt eine maßgebliche Rolle beim Lernen, der Bildung von Erinnerungen und bei Gedächtnisprozessen. Durch wiederholte Reizungen der präsynaptischen Endigung weist die Synapse anschließend eine Potenzierung oder Abschwächung des Ausstoßes von Neurotransmittern auf. Auch in der postsynaptischen Endigung kann sich durch wiederholte Reizung die Sensitivität der Rezeptoren auf einen spezifischen Neurotransmitter oder sogar die Rezeptoranzahl selbst ändern. Im synaptischen Spalt selbst kann sich die Aktivität der Enzyme ändern, die den Neurotransmitter abbauen. Als Folge der wiederholten Reizung können zudem neue Synapsen und sogar Dendriten gebildet und somit neue neuronale Verbindungen geschaffen werden.
Elektrische Synapsen
Das Ruhepotenzial
Innerhalb und außerhalb eines Neurons befinden sich kleinste positiv und negativ geladene Teilchen, die Ionen, die eine elektrische Ladung erzeugen. Eine Nervenzelle verzeichnet zwischen Außen- und Innenseite eine unterschiedliche elektrische Ladung. Diesen Ladungsunterschied nennt man Membranpotenzial. Es kann mithilfe von kleinsten Elektroden (Mikroelektroden) ermittelt werden, indem man zwei Elektroden jeweils außerhalb und innerhalb der Zellmembran platziert. Ist ein Neuron inaktiv, kann man mithilfe der intrazellulären Elektrode ein gleichbleibendes Potenzial von –70 Millivolt (mV) verzeichnen. Die elektrische Ladung innerhalb der Zelle ist im Ruhezustand also konstant 70 mV niedriger als außerhalb des Neurons und somit negativ geladen. Diesen Zustand bezeichnet man als Ruhepotenzial. Ein Neuron im Ruhezustand mit einer differentiellen Spannung von –70 mV nennt man zudem ein polarisiertes Neuron.
Die wichtigsten Arten von Ionen, die bei der Informationsübertragung eine Rolle spielen, sind:
Bei einer Nervenzelle im Ruhepotenzial befinden sich im Zellinneren eine hohe Konzentration von Kaliumionen und Eiweißanionen, im Äußeren der Zelle hingegen mehr Natriumionen und Chloridionen. Die Zellmembran ist für diese Ionen unterschiedlich durchlässig (permeabel). Die Ionen können die Membran nur durch für diesen Ionentyp spezifische Kanäle passieren. Während K+ und CI– hochpermeabel sind, sind Natriumionen niedrigpermeabel und Eiweißanionen vollständig undurchlässig, d. h., sie gelangen nicht aus der Zelle heraus.
Postsynaptische Potenziale
Während der Informationsübertragung zwischen den Neuronen feuern die Nervenzellen und setzen den jeweiligen Neurotransmitter frei. Die Wirkung der Bindung von Transmittermolekülen an die postsynaptischen Rezeptoren hängt von Transmitter, Rezeptor und der Funktion des Neurons ab und kann zwei Effekte haben: Durch die Öffnung der Ionenkanäle kann eine Depolarisation oder eine Hyperpolarisation entstehen. Depolarisiert die Membran, sinkt das Ruhepotenzial, der Spannungsunterschied wird geringer (z. B. –67 mV) und ein exzitatorisches postsynaptisches Potenzial (EPSP) entsteht. Hyperpolarisiert die Membran, steigt der Spannungsunterschied (z. B. auf –72 mV) und ein inhibitorisches postsynaptisches Potenzial (IPSP) wird ausgelöst. Bei einem IPSP wird durch die Hyperpolarisation die Wahrscheinlichkeit gesenkt, dass das Neuron feuert und somit das Signal weitergeleitet wird. Überschreitet das EPSP eine bestimmte Potenzialschwelle, kann sie ein Aktionspotenzial auslösen. Die Intensität beider Potenziale variiert hierbei graduell, sodass schwache Signale kleine Potenziale verursachen, starke Signale hingegen dementsprechend große Potenziale erzeugen. Die Potenziale schwächen im Verlauf ihrer Ausbreitung in der Zelle, ähnlich wie eine Schallwelle, ab und enden häufig schon wenige Millimeter nach Entstehung.
Das Aktionspotenzial
Nach Überschreitung der Erregungsschwelle steigt die Membranpermeabilität für Natriumionen ebenfalls sprunghaft und verursacht eine spannungsabhängige Öffnung der Na+-Kanäle. Durch den Einstrom der Natriumionen in das Zellinnere verändert sich das Membranpotenzial (dies nennt man Aufstrich) und erreicht zuletzt sogar positive Werte (Overshoot), bevor die Kanäle wieder inaktiv werden. Ungefähr 1–2 ms nach Überschreiten der Erregungsschwelle findet schließlich ein Ausstrom von Kalium statt, da das Zellinnere durch den Natriumeinstrom positiver geworden ist.
Da das Gleichgewichtspotenzial für Kaliumionen jenem des Ruhepotenzials entspricht, treiben diese also aus dem Zellinneren hinaus, um der Verschiebung des Membranpotenzials entgegenzuwirken. Durch das Ausströmen der positiven Kaliumionen wird die Zelle innen wieder negativer, bis schließlich das Ruhepotenzial wiederhergestellt ist (Repolarisation). Die Kaliumkanäle schließen jedoch nicht unmittelbar wieder, sobald das Ruhepotenzial von –70 mV wieder erreicht ist, sodass Kaliumionen weiterhin aus dem Zellinneren wandern und kurzfristig ein hyperpolarisierendes Membranpotenzial erzeugen, welches negativer als das Ruhepotenzial ist (Nachpotenzial).
Während des Ablaufs eines Aktionspotenzials bleibt ein zweiter Reiz ohne Wirkung. Die Natriumkanäle sind noch inaktiviert. Diese Phase, die ca. die ersten 1–2 ms nach Beginn eines Aktionspotenzials umfasst, nennt man die absolute Refraktärphase. Anschließend tritt die relative Refraktärphase ein, d. h., ein Neuron kann nur erneut feuern, wenn der folgende Reiz stärker ist als die übliche Erregungsschwelle.
Passiver Transprot von Ionene durch die Membran
Ionen bewegen sich bis zu einem gewissen Maße auch außerhalb von Aktionspotenzialen zwischen dem Inneren und dem Äußeren einer Zelle hin und her. Während sich die spannungsgesteuerten Natriumkanäle lediglich nach Auslösung eines Aktionspotenzials öffnen, ist die Zellmembran trotzdem geringfügig durchlässig für Na+-Ionen, sodass diese auch bei Ruhezustand der Zelle passiv in das Zellinnere gelangen können. Die Kaliumkanäle sind hingegen durchgehend geöffnet. Es diffundieren allerdings nur wenige Kaliumionen zum Zelläußeren, da sie positiv geladen sind und von der negativen Ladung des Zellinneren angezogen werden. Der passive Ionentransport weist dabei unterschiedliche Mechanismen auf und benötigt keinen Energieaufwand. Durch die negative Ladung im Zellinneren werden die sich außen befindenden Natriumionen von der elektrostatischen Kraft angezogen.
Darüber hinaus bewegen sich nach der Brown-Molekularbewegung alle Teilchen (Ionen oder Moleküle) in alle drei Raumrichtungen, wodurch ein Zusammenstoß unterschiedlicher Teilchen jeweils zu Richtungsänderungen der Bewegungen führt. Die Natriumionen bewegen sich ihrem Konzentrationsgradienten entsprechend. Das bedeutet, dass sie sich möglichst gleichmäßig im Raum verteilen und eher zu Bereichen diffundieren, in denen die Konzentration der vorhandenen Natriumionen niedriger ist. Das hängt auch damit zusammen, dass die Moleküle weitere Strecken zu Gebieten geringerer Konzentration zurücklegen können, ohne mit anderen Teilchen zusammenzustoßen. Diesen Vorgang der Ionen, sich möglichst gleichmäßig entsprechend ihrem Konzentrationsgradienten zu verteilen, nennt man Diffusion.
Eine weitere Form von passivem Ionentransport durch die Membranen stellt die Osmose dar. Sind zwei Flüssigkeiten unterschiedlicher Konzentration (z. B. eine Kochsalzlösung) durch eine semipermeable Membran getrennt, die zwar wasser-, aber nicht ionendurchlässig ist, tendiert das Wasser ohne Salzgehalt dazu, durch die Membran zu dem salzhaltigen Wasser zu diffundieren. Dies geschieht, da aufgrund des Salzes bei gleicher Flüssigkeitsmenge in der Salzlösung weniger Wassermoleküle vorhanden sind und somit eine geringere „Wasserkonzentration“ vorliegt, die ausgeglichen werden soll. Um die vollständige Wanderung aller Wassermoleküle zu der Salzlösung aufzuhalten, müssen durch einen mechanischen Druck auf die Salzlösung genauso viele Wassermoleküle wieder durch die Membran zurückdiffundieren, wie in die Salzlösung eingetreten sind. Diesen mechanischen Druck bezeichnet man als osmotischen Druck.
Der passive Transport kann direkt durch die Plasmamembran stattfinden oder durch Poren, die durch Transportproteine hergestellt werden. Diese Proteine beinhalten einen Kanal, durch den nur kleinste Moleküle wie etwa Wasser wandern können. Sie verfügen über eine Kanalselektivität. Das bedeutet, dass eine bestimmte Spezies von Molekülen den jeweiligen Kanal passieren kann, beispielsweise Kalium, Kalzium oder Natrium. Die Kanalproteine zeichnen sich durch ihre häufige und unregelmäßige Öffnung aus.
Aktiver Transprot von Ionen durch die Membran
Um das Ruhepotenzial konstant halten zu können, ist ein aktiver Ionentransport notwendig, der nur mit der Zufuhr von Stoffwechselenergie stattfinden kann. Die britischen Wissenschaftler Andrew Huxley und Alan Lloyd Hodgkin haben in den 1950er- Jahren festgestellt, dass bei gleichbleibendem Ruhepotenzial trotz geschlossener Na+- Kanäle einige Natriumionen in das Zellinnere und einige Kaliumionen nach außen wandern. Sie fanden schließlich den aktiven Transportmechanismus der Ionen, wie z. B. ein Kanalprotein, das man als Natrium-Kalium-Pumpe bezeichnet. Dieses Protein steht an beiden Seiten der Membran über und verfügt über zwei Bindungsstellen für Kalium außerhalb der Zelle und drei Bindungsstellen für Natrium im Zellinneren. Pro Zyklus pumpt das Molekül schließlich die Natriumionen aus der Zelle hinaus und die beiden Kaliumionen zurück ins Innere der Zelle. Der Natriumaustausch ist hierbei zentral für die Erhaltung des Ruhepotenzials, da durch die ständig geöffneten Kaliumkanäle K+- Ionen ohnehin zu jeder Zeit passiv diffundieren und ein eventueller Kaliumüberschuss somit ausgeglichen werden kann. Die Aktivität der Natrium-Kalium-Pumpe erfordert Energie, die durch ATP (Adenosintriphosphat) bereitgestellt wird. ATP ist der Energieträger der Zelle und setzt sich aus drei Phosphatresten zusammen. Bei dem Pumpprozess wird das ATP durch die Abspaltung des dritten Phosphatrests in Adenosindiphosphat (ADP) verwandelt und setzt somit Energie frei.
Transmitter-Rezeptor-Systeme
Die bereits erwähnten Neurotransmitter, die für das Funktionieren von chemischer Signalübertragung an den Synapsen unverzichtbar sind, lassen sich in vier niedermolekuläre Gruppen einteilen: die Aminosäuren, Monoamine, Acetylcholin sowie sogenannte unkonventionelle Neurotransmitter, zu denen beispielsweise lösliche Gase zählen. Die Transmitter-Rezeptor-Systeme sind Wirkungsziel der meisten Psychopharmaka im Rahmen der Neurologie und Psychiatrie.
Acetylocholin (ACh)
Die ACh-Rezeptoren unterteilen sich in nikotinerge und muskarinerge Rezeptoren. An nikotinerge Rezeptoren kann nicht nur ACh, sondern auch Nikotin andocken und so eine cholinerge Wirkung erzielen. Sie sind insbesondere bei Muskelzellen vorhanden und führen durch ihre erregende Wirkung zu Muskelkontraktionen. Die nikotinergen Rezeptoren, die im zentralen Nervensystem zu finden sind, führen dort beim Andocken von Nikotin zu der entspannenden Wirkung, die durch das Rauchen bekannt ist. Muskarinerge Rezeptoren werden so genannt, da sie auch von Muskarin, dem Gift von Fliegenpilzen, aktiviert werden können. Je nach Subtyp des muskarinergen Rezeptors kann das ACh eine hemmende oder erregende Wirkung erzielen.
Katecholamine
Katecholamine sind häufig Ziel von psychopharmakologischen Medikationen, welche so die Wiederaufnahme durch die Transportermoleküle blockieren und die Neurotransmitter somit länger im synaptischen Spalt ihre Wirkung entfalten. Katecholamine haben eine aktivierende Wirkung und sind im Körper in unterschiedliche Prozesse involviert. Während Dopamin neben Muskelprozessen und Wahrnehmungsfähigkeit auch die Stimmung beeinflusst, ist das Noradrenalin der hauptsächliche Neurotransmitter im Sympathikus und kann zudem als Stresshormon fungieren.
Bisher unterscheidet man sieben unterschiedliche Serotonin-Rezeptorgruppen. An den sogenannten 5-HT2A-Rezeptor binden sich beispielsweise auch halluzinogene Drogen wie LSD. Im Falle von Depressionen werden ebenfalls Psychopharmaka eingesetzt, die in das serotonerge System eingreifen.
Neuropeptide
2.2 Neuroanatomie
Das menschliche Nervensystem besteht aus unzähligen Strukturen und Funktionen und setzt sich aus dem zentralen und dem peripheren Nervensystem zusammen. Das zentrale Nervensystem beinhaltet Gehirn und Rückenmark, das periphere Nervensystem besteht aus Nerven und Nervenfaserbündeln sowie peripheren Nervenzellkörpern. Funktionell kann man das Nervensystem in das vegetative (unwillkürliche) und das somatische (willkürliche) Nervensystem untergliedern. Während das somatische Nervensystem v. a. für Sensorik und Willkürmotorik verantwortlich ist, steuert das vegetative Nervensystem die Funktion und Sensorik der inneren Organe.
Hirnhäute (Meningen)
Liquorräume (Liquor = Nervenwasser)
Strukturell und funktionell werden die verschiedenen Areale des Gehirns zunächst in drei Abschnitte unterteilt: das Vorderhirn (Prosencephalon oder auch Endhirn), das Mittelhirn (Mesenzephalon) und das Rautenhirn (Rhombenzephalon). Das Vorderhirn spaltet sich in zwei weitere maßgebliche Einheiten: das Großhirn (Telencephalon) und das Zwischenhirn (Diencephalon).
Telencephalon
Zwar nimmt der Mensch sein Handeln als ein einheitliches Ereignis wahr, doch wird dieses meist durch die integrative Zusammenarbeit beider Gehirnhälften erzeugt. So kommen viele Hirnstrukturen jeweils in der rechten sowie der linken Hirnhälfte vor, die Hemisphären sind jedoch für unterschiedliche Funktionen zuständig. Diese Eigenschaft kann man mit sogenannten Split-Brain-Versuchen nachweisen. Die beiden Hälften sind über das Corpus callossum verbunden, eine Faserstruktur, die eine Art Balken zwischen den Hemisphären bildet. Bei der Durchtrennung bestimmter Abschnitte des Corpus callossum oder einer vollständigen Durchtrennung (Kallosotomie) lässt sich feststellen, dass die beiden Hemisphären unabhängig voneinander weiter funktionieren können, das Bewusstsein aber geteilt wird. Bereits wenige Wochen nach einer Durchtrennung weicht das alltägliche Verhalten kaum vom früheren Zustand ab; es erfordert allerdings eine Anpassungsphase, da zunächst gegensätzliche Willensimpulse sowie inadäquate emotionale Reaktionen auftreten.
Die linke Hemisphäre wird als dominant bezeichnet, da sie für Sprachverständnis und Sprachproduktion verantwortlich ist, ebenso wie für mathematische Funktionen und logisches Denken. Zudem ist die linke Seite zuständig für die Steuerung der rechten Körperhälfte (kontralaterale Kontrolle). Die rechte Hemisphäre kontrolliert die linke Körperhälfte und ist involviert in kreative und künstlerische sowie visuell-räumliche Prozesse.
Die Großhirnhemisphären sind von dem Kortex bedeckt, einer grauen Substanz, die aus Nervenzellkörpern besteht. Die Dicke des Kortex variiert zwischen 1,5 bis 4,5 mm. Er unterteilt sich weiter in den Neokortex, bestehend aus sechs Schichten, und einem weniger einheitlich aufgebauten Allokortex, der den älteren Teil der Großhirnrinde bildet.
Die höchsten integrativen Funktionen des Gehirns finden im Neokortex statt, von der Spracherzeugung über die Planung und Ausführung von Strategien bis hin zu künstlerischer Expression. Auch Persönlichkeitsentwicklung, die Ausbildung von Gewohnheiten und die Eigenwahrnehmung sind ohne Neokortex nicht möglich.
Die Großhirnrinde weist vier anatomische Untereinheiten auf: Frontallappen, Temporallappen, Parietallappen und Okzipitallappen. Wie der Name bereits andeutet, befindet sich der Frontallappen an der Vorderseite des Gehirns. Er ist zunächst in die Planung und Ausführung von Bewegungsabläufen und Motorik involviert. Der Motorkortex, der einen Teil des Frontallappens ausmacht, lässt eine somatotopische Gliederung erkennen. Das bedeutet, dass benachbarte Zellverbände im Motorkortex ebenfalls benachbarte Muskelgruppen im Körper repräsentieren. Die unterschiedlichen Muskelgruppen verfügen dabei, je nach funktioneller Wichtigkeit, über unterschiedlich große Areale auf dem Motorkortex. Hierbei sind Muskeln wie die Lippen oder Hände, die spezifische oder feinmotorische Bewegungen ausführen, besonders groß repräsentiert. Veranschaulichen lässt sich dies durch den sogenannten Homunculus.
Darüber hinaus befinden sich im Frontallappen das frontale Augenfeld, das für willkürliche und unwillkürliche Augenbewegungen verantwortlich ist, sowie das Broca-Sprachzentrum. Letzteres ist in die Sprachbildung involviert und plant motorische Abläufe, die für die komplexe menschliche Sprache notwendig sind. Durch die Verbindung zum Motorkortex lassen sich die dort generierten motorischen Impulse schließlich zu den involvierten Motorgruppen wie Mund und Atemmuskulatur weiterleiten.
Zuletzt spielt der sich ebenfalls auf dem Frontallappen befindende präfrontale Kortex eine wichtige Rolle im menschlichen Handeln und Denken. Mit einer Abdeckung von ca. 30 % des gesamten Kortex macht er einen signifikanten Anteil aus. Es bestehen Verbindungen zu zahlreichen Gehirnstrukturen. Der präfrontale Kortex ist in zahlreiche menschliche Funktionen und Handlungen involviert, etwa wenn es darum geht, den internen Zielen des Menschen entsprechende Gedanken und Handlungen folgen zu lassen. Auch Inhibition oder kognitive Prozesse sowie die Bildung von Erinnerungen und Impulskontrolle gehören zu seinen Funktionen. Interessant ist auch, dass Menschen mit Verletzungen oder Tumoren im Bereich des präfrontalen Kortex häufig ebenso persönlichkeitsverändernde Merkmale wie auch motorische Verlangsamungen sowie veränderte moralische und ethische Prinzipien aufweisen.
Der Parietallappen befindet sich zwischen den Frontal- und den Okzipitallappen und über dem Temporallappen. Ähnlich wie für die Muskulaturgruppen existiert im Parietallappen ein somatosensorischer Kortex, der Empfindungen von Druck, Berührung und Schmerz repräsentiert. Auch für den somatosensorischen Kortex besteht ein Homunculus, der entsprechend der Sensorendichte in den Körperbereichen unterschiedlich große Repräsentationen aufweist. Körperareale, die sensorisch sehr ausgebildet sind, wie Lippen oder Finger, verfügen dementsprechend über größere Bereiche im somatosensorischen Kortex. Darüber hinaus ist der Parietallappen an der Generation von Aufmerksamkeit, visueller und räumlicher Orientierung beteiligt.
Der Okzipitallappen ist der kleinste Lappen mit einer wesentlichen Funktion. Er beherbergt den visuellen Kortex (Sehrinde) sowie den sekundären visuellen Kortex und ermöglicht es uns, nicht nur externe Stimuli zu verarbeiten und zu sehen, sondern diesen auch Bedeutung beizumessen. Zudem finden im sekundären visuellen Kortex die notwendigen Verarbeitungsschritte statt, um äußerliche Merkmale wie Form, Farbe und Bewegung wahrzunehmen. Wird der sekundäre visuelle Kortex verletzt, folgen zwar keine direkten Sehverluste, die Einordnung und Interpretation von visuellen Reizen kann jedoch nicht mehr erfolgen. Diese Beeinträchtigung nennt man visuelle Agnosie.
Darüber hinaus werden visuelle Informationen an andere Gehirnareale weitergeleitet, damit diese für weitere Prozesse wie das Abrufen von Erinnerungen oder die Ausführung angemessener motorische Reaktionen auf einen visuellen Reiz ausführen können.
Die wichtigste Struktur des Temporallappen stellt die primäre Hörrinde dar, auch auditiver Kortex. Ähnlich wie bei den Homunculi sind unterschiedliche Schwingungsfrequenzen bestimmten Repräsentationsorten zugeteilt, sodass hohe Töne z. B. in anderen Bereichen repräsentiert werden als tiefe Töne. Auch dem auditiven Kortex ist ein sekundärer auditiver Kortex angegliedert, der hauptsächlich für die Integration und Interpretation des Gehörten verantwortlich ist, das zuvor im primären auditiven Kortex verarbeitet wurde.
Ein wichtiges Areal, das dem Kortex zugehörig ist, ist das Wernicke-Areal, das gemeinsam mit dem Broca-Areal das Sprachzentrum des Menschen bildet. Es verarbeitet Sprache und misst dieser durch die Analyse des sprachlichen Materials Bedeutung bei. Kurz gesagt ist es also für das Sprachverständnis verantwortlich. Wird das Wernicke-Areal beschädigt, kommt es zu einer sensorischen Aphasie (Wernicke-Aphasie), wodurch sprachliche Informationen zwar weiterhin gehört, aber nicht mehr in ihrer Bedeutung erkannt werden können.
Die weiße Substanz ist ein weiterer Bestandteil des Großhirns wie auch des Rückenmarks. Im Gehirn befindet sie sich unterhalb der grauen Substanz. Im Gegensatz zu dieser, die hauptsächlich aus Zellkörpern und nur wenigen Axonen und Dendriten besteht, ist die weiße Substanz überwiegend aus myelinisierten Nervenfortsätzen zusammengesetzt, welche die Ausläufer der Nervenzellkörper in der grauen Substanz bilden. Ihren Namen hat die weiße Substanz, auch Substantia alba genannt, durch ihre weiße Myelinschicht, welche durch Gliazellen hergestellt wird. Die myelinisierten Axone der weißen Substanz sind meist in Strängen organisiert.
Die weiße Substanz verfügt über eine schnelle Leitfähigkeit und sorgt dafür, dass die elektrischen Signale zwischen den Hirnregionen weitergeleitet werden. Sie ist somit maßgeblich an einer intakten motorischen und sensorischen Funktion des Menschen beteiligt. Im Rückenmark befindet sich die weiße Substanz im Gegensatz zum Gehirn außen und ummantelt die graue Substanz.
Im Allocortex, also dem älteren Teil der Gehirnrinde, befindet sich eine weitere signifikante Gehirnstruktur, der Hippocampus. Jede Gehirnhälfte hat einen Hippocampus, der sich an der Basis des Temporallappens befindet. Er spielt in der Gedächtnisformation eine zentrale Rolle und ist involviert in kontextuelles Lernen.
Informationen aus dem Neocortex und anderen Strukturen, die in Lern- und Gedächtnisprozesse involviert sind, gelangen in den Hippocampus und werden dort verarbeitet. Aufgabe des Hippocampus ist es, multisensorische Information aus der Umwelt kontextabhängig zu bündeln, z. B. zeitlich oder örtlich.
Darüber hinaus transferiert der Hippocampus Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis und ist in emotionale Prozesse involviert. Er bildet gemeinsam mit weiteren Substrukturen einen Teil des sogenannten limbischen Systems, welches Prozesse wie Lernen, Gedächtnisleistungen und Emotionsverarbeitung mitreguliert.
Ebenfalls im Temporallappen lokalisiert und Teil des limbischen Systems ist die Amygdala, eine Formation aus mehreren Kerngruppen. Entsprechend ihrer Vielzahl an Funktionen sind in der Amygdala auch zahlreiche Neurotransmitter und Neuropeptide vorhanden. Sie spielt in der Emotionsgenerierung und -regulation eine wichtige Rolle. Da sie u. a. für die Entstehung und Verarbeitung von Angstzuständen verantwortlich ist, spielt sie auch bei der Angstkonditionierung eine Rolle. Zudem ist sie in emotionale Lern- und Gedächtnisprozesse involviert. Informationen, die sie von anderen kortikalen Arealen erhält, werden emotional „markiert“ und anschließend wieder zurückgeleitet. Wird die Amygdala stimuliert, können Emotionen entstehen. Es bestehen bidirektionale Verbindungen zu zahlreichen viszeralen Arealen wie dem Hypothalamus und kortikalen Gebieten, die auditive, visuelle und somatosensorische Informationen austauschen. Wird die Amygdala aktiviert, initiiert sie über den Hypothalamus beispielsweise die Ausschüttung von Adrenalin in den Nebennieren, um den Körper im Falle einer Bedrohung in einen Zustand des „Fight or Flight“ zu versetzen. In der Folge erhöht sich die Pulsfrequenz, der Blutdruck steigt und nicht dringend benötigte vegetative Prozesse wie die Verdauung werden vorübergehend eingestellt. Läsionen der Amygdala oder der kortikalen Verbindungen können zu einer Abschwächung von emotionalem Erleben bis hin zur Gleichgültigkeit führen.
Diencephalon
Zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm befindet sich das Zwischenhirn, auch Diencephalon genannt. Die wichtigsten Strukturen innerhalb des Zwischenhirns sind Thalamus, Hypothalamus und Epithalamus.
Epithalamus
Thalamus
Hypothalamus
Hypophyse
Hirnstamm
Der Hirnstamm hat eine längliche Form und befindet sich unterhalb des Vorderhirns. Er lässt sich in drei Teile gliedern: die Medulla oblongata, den Pons und das Mittelhirn (Mesencephalon). Im Hirnstamm sind zahlreiche ab- und aufsteigende Nervenbahnen zwischen Rückenmark und Gehirn verschaltet. Während Mesencephalon und Pons überwiegend in motorische Funktionen involviert sind, übernimmt die Medulla oblongata zusätzlich Aufgaben des sensorischen und sensiblen Systems.
Das Mesencephalon (Mittelhirn) befindet sich zwischen Diencephalon und Pons. Die zwei wichtigsten Substrukturen bilden das Tectum und das Tegmentum. Entlang des Mittelhirns verlaufen zudem die Hirnschenkel, zwei Faserstränge, die für die Willkürmotorik mitverantwortlich sind.
Das Tectum („Dach“) weist als wichtigste Substruktur die Vierhügelplatte auf, eine dünne Platte, die aus zwei oberen (Colliculi superiores) und zwei unteren Hügeln (Colliculi inferiores) besteht. Die Colliculi superiores sind Teil des optischen Systems und für visuelle Reflexe zuständig. Ungefähr 10 % der Netzhautfasern münden hier. Sie ermöglichen eine Reflexbewegung der Augen und des Kopfes als Reaktion auf visuelle Reize. Die Colliculi inferiores bilden einen Teil der Hörbahn, da sich dort zahlreiche synaptische Verschaltungen für akustisch wahrgenommene Informationen befinden.
Das Tegmentum (lat. „Haube“) ist ebenfalls eine Schicht des Mesencephalons und grenzt an den inneren Liquorraum. Es beherbergt die Kerngebiete des Nervus oculomotoris und des Nervus trochlearis, die auch als dritter und vierter Hirnnerv bezeichnet werden. Beide Nerven steuern unterschiedliche Richtungen von Augenbewegungen.
Darüber hinaus spielen verschiedene Strukturen des Tegmentums eine Rolle in der Schmerzwahrnehmung und -unterdrückung, der Bewegungssteuerung und den Willkürbewegungen von feinmotorischen Muskelgruppen.
Der Pons („Brücke“) ist der mittlere Teil des Hirnstamms und beinhaltet Faserbündel und Brückenkerne. Die Fasern haben, ausgehend von den Brückenkernen, das Kleinhirn zum Ziel. Auch der Pons ist mit Fasern durchzogen, die Teile des Großhirns mit dem Rückenmark verbinden. Ebenfalls im Pons befinden sich Hirnnervenkerne, die u. a. die mimische Muskulatur, das Gleichgewichtsorgan und sensorische Fasern des Gesichts mitregulieren.
Den unteren Teil des Hirnstamms, wie auch des gesamten Hirns, bildet die Medulla oblongata (verlängertes Mark). Auch sie wird durchzogen von den Bahnen, die Großhirn und Rückenmark verbinden. Sie steuert die Kreislauffunktionen sowie die Atmung und ist somit relevant für das vegetative Nervensystem. Zudem ist sie verantwortlich für die Auslösung vegetativer Reflexe wie Erbrechen, Husten und Schlucken und enthält ebenfalls ein Zentrum, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert. Wird die Medulla oblongata geschädigt oder wird Druck auf sie ausgeübt, können Störungen der Atmungsfunktionen, Sensibilitäts- und Bewegungsstörungen, Lähmungserscheinungen und Kreislaufstörungen bis hin zu Erbrechen auftreten.
Cerebellum (Kleinhirn)
Das Kleinhirn befindet sich unterhalb des Großhirns und weist zwei Hemisphären auf, welche über den sogenannten Kleinhirnwurm miteinander verbunden sind. Es ist weitreichend vernetzt mit dem Rückenmark und den Sinnessystemen. Informationen über Lokalisation und Tonus der Muskeln erhält es vom Rückenmark, während das Gleichgewichtsorgan Informationen über den Gleichgewichtszustand des Körpers bereitstellt. Der Kortex versorgt das Cerebellum mit Informationen über die motorischen Programme, die die Muskeln erreichen. Nach der Integration all dieser Informationen besteht seine Hauptaufgabe in der Feinabstimmung von motorischen Abläufen und Bewegungen.
Darüber hinaus ist das Cerebellum in kognitive Lernprozesse von automatisierten Bewegungsabläufen involviert und trägt zur detaillierten Zeitplanung für das assoziative Lernen von Bewegungen und Verhalten bei. Ist das Cerebellum beschädigt, fallen Bewegungen oft schwankend aus und die Sturzgefahr steigt. Zudem können schnelle Bewegungen nicht im Wechsel ausgeführt werden, feinmotorische Bewegungsprozesse sind gestört.
Das Rückenmark
Das Rückenmark ist neben dem Gehirn der zweite wesentliche Teil des zentralen Nervensystems. Von ihm ausgehend werden die körperlichen Extremitäten und der Rumpf mit Nerven versorgt. Umgeben von Rückenmarksflüssigkeit zieht es sich über ungefähr 45 cm und befindet sich innerhalb des Wirbelsäulenkanals. Man unterteilt das Rückenmark in Segmente, scheibenartige Abschnitte, die Entstehungs- und Zielorte der Spinalnerven sind.
Die Spinalnerven treten seitlich zwischen den Wirbeln aus und verästeln sich dort zu zahlreichen Fasersträngen. Im Inneren des Rückenmarks befindet sich graue Substanz mit den Nervenzellkörpern. In der Mitte der grauen Substanz ist der zentrale Liquorkanal angesiedelt. Die graue Substanz ist, wie auch im Gehirn, von myelinisierten Nervenausläufern, also weißer Substanz, umgeben. Von der grauen Substanz ausgehend, sind im Rückenmark drei Neuronenarten zu finden: Motorneuronen, sensible Neuronen und Interneuronen. Während Motorneuronen außerhalb des zentralen Nervensystems die Muskeln mit weitergeleiteten Impulsen versorgen, erhalten sensible Neuronen sensorischen Input aus der Peripherie und leiten diese an die relevanten Regionen des zentralen Nervensystems weiter. Interneuronen verschalten über ihre Axone die anderen im Rückenmark gelegenen Neuronen miteinander.
Funktion des Rückenmarks
Organisationskarten
Anhand der Gehirnareale und deren Verbindungen lassen sich viele, wenn auch nicht alle psychischen Funktionen festlegen. Dabei kann man in drei unterschiedliche topographische Karten unterscheiden, die diesen Zusammenhang erläutern.
2.3 Das vegetative Nervensystem
Alle lebensnotwendigen Vitalfunktionen, die ohne das bewusste Zutun des Menschen vonstatten gehen – Atmen, Verdauen oder Schwitzen –, werden vom vegetativen Nervensystem gesteuert. Man nennt es auch autonomes Nervensystem, da es automatisch ohne externe Steuerung funktioniert. In Verbindung mit dem zentralen Nervensystem ist es zudem in emotionale Prozesse involviert. Es unterteilt sich in drei Untersysteme: den Sympathikus, den Parasympathikus und das Darmnervensystem. Sympathikus und Parasympathikus agieren in ihren Funktionen meist als Gegenspieler. Während der Sympathikus den Körper in aktive Zustände bei Stress- oder Notfallsituationen versetzt, ist der Parasympathikus meist in den Erhalt von Ruhezuständen involviert.
Sympathikus und Parasympathikus verfügen über präganglionäre und postganglionäre Neuronen. Die präganglionären Neuronen des Sympathikus haben ihre Zellkörper im Brustmark und im oberen Lendenmark, also dem Rückenmark in den Bereichen von Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule.
Nach Austreten aus dem Rückenmark werden diese anschließend über die Ganglien auf postganglionäre Neuronen umgeschaltet und gelangen von dort zu den Effektoren, also den Organen, die vom Sympathikus kontrolliert werden. Dazu zählen:
→ Der Sympathikus bewirkt reflexgesteuerte Bewegungs- und Spannungsprozesse und ist in emotionale Prozesse involviert.
Innerviert der Sympathikus bei Stress- oder Reizsituationen, spricht man von einer ergotropen Reaktionslage, also einem Anstieg der sogenannten „Fight-or-Flight“-Prozesse, wie dem Anstieg der muskulären und vegetativen Spannung sowie der Leistungsfähigkeit.
Die präganglionären Nervenzellkörper des Parasympathikus befinden sich v. a. im Hirnstamm sowie im Rückenmark auf Höhe des Kreuzbeins (Kreuzmark). Über bestimmte Nerven, wie den Nervus vagus, verschalten sie sich mit den postganglionären Neuronen, die nahe an den innervierten Organen liegen und somit kurze Nervenfasern aufweisen. Entsprechend des unmittelbaren Wirkungsbereichs des Parasympathikus befinden sich seine postganglionären Nerven überwiegend im und auf dem Magen-Darm-Trakt, dem Herzen oder der Lunge. Seine Effektoren sind:
→ Unterschied zum Sympathikus, der alle Gefäße innerviert, hat der Parasympathikus keinerlei Einfluss auf die Gefäßfunktionen.
Der Parasympathikus ist involviert in trophotrope Reaktionslagen. Hierbei hat der Körper die Möglichkeit zu regenerieren. Im Herz-Kreislauf-System zeigt sich dieser Vorgang etwa durch ein Sinken der Pulsfrequenz, im Magen-Darm-Trakt setzt eine verdauungsfördernde Motorik ein.
Das dritte wesentliche Teilsystem des vegetativen Nervensystems ist das Darmnervensystem, welches das Magen-Darm-System reguliert. Es funktioniert ohne zentralnervöse Einflüsse des Sympathikus und Parasympathikus und verfügt somit über eigenständige Programme zur Regulation der glatten Muskulatur der Darmwände und den Darmdrüsen. Diese sensible Kontrolle und Koordination ist u. a. möglich, da das Darmnervensystem über genauso viele Neuronen verfügt wie das gesamte Rückenmark. Sympathikus und Parasympathikus sind lediglich als Modulatoren zu Beginn der Nahrungsaufnahme und beim Entleeren involviert.
Alle Körperbereiche, die vom Parasympathikus innerviert werden, werden auch vom Sympathikus innerviert, jedoch nicht andersherum. Innervieren beide Systeme, weisen sie eine antagonistische Wirkung auf. Das bedeutet, dass die Aktivierung des einen Systems mit dem Herunterfahren des anderen einhergeht. Bei einer Stressreaktion wird beispielsweise durch den Sympathikus die Pulsfrequenz erhöht, die Körpertemperatur steigt und die Darmaktivität sinkt, während der Parasympathikus in Ruhesituationen die entgegengesetzten Effekte erzeugt. Da die Systeme durch ihre konträren Auswirkungen eine optimale funktionale Anpassung an die jeweilige Situation erwirken, spricht man auch von einem funktionellen Synergismus.
Das vegetative Nervensystem wird durch unterschiedliche Gehirnstrukturen gesteuert, die man unter dem „Central Autonomic Network“ zusammenfasst. Wesentlichen Einfluss haben hierbei das limbische System und der Hirnstamm mit dem Hypothalamus als zentrales Kontrollorgan. Wird dieser verletzt oder nicht ausreichend durchblutet, ist die Regulation des vegetativen Nervensystems nicht mehr gewährleistet. Dies kann u. a. dazu führen, dass hormonelle Regulationsstörungen, gestörte Nahrungsaufnahme, übermäßiger Schlaf oder Bewusstseinsstörungen entstehen. Vegetative Signale werden zu einem großen Teil durch die Medulla oblongata geleitet, von wo aus sie höhere Gehirnregionen wie den Hypothalamus erreichen, der schließlich komplexere Steuerbefehle für das vegetative Nervensystem erzeugt. Seine Wirkung äußert der Hypothalamus auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen reichert er das Blut mit Hormonen an, zum anderen wirkt er neuroelektrisch durch die neuronale Erregungsweiterleitung zu den limbischen und den vegetativen Systemen.
Die synaptische Übertragung im vegetativen Nervensystem erfolgt, wie im zentralen Nervensystem auch, chemisch. Die postganglionären Nervenaxone sind jedoch weitestgehend unmyelinisiert. An den stark verzweigten Endungen weisen die Axone Verdickungen auf, die man Varikositäten nennt. Diese sind gleichzusetzen mit den präsynaptischen Endigungen und beinhalten ebenfalls die Transmittersubstanzen. Anders als im zentralen Nervensystem erfolgt die Übertragung im vegetativen Nervensystem langsamer und flächendeckender. Der Abstand zwischen den Varikositäten und den Zielzellen (wie z. B. Muskelfaserzellen) fällt größer aus, somit muss die Überträgersubstanz weitere Strecken zurücklegen, um das Signal zu übermitteln. Dies hat zur Folge, dass eine Varikosität auch mehrere Zellen erregen kann, dafür aber mehr Zeit braucht als die synaptische Übertragung.
Neurochemisch sind v. a. zwei Überträgerstoffe im vegetativen Nervensystem von Bedeutung: Acetylcholin und Noradrenalin, die jeweils zwei Subsysteme bilden. Acetylcholin ist in Transmissionsprozessen von präganglionären auf postganglionäre Neuronen sowohl im Sympathikus als auch im Parasympathikus der Überträgerstoff. Die Bindung von Acetylcholin am postganglionären Ende erfolgt sowohl beim Sympathikus als auch von Parasympathikus an nikotinerge Acetylcholinrezeptoren, die sich ebenfalls durch die Zufuhr von Nikotin erregen lassen. Für das parasympathische System ist Acetylcholin ebenfalls der Transmitter, der zwischen postganglionären Endungen und Effektororganen wirkt. An den Endungen der Effektoren sind jedoch muskarinäre Rezeptoren vorhanden.
Im sympathischen System ist mit kleinen Ausnahmen der Transmitter, der für die Übertragung zwischen postganglionärer Endigung und Effektorgan verantwortlich ist, Noradrenalin. Es wird gemeinsam mit Adrenalin ausgeschüttet und erzeugt die sympathischen Effekte in den Organen. Diverse Prozesse des vegetativen Systems werden zudem durch die Ausschüttung von Kotransmittern wie Neuropeptiden, ATP und Stickstoffmonoxid begleitet. Sie werden in kürzeren Abständen zusätzlich ausgeschüttet und haben eine neuromodulierende Funktion.
Hirnnerven
Entstehend aus dem Hirnstamm gibt es insgesamt zwölf Hirnnervenpaare, die im Gehirn wie auch im Rest des Körpers unterschiedliche Systeme innervieren, u. a. das Atemsystem und den Verdauungstrakt. Bis auf zwei Nerven, den Nervus opticus und den Nervus olfactorius, sind alle Nerven peripher und verlaufen somit außerhalb des zentralen Nervensystems. Die Nerven haben alle eine jeweils bestimmte sensorische, motorische oder vegetative Funktion.
Nervus Vagus
Auch die Funktionen des Immunsystems sind mit dem vegetativen Nervensystem in Zusammenhang zu bringen. Zahlreiche Zellen des Immunsystems befinden sich in Organen, die auch von Fasern des Sympathikus innerviert werden. Sie haben also die Möglichkeit, über Neurotransmitterausschüttung ebenfalls die Immunzellen zu reizen, die dafür spezifische Rezeptoren aufweisen. Über den Sympathikus werden somit auch wichtige Immunreaktionen auf Stressoren übermittelt.
Entgegen der früheren Annahme, dass das vegetative Nervensystem ein ausschließlich effektorisches System sei, weiß man heute, dass ebenso ein afferentes System existiert. Nervenfasern, die Informationen aus den Organen an das zentrale Nervensystem weiterleiten und somit deren Sinnesrezeptoren bilden, nennt man viszerale Afferenzen. Die über unterschiedliche Hirnnerven (z. B. den Vagusnerv oder Nervus facialis) übermittelten Informationen finden meist unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle statt und tragen zur Steuerung der Organfunktionen bei. Eine Ausnahme stellen die Schmerzsensoren (auch Nozirezeptoren) dar, die bei übermäßiger Reizung oder Dehnung des betroffenen Organs aktiviert werden und sogenannte viszerale Schmerzen erzeugen. Anschließend werden Dehnungs-, Schmerz- oder chemische Reize an das zentrale Nervensystem, genauer den Hypothalamus und Teile des limbischen Systems, weitergeleitet, wo durch die assoziativen und integrativen Prozesse dieser Gehirnareale eine bewusste Empfindung erzeugt wird.
2.4 Das hormonelle System
Neben dem Nervensystem ist das zweite wesentliche Kommunikationssystem des Körpers das hormonelle System. Durch ihre engmaschige Interaktion ermöglichen beide Systeme gemeinsam Kommunikationsformen zwischen weit auseinanderliegenden Organen oder Körperarealen. Während das Nervensystem über chemische Signalweiterleitung Informationen überträgt, funktioniert das hormonelle System (auch endokrines System genannt) über die Freisetzung von Hormonen ins Blut. Hormone werden in sogenannten Drüsenzellen produziert. Eine Gruppierung dieser Drüsenzellen bildet meist eine endokrine Drüse, z. B. die Schilddrüse. Im Gegensatz zu exokrinen Drüsen, die einen Ausführungsgang besitzen (Speichel- oder Tränendrüse), setzen endokrine Drüsen die Hormone ins Blut frei. Nach der Bildung werden Hormone meist in Vesikeln gespeichert, bis sie freigesetzt werden. Nach Freisetzung aus den Drüsen diffundieren die Hormonmoleküle in die Blutkapillaren, von wo aus sie sich weitläufig über den Blutkreislauf verteilen. Ihre Wirkung erzielen sie jedoch lediglich an ihren Zielorten, die über hormonspezifische Rezeptoren verfügen, an die die Moleküle binden können. Die Hormone können so Signale zwischen weit auseinanderliegenden Bereichen kommunizieren, benötigen dafür jedoch wesentlich länger als die elektrische Informationsübertragung.
Chemisch lassen sich Hormone in unterschiedliche Substanzklassen einordnen.
Peptid- und Proteinhormone:
Lipophile:
Einzelne Hormone werden zudem aus der Aminosäure Tyrosin gebildet. Unter anderem werden so durch unterschiedliche Syntheseprozesse Katechylamine und die Schilddrüsenhormone gebildet.
Endokrine Übertragungswege
Die Signalübertragung zwischen zwei Zellen durch Hormone kann auf unterschiedliche Art und Weise ablaufen. Grundvoraussetzung ist hierbei immer eine Senderzelle, von der das Hormon ausgeht und eine Empfängerzelle, in der das Hormon seine Wirkung entfaltet.
Zellen, die gleichzeitig Sender- und Empfängerzelle sind, sind Teil der autokrinen Signalübertragung. Das ausgeschüttete Hormon dockt also nach der Freisetzung ins Blut neben weiteren Zielarealen bei der Senderzelle selbst wieder an und kann somit beispielsweise die eigene Vermehrung initiieren. Diesen Vorgang kann man z. B. in Zellen des Immunsystems beobachten.
Die parakrine Signalübertragung erfolgt mittels hormoneller Botenstoffe zwischen zwei Zellen, die unmittelbar nebeneinander liegen, ohne dass das Hormon ins Blut freigesetzt wird. In einigen Organsystemen, wie Hormondrüsen, ist eine parakrine Signalübertragung vorhanden, die somit ihre gemeinsame Aktivität koordinieren.
Die bekannteste Wirkform der Hormone findet über die endokrine Signalübertragung statt. Meist von einer Hormondrüse gebildet, wird das Hormon ebenso wie bei der autokrinen Signalübertragung über die Blutbahn zu den Zielzellen über weitere Distanzen geleitet.
Das Zusammenwirken von endokriner Übertragung und Nervensystem nennt man neuroendokrine Übertragung. Sie findet beispielsweise statt, wenn lipophile Hormone die Blut-Hirn-Schranke passieren und somit auch an Neuronen des Gehirns eine Wirkung entfalten können. Will man beispielsweise hormonelle Stimmungsschwankungen nachvollziehen, ist es unerlässlich, dieses Zusammenwirken in Betracht zu ziehen.
Zuletzt gibt es den neurokrinen Übertragungsmodus. Dieser beschreibt den Umstand, dass Nervenzellen die Senderzellen sind. Sie schütten Transmitter oder Neuropeptide aus, die entweder mit modulierender Wirkung an einer anderen Nervenzelle andocken (neuromodulatorisch) oder über den Blutstrom Muskel- und Drüsengewebe erreichen (myo- und glandomodulatorisch).
Strukturelle Unterscheidung von Hormonklassen
Die zahlreiche Vielfalt und Wirkungsformen von Hormonen lassen sich nach ihrer chemischen Struktur oder ihrem Bildungsort klassifizieren. Der chemischen Klassifizierung folgend unterscheidet man:
Aminosäurederivate
Steroide
Fettsäurederivate:
Abgesehen von der chemischen Klassifizierung lassen sich Hormone auch nach ihrem Bildungsort strukturell unterscheiden. Man unterscheidet hier zwischen glandulären und aglandulären Hormonen. Hormone, die durch spezielle Hormondrüsen produziert und ins Blut freigesetzt werden, nennt man glanduläre Hormone. Sie kommen beispielsweise in den bekannten endokrinen Drüsen wie der Schild- oder der Bauchspeicheldrüse vor.
Aglanduläre Hormone werden nicht in Drüsen hergestellt, sondern in spezifischen Zellen, die der Hormonsynthese dienen. Zu ihnen zählen insbesondere die Gewebshormone. Sie können nach ihrer Freisetzung entweder über den Blutweg oder durch die Zellzwischenräume zu ihren Empfängerzellen gelangen. Häufig haben aglanduläre Hormone autokrine oder parakrine Wirkungen und entfalten ihre Wirkung somit in naheliegenden Gebieten.
Regulation der hormonellen Aktivität
Die Produktion von Hormonen wird zum einen durch die Aktivierung und Deaktivierung von Genen bestimmt, die für die Synthese von Peptid- und Proteinhormonen verantwortlich sind. Zum anderen erfordern andere Hormone die Aufnahme einiger Grundbausteine, die für die Synthese des Hormons notwendig sind, über die Nahrung. Dazu zählen beispielsweise Steroidhormone, aber auch die meisten Neurotransmitter. Relevant ist zudem die Verfügbarkeit der Enzyme, die die Moleküle der Grundbausteine so modifizieren, dass die Hormonsynthese möglich ist. Die Enzymdichte wird wiederum ebenfalls durch Genexpression bestimmt.
Nach Produktion der Hormone werden diese entweder in Vesikeln gespeichert oder direkt in die Blutbahn freigesetzt und legen oft weite Strecken zurück. Manche Hormone binden hierfür in noch inaktiver Form an Transporterproteine, die das Hormon zu seinem Wirkort transportiert. Die Dichte der Transporterproteine bestimmt somit auch die Wirkintensität des Hormons am Zielort. Dort angekommen wird das Hormon durch die Beteiligung von Enzymen abgespalten und aktiviert.
Der Abbau der Hormone im Blut und an der Empfängerzelle erfolgt auf zwei Wegen. Hormone, die sich inaktiv in der Blutlaufbahn befinden, da sie entweder nie an einen Rezeptor angebunden waren oder sich bereits wieder gelöst haben, werden von Enzymsystemen in unwirksame Teile gespalten. Diese Enzymsysteme bestehen in diversen Organen, u. a. der Niere und der Leber. Darüber hinaus werden Hormonmoleküle, die an die Zelle angebunden haben, innerhalb der Zelle abgebaut und enzymatisch aufgespalten.
Bedeutsame hormonproduzierende Organe
Das hypothalamisch-hypophysäre Hormonsystem
Der Vorderlappen der Hypophyse (Adenohypophyse) produziert wiederum sechs unterschiedliche Hormone, von denen vier als Zielwirkort andere Drüsen haben (glandotrope Hormone), zwei hingegen auf den Gesamtorganismus oder einzelne Organsysteme wirken (effektorische Hormone). Der Hypophysenvorderlappen schüttet u. a. Prolactin, wesentlich für die Produktion von Muttermilch, sowie Somatotropin, ein Wachstumshormon, aus.
Darüber hinaus produziert die Adenohypophyse zwei glandotrope Hormone, das follikelstimulierende Hormon (FSH) und das luteinisierende Hormon (LH), welche die menschlichen Sexualfunktionen steuern. Ihre Ausschüttung erfolgt durch das hypothalamische Hormon GnRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon). Nach Freisetzung der Hormone wird ihre Ausschüttung durch negative Rückkopplung reguliert. Die Konzentration des Hormons wird durch den Hypothalamus registriert und stoppt die andauernde Hormonproduktion.
Der Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) setzt zwei Peptidhormone frei, das antidiuretische Hormon (ADH, oder auch Vasopressin) und Oxycotin. Die Neurohypophyse selbst ist keine Drüse, sondern ein Gehirnareal, das neuronale Verbindungen zum Hypothalamus aufweist. Sie setzt die hypothalamischen Hormone ADH und Oxyzotin lediglich frei, die über die Fortsätze von hypothalamischen Neuronen zu ihr gelangen. ADH erwirkt eine Steigerung des Blutdrucks und erhöht zudem die Harnkonzentration in der Niere. Darüber hinaus ist es involviert in Sexualverhalten, Lernprozesse und emotionales Empfinden. Oxyzotin steuert das Einschießen der Milch beim Stillen und hat eine kontraktionsfördernde Funktion während der Geburt. Darüber hinaus ist es auch in das Sexualverhalten und in Gedächtnisprozesse involviert, inwiefern, ist jedoch nicht vollständig erschlossen.
Sexualhormone und die Regulation der Gonadenfunktion
Nach Freisetzung des Hormons Gonadoliberin werden schließlich in der Hypophyse die glandotropen Hormone LH und FSH ausgeschüttet. Das luteinisierende Hormon aktiviert in den Hoden die Produktion von Testosteron und weiteren Androgenen, welche anschließend in den Blutstrom freigesetzt werden. Außerdem wird die Eiweißsynthese durch Ausschüttung der Androgene gefördert und erklärt die verstärkte muskulöse Ausprägung und Größe von Männern gegenüber Frauen. Das follikelstimulierende Hormon ist gemeinsam mit dem Testosteron wiederum verantwortlich für die Produktion von Sperma.
Bei Frauen reift im ersten Teil des weiblichen Zyklus (Tag 1–12) ein Follikel, der Östradiol synthetisiert. Das produzierte Östradiol sorgt dann durch negative Rückkopplung für eine Inhibierung von LH- und FSH-Ausschüttung durch die Hypophyse. Somit werden diese Hormone in der ersten Zyklushälfte nur geringfügig freigesetzt. Ab dem zwölften Tag erhöht sich die Östradiolausschüttung stark und sorgt für eine positive Rückkopplung. LH- und FSH-Konzentration steigen stark an und der LH-Gipfel sorgt schließlich für die Freisetzung einer befruchtungsfähigen Eizelle. Der Follikel entwickelt sich in der Folge zum Gelbkörper und beginnt, Progesteron zu produzieren. Im letzten Teil des Zyklus (Tag 16–28) wird die Gebärmutterschleimhaut durch Östradiol und Progesteron auf die Eieinnistung vorbereitet. Tritt dies nicht ein, wird die Schleimhaut schließlich abgestoßen.
Bauchspeicheldrüse
Nimmt der Mensch Glukose zu sich (z. B. durch Traubenzucker), steigt der Glukosegehalt im Blut schnell an und überschreitet seinen Sollwert von 80–100 mg pro 100 ml Blut. In der Folge schüttet die Bauchspeicheldrüse Insulin aus, was als unmittelbarer Regulator des Glukosegehaltes im Blut zu verstehen ist. Insulin sorgt für eine Regulation der Glukosekonzentration, indem es den Glukoseverbrauch fast aller Zellen erhöht und die Leber die Glukose in chemisch geänderter Form als Glykogen speichern lässt. Darüber hinaus veranlasst Insulin die Fettzellen zu erhöhter Fettspeicherung, wofür ebenfalls Glukose benötigt wird.
Tritt der gegenteilige Fall ein und der Blutzuckerspiegel sinkt zwischen den Mahlzeiten unterhalb des Sollwertes, wird die Insulinproduktion inhibiert und Glukagon wird freigesetzt. Es befördert in der Leber die Umwandlung von Glykogen zurück in Glukose und kann zudem bewirken, dass die Leber aus Aminosäuren Glukose herstellt, sollten die Glykogenspeicher leer sein.
Die Funktion von Somatostatin ist noch nicht vollends geklärt, sicher ist jedoch, dass es eine hemmende Wirkung auf die Hormondrüsen hat, die Glukagon und Insulin produzieren und somit ebenfalls den Glukosespiegel mitreguliert.
Die Schilddrüse
Die Nebenniere
Lektion 3: Bewegung
3.1 Muskulatur und Muskelkontraktion
Der menschliche Körper besitzt drei Arten von Muskelgewebe, die sich in Aufbau und Funktion unterscheiden: die Herzmuskulatur, die glatte Muskulatur und die quergestreifte Skelettmuskulatur.
Herzmuskulatur
glatte Muskulatur
quergestreifte Skelettmuskulatur
Aufbau der Skelettmuskulatur
Die einzelnen Skelettmuskeln unseres Körpers besitzen einen Muskelbauch aus langgestreckten Muskelfasern (Muskelzellen), Bindegewebe, Blutgefäßen und Nervenzellen (Neuronen). Den Muskel umgibt ein breites, kollagenhaltiges Bindegewebeband (Faszie), das den Muskel in seiner Form und Lage hält. Die äußerste Hülle des Muskels (Epimysium) geht an den Enden in die Sehnen über, die den Muskel mit dem Knochen verbinden und zur Übertragung des Muskelzugs auf den Knochen wichtig sind. Jede einzelne Muskelfaser ist eine einzelne Muskelzelle, die mehrere Zentimeter lang und 0,01–0,1 mm dick sein kann sowie von einer Zellmembran (Sarcolemm) umgeben ist. Mehrere Muskelfasern zusammen bilden Muskelfaserbündel (Faszikel) von teils mehreren Zentimetern Länge und einem Durchmesser von 0,1–1 mm.
Der Skelettmuskel besitzt die Fähigkeit, nach elektrischer Erregung Kraft aufzubauen. Hierzu liegen im Inneren der Muskelzellen kontraktile Elemente, die als Myofibrillen bezeichnet werden und einen Durchmesser von etwa 1 µm haben. Jede Muskelfaser enthält Hunderte von Myofibrillen, die jeweils in Abschnitte unterteilt und von Z-Scheiben getrennt sind. Der Bereich von einer Z-Scheibe zur nächsten wird als Sarkomer bezeichnet und enthält alle für die Kontraktion notwendigen Elemente. Mehr oder weniger stark lichtbrechende Bereiche führen im Mikroskop zu einer Hell-Dunkel-Bänderung, weshalb die Muskeln als quergestreift bezeichnet werden (siehe Abbildung oben). Die einzelnen Sarkomere bestehen aus parallel angeordneten Aktin- und Myosin-Filamenten, die den eigentlichen kontraktilen Apparat bilden. Innen liegende, dickere Myosin-Filamente sind mithilfe des Proteins Titin an den zwischen den Sarkomeren liegenden Z-Scheiben angeheftet. Die außen liegenden dünnen Aktin-Filamente binden Regulatorproteine wie Troponin mit Bindungsstellen für Ca2+-Ionen, die beim Kontraktionsstart eine wichtige Rolle spielen. Ankerproteine wie Dystrophin und Merosin verankern die Filamente an der extrazellulären Matrix und am Sarcolemm. Hierdurch kann die Muskelkraft auf die Sehnen und somit auf den Muskel übertragen werden.
Sehr unterschiedlich große Muskelproteine (Molekulargewicht zwischen 40 und 4.000 Kilodalton (kDA)) sind an der Aktivität der Skelettmuskeln beteiligt. Bei verschiedenen Erbkrankheiten führen Gendefekte und ein Mangel an Muskelproteinen zu Muskelschwäche und -schwund, etwa bei der Gruppe der Muskeldystrophien, bei denen Mutationen in Dystrophin, Myotilin, Sarcoglykan, Titin und anderen Proteinen zu finden sind.
Muskelkontraktion
Die Kontraktion der Muskeln basiert auf der Kontraktion der Sarkomere.
Die Dehnbarkeit der Muskeln beruht auf Titin (Connectin), dem größten beim Menschen bekannten Protein, das aus 34.000 Aminosäuren besteht und ein Molekulargewicht von 3,6 Megadalton (MDa) aufweist. Das sehr elastische Muskelprotein ist im A-Band des Sarkomers am Myosin-Filament angelagert und wichtig für dessen Position. Im Bereich des I-Bandes ist Titin bis zu zehnfach dehnbar, sodass es wie ein Gummiband wirkt und den kontraktilen Apparat nach der Dehnung wieder in den Ruhezustand zurückbringt. Damit die Muskeln bei der Dehnung nicht „auseinanderfallen“, werden sie von den Faszien in Form gehalten.
Muskeltonus
Jede Muskelfaser bzw. jeder Muskel hat eine gewisse Länge und Spannung (Tonus), die bei Kontraktion gegenüber der Ruhestellung verändert wird. Es gibt drei Hauptformen der Kontraktion:
Die Vielzahl unserer Bewegungen wird erst durch das Zusammenspiel der einzelnen Muskeln ermöglicht, die intermuskuläre Koordination. So kann sich ein Muskel (Agonist) durch Kontraktion beugen oder strecken; für die gegenläufige Bewegung ist aber ein weiterer Muskel nötig (Antagonist). Wird ein Beugemuskel verkürzt, wird gleichzeitig der korrespondierende Streckmuskel gedehnt (erschlafft). Wird also der Bizeps im Oberarm zum Beugen des Ellenbogengelenks kontrahiert, wird gleichzeitig der Trizeps gedehnt.
Energieumsatz im Muskel
Die Muskelkontraktion ist abhängig vom Energieumsatz im Muskel, bei dem durch die Spaltung des chemischen Energieträgers ATP (Adenosintriphosphat) Energie zur Verfügung gestellt wird. Dabei wird ATP in ADP (Adenosindiphosphat) und Phosphat gespalten und die Energie in mechanische Arbeit umgewandelt. Bei optimalen Bedingungen liegt der Wirkungsgrad bei 40–50 %, der Rest der Energie wird in Wärme umgewandelt, die zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur beiträgt.
Da die ATP-Vorräte in den Muskelzellen nur begrenzt sind, muss ATP stets neu regeneriert werden, wofür verschiedene aerobe und anaerobe Mechanismen zur Energiegewinnung zur Verfügung stehen. Die aerobe Oxidation von Glucose (Abbau von Glucose zu Pyruvat und nachfolgend CO2 und H2O) bestimmt die Dauerleistungsfähigkeit und wird bei körperlicher Belastung wie einem Mittelstreckenlauf oder Judo genutzt. Zusätzlich steht hier die aerobe Oxidation von Triglyceriden (Fettsäureabbau zu CO2 und H2O) zur Verfügung. Die Spaltung von Kreatininphosphat (CrP) erfolgt bei kurzzeitiger Höchstleistung (wie Weitsprung oder Sprint) und die anaerobe Glykolyse (Glucoseabbau zu Pyruvat und nachfolgend Milchsäure/Laktat) bei längerfristiger Höchstleistung, wie einem Langstreckenlauf. Bei Letzterem sammelt sich Laktat in Zellplasma und Blut an (metabolische Azidose), weil dieses nicht schnell genug abtransportiert werden kann, und es kommt im Lauf der Zeit zur Ermüdung des Muskels. Eine gute Durchblutung des Muskels ist wichtig für die Versorgung der Muskelfasern. Bei ATP-Mangel erstarrt der Muskel und es kommt zur Dauerverkürzung, wie auch bei der Totenstarre (Rigor mortis).
Muskelveränderungen und Störungen
Muskelveränderungen und Störungen können infolge von Training, Überlastung, Verletzung oder aufgrund erblicher Faktoren auftreten. Bei ungewohnter oder übermäßiger Belastung kommt es nach etwa 24 bis 48 Stunden zum Muskelkater, der durch feine Risse (Mikroläsionen) der überlasteten Muskelfasern verursacht wird. Dies führt zu lokal begrenzten Entzündungen mit Wassereinlagerung und verminderter Durchblutung, was durch freigesetzte Mediatoren zu Schmerzen führt. Ob Magnesium beim Abklingen hilft, ist umstritten; Muskelmassage wird als effektivste Methode diskutiert. Ein Muskelkrampf wird durch hochfrequente repetitive Kontraktionen verursacht, die zum anhaltenden Tetanus (Spannung) führt. Ursachen können Überanstrengung oder Ca2+-Mangel sein. Aufgrund von mangelnder Durchblutung und verminderter Sauerstoffversorgung mit Ansäuerung des Muskelgewebes durch Laktatansammlung werden Nozizeptoren erregt, die den Schmerz verursachen. Beruht die Energiegewinnung der Muskelzellen überwiegend auf anaerober Glykolyse, kann dies zur metabolischen Azidose (Ansäuerung des Blutes) mit Ansammlung von Laktat führen, die in Muskelermüdung mit abnehmender Muskelkraft resultiert. In diesem Fall wird die willkürliche Erregung vom zentralen Nervensystem her reduziert, um den Muskel zu schonen.
Nicht nur körperliche Überbelastung des Muskels, sondern auch psychische Belastung (Stress) kann zu Muskelverspannungen führen, die sich in Druck- und Bewegungsschmerzen äußern. Diese sind Ansatzpunkt der Triggerpunkttherapie, deren Wirkung auf die mechanische Behandlung druckempfindlicher und ständig kontrahierter Muskelfasern zurückgeführt wird. Bei der Regeneration des Muskels nach Verletzung tragen Muskelstammzellen mit ihrer Fähigkeit der ständigen Zellteilung zur Bildung neuer Muskelzellen bei. Die Kraft im Muskel kann durch körperliches Training gesteigert werden, bei dem die Dicke der Muskelfasern zunimmt. Bei extremem Krafttraining kommt es zur Muskelhypertrophie, die durch eine extreme Zunahme des Durchmessers jener Muskelfasern gekennzeichnet ist, die mehr Muskelfibrillen enthalten und zu kräftigeren Kontraktionen in der Lage sind. Bei Ruhigstellung des Muskels, Denervierung, vermehrtem Proteinabbau (durch Extremdiät, Anorexie) und im Alter kommt es dagegen leicht zur Muskelatrophie (Muskelabbau), bei der Muskelfibrillen zugrunde gehen und die Größe der Muskelfasern schrumpft. Die Muskeldystrophie ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die mit Veränderungen der Muskelproteine und dem Untergang der Muskelfasern einhergeht.
3.2 Die motorische Einheit und elektromechanische Kopplung
Basis der Muskelkontraktion ist die Erregbarkeit der Muskelfasern, die damit elektro-physiologische Eigenschaften besitzen. Die einzelnen Muskelfasern sind durch Motoneuronen innerviert, deren Aktionspotenziale über die motorische Endplatte auf die Muskelfaser übertragen werden und so zur intrazellulären Verschiebung von Aktin- und Myosin-Filamenten und folglich Kontraktion der Muskelfaser führen. Das Zusammenspiel von elektrischem Reiz durch die Motoneuronen und der Kontraktion der Muskelfaser wird als elektromechanische Kopplung bezeichnet. Das Motoneuron und die versorgten Muskelfasern bilden zusammen die motorische Einheit.
Motoneuronen
Je geringer die Anzahl von Muskelfasern in einer motorischen Einheit ist, desto genauer ist zwar die Feinsteuerung, desto kleiner aber ist auch die Kraft. So ist bei größeren Muskeln der Arme und Beine oder bei den Kaumuskeln in der Schläfe (Musculus temporalis) ein Motoneuron mit bis zu tausend Muskelfasern gekoppelt. Bei der für die Augenposition verantwortlichen Muskulatur besteht dagegen eine 1:1-Kopplung von Motoneuron und Muskelfasern.
Hemmung und Aktivierung der Muskelkontraktion
Die Muskelkontraktion kann durch Hemmung und Aktivierung der synaptischen Signalübertragung durch Gifte und pharmazeutische Wirkstoffe beeinflusst werden, was zu Muskelschwäche und Lähmung führt. So hemmt beispielsweise Botulinumtoxin (Botox, BTX) die Vesikelentleerung und das alpha-Bungarotoxin der Kobra die Öffnung der Ionenkanäle. Auch das südamerikanische Pfeilgift Curare blockiert die AcH-Bindung und damit die Muskelkontraktion. Curara-ähnliche Substanzen wie Tubocurarin (Curare) verdrängen AcH vom Rezeptor und werden deshalb in der Medizin als Muskelrelaxans eingesetzt, Cholinesterase-Hemmer und AcH-ähnliche Substanzen zur Neuroprotektion bei der Alzheimerkrankheit.
Andererseits können die AcH-Rezeptoren der Skelettmuskulatur durch Nikotin oder nikotinerge Substanzen wie Coniin (Schierlingpflanze) und das Alkaloid Cytisin (Goldregen) aktiviert werden, die bei höherer Dosis zu Atemlähmung und Herzstillstand führen. Auch bei einigen Erkrankungen sind AcH-Rezeptoren betroffen. Bei der Muskelschwäche Myasthenia gravis bildet der Körper blockierende Autoantikörper gegen AcH-Rezeptoren, wodurch die Reizübertragung von Motoneuron auf Muskelfasern gestört ist.
Bei der elektromechanischen Kopplung spielt Calcium eine entscheidende Rolle, das infolge eines Aktionspotenzials in das Zellplasma einströmt und das Gleiten der Aktin-Myosin-Filamente zur Kontraktion einleitet. Die elektromechanische Kopplung erfolgt damit in drei wesentlichen Schritten:
Der Einzelreiz leitet immer die maximale Ca2+-Ausschüttung ein und damit eine maximale Einzelzuckung der Muskelfaser (Alles-oder-nichts-Regel). Die Dauer der Einzelzuckung ist dabei etwa 100-mal länger als die Dauer des Aktionspotenzials (1–2 ms). Die Stärke der Muskelaktivität (Kraft) hängt jedoch davon ab, wie viele Muskelfasern gleichzeitig aktiviert („rekrutiert“) werden und wie hoch die Erregungsfrequenz ist.
Muskelfasertypen
Die einzelnen Muskeln kontrahieren unterschiedlich schnell, was vom Anteil der vorhandenen Muskelfasertypen bestimmt wird.
Die Ausbildung des Muskeltonus (Spannung) und die Stärke der Muskelkontraktion wird über die Erregungsfrequenz (Aktionspotenziale zur Tetanisierung) und die Anzahl der aktivierten motorischen Einheiten (Rekrutierung) bestimmt.
Einzelne Reize in einer Frequenz von etwa 5 Hz führen zu einzelnen Kontraktionen der Muskelfasern und ergeben aufsummiert die Grundspannung des Muskels (Muskelgrundtonus), die beispielsweise im Schlaf vorliegt. Ab einer Frequenz von 50–100 Hz entsteht ein unvollständiger Tetanus mit normaler Muskelkontraktion, was in der Neurologie anhand des Widerstandes beim aktiven Anheben des Armes untersucht wird. Auch zur Aufrechterhaltung der Körperstellung, z. B. beim Stehen, ist ein leichter Muskeltonus nötig. Schnelle Bewegungen wie beim Klavierspiel können nur bei solch einem geringen Muskeltonus ausgeübt werden. Steigt die Kontraktionsfrequenz an, sodass die Einzelkontraktionen nicht mehr zu unterscheiden sind, kommt es zu anhaltender Muskelspannung (vollständiger Tetanus), durch die der Skelettmuskel maximale Kraft entwickelt, wie sie beispielsweise zum Stemmen eines schweren Gegenstandes benötigt wird. Jedoch steigt der Muskeltonus auch schon bei geistiger Arbeit oder psychischer Belastung (Stress) an. Hier können Entspannungstraining, EMG-Biofeedback und Muskelrelaxantien zur Verringerung des Muskeltonus beitragen. Das Tetanustoxin des Bakteriums Clostridium ist für Wundstarrkrampf (Tetanus) mit spastischen Lähmungen verantwortlich. Gelangt Tetanustoxin über eine Wunde in den Körper, kann es über Axone zum Rückenmark gelangen und die Steuerung der Motoneuronen ausschalten, was zur Dauererregung und Anspannung der betroffenen Muskelfasern führt.
Der Rigor (erhöhter Muskeltonus) ist vom Tetanus (anhaltender Muskeltonus) zu unterscheiden und wird nicht durch vermehrte Aktionspotenziale, sondern durch lokale Dauerpolarisation ausgelöst, die auf einer erhöhten extrazellulären K+-Ionenkonzentration oder in einer beispielsweise durch Koffein hervorgerufenen Ca2+-Ionen-Freisetzung beruht. Der Rigor ist auch das Hauptsymptom der Parkinsonkrankheit und wird dort durch Dopaminmangel ausgelöst.
Elektromyografie
Vielfältigen muskulären und neuromuskulären Erkrankungen liegen Schädigungen des Muskels oder der Motoneuronen bzw. Veränderungen der Signalübertragung an der motorischen Endplatte zugrunde. Eine gängige elektrophysiologische Untersuchungsmethode der elektrischen Muskelaktivität ist die Elektromyografie (EMG). Hierbei wird anhand extrazellulärer Potenzialableitung mithilfe von Nadel- oder Oberflächenelektroden die Funktions- und Leistungsgeschwindigkeit der motorischen Bahnen bestimmt und als Elektromyogramm (EMG) dargestellt. Die folgende Abbildung zeigt ein solches Elektromyogramm mit gleichzeitiger Ableitung an zwei motorischen Einheiten (I und II) in demselben Muskel mithilfe zweier Nadeln (A: erschlaffter Muskel, B: schwache willkürliche Kontraktion, C: maximale willkürliche Kontraktion)
So trägt das Elektromyogramm (EMG) zur Diagnostik von Poliomyelitis (spinaler Kinderlähmung, „Polio“) bei, die durch Infektion mit dem Poliovirus verursacht wird und zum Untergang von Motoneuronen im Rückenmark führt. Auch Myasthenien, die mit einseitiger Lähmung und verringerter Kraft einhergehen sowie Myotonien, bei denen eine erhöhte Muskelspannung zur verzögerten Erschlaffung (Relaxation) des Muskels nach Kontraktion führt, können mittels EMG detektiert werden.
Die Psychophysiologie nutzt das EMG, um psychisch bedingte Anspannungen durch Messungen an Stirn, Nacken-, Unterarm- oder Stirnmuskulatur zu detektieren.
Ebenso wird das emotionale Erleben anhand der Gesichtsmuskulatur untersucht, wobei nicht unbedingt auf die Muskelspannung des gesamten Körpers zurückgeschlossen werden kann, weil psychische Belastungssituationen zu unterschiedlich starker Anspannung verschiedener Muskelgruppen führen. Das EMG wird auch in der Verhaltensmedizin zum Biofeedback eingesetzt, einer Methode zur psychologischen Kontrolle von physiologischen Bedingungen. Beispielsweise wird bei der Therapie spannungsbedingter Schmerzen oder bei der lernpsychologischen Rehabilitation bei spastischen Lähmungen die Rückmeldung einzelner Muskelgruppen betrachtet.
3.3 Muskuläre Afferenzen
Damit Bewegungen steuerbar sind, müssen Informationen über den Zustand der Muskeln ins zentrale Nervensystem geleitet werden. Der Stellungssinn der Tiefensensibilität (Propriozeption) ist für Informationen über die Stellung von Muskeln und Gelenken, über Einzelbewegungen und über externe Bedingungen, wie Größe und Gewicht eines zu hebenden Gegenstandes, verantwortlich. Nur durch ständige Rückkopplung und Anpassung der Bewegungsabläufe an die herrschenden Bedingungen sind flüssige Bewegungen wie beim Gehen oder Schreiben erst möglich.
Die Übermittlung der Informationen erfolgt durch Afferenzen aus dem Muskelbereich, die zum Rückenmark ziehen. Die Weiterleitung erfolgt von dort in Richtung Gehirn, wo beispielsweise im Kleinhirn die Kommandos zur Anpassung der Bewegung an geänderte Bedingungen erfolgen.
Im Bewegungsapparat gibt es drei Arten von Propriozeptoren (Sensoren der Tiefensensibilität): Die Muskelspindeln zur Bestimmung der Muskeldehnung, die Golgi-Sehnenorgane zur Bestimmung der Muskelspannung und die Ruffini-Körperchen zur Bestimmung der Dehnung der Gelenke.
Muskelspindeln
Glogi-Sehnenorgane
Neben Muskeldehnung (Muskelspindeln) und Spannung (Golgi-Sehnenorgan) wird als Drittes die Gelenkstellung über Drucksensoren (Ruffini-Körperchen) in der Gelenkkapsel bestimmt.
Verschaltung der Muskelfasern
Nur durch die Verschaltung und ständige Rückkopplung der motorischen und sensorischen Muskelfasern ist die Anpassung der Bewegungsabläufe und damit eine flüssige Bewegung möglich. Die folgende Abbildung zeigt einen Muskel mit einem exemplarisch dargestellten α-Motoneuron (links), einer Muskelspindel mit afferenter Verbindung zum Rückenmark (Mitte) und ein Golgi-Sehnenorgan (rechts) mit seiner Afferenz, die auf ein Interneuron projiziert, das hemmend auf das α-Motoneuron wirkt.
Kommt es beispielsweise infolge einer Verletzung zur Deafferenzierung und Unterbrechung des Informationsflusses ins zentrale Nervensystem, tritt trotz intakter Motorik eine Lähmung ein. Dabei scheint nicht die Initialisierung der Bewegung, sondern die Aufrechterhaltung gestört zu sein, was sich z. B. an Gangunsicherheiten zeigt. Zur Lähmung kommt es dabei häufig durch sogenannte gelernte Vernachlässigung („learned disuse“), die eintritt, wenn ein Körperglied nach erfolglosen Bewegungsversuchen aufgrund mangelnder sensorischer Rückmeldung vom Patienten nicht mehr bewegt wird. Dies findet sich häufig in der Rehabilitationsphase bei einseitiger Lähmungen nach Verletzung oder Schlaganfall; wird zur Therapie das ausweichend genutzten Körperglied ruhiggestellt (fixiert), lernt das deafferenzierte Gegenstück die Bewegung wieder. Dieses Vorgehen wird als „Constraint-Induced Movement Therapy“ (CIMT) oder auch „Physical Restraint Therapy“ bezeichnet.
3.4 Grundlagen der Steuerung von Bewegung und Haltung
Für die Kontrolle von Haltung und Bewegung sind die motorischen Zentren des zentralen Nervensystems verantwortlich, welche die subkortikalen Motivationsareale, assoziativen Kortex, Hirnstamm, Rückenmark und weitere Strukturen umfassen. Ihre Aufgaben reichen vom Erstellen des Bewegungsplans über die Unterstützung von Reflexen bis hin zur Kontrolle der Ziel- und Stützmotorik einschließlich der Regulation von Muskellänge und -spannung. Der Ablauf einer Bewegung führt vom Plan über das Programm bis zur Ausführung.
Klassifizierung von Bewegungen
Bewegungen lassen sich unter verschiedenen Blickwinkeln einteilen: instinktiv vs. geplant, automatisch vs. wenig automatisch, unwillkürlich vs. willkürlich, spinale vs. höhere Steuerung oder auch nach der Funktion.
Angeborene instinktive Bewegungen sind Reaktionen, die häufig durch Schlüsselreize ausgelöst und ungeachtet der Konsequenzen („blind“) durchgeführt werden, ohne dass Aufmerksamkeit und Lernen aktiviert sind. Beim Menschen lässt sich die Mimik (als Teil der Emotionen) als instinktiv einordnen, die allerdings z. T. auch erlernt sein kann. Dagegen geht bei zukunftsorientierten Bewegungen der Ausführung immer eine Planung voraus. Die Gehirnprozesse bei geplanten Bewegungen lassen sich mittels Elektroencephalografie (EEG), Magnetresonanztomografie (MRT) oder Positronen-Emissions-Tomografie (PET) sichtbar machen.
In der Medizin wird in der Regel zwischen unwillkürlichen (von der Person ungewollten) und willkürlichen (von der Person gewollten) Bewegungen unterschieden, was sich auf das subjektive Empfinden der Person bezieht. Der aufrechte Gang beispielsweise ist eine willkürliche Bewegung, während der Sehnenreflex als unwillkürlich einzuordnen ist.
Schon um 1900 teilte der britische Neurologe John Hughlings Jackson (1835–1911) Bewegungen in Kategorien ein, die von „am meisten automatisch“ bis „am wenigsten automatisch“ reichten. Dabei befinden sich Reflexe (z. B. Sehnenreflex, Patellareflex) an einem Ende der Skala und zielgerichtete Willkürbewegungen (Greifen, Schreiben, Musizieren) am anderen Ende der Skala.
Das Modell von Jackson ist heute noch gültig, wenngleich mittlerweile klar ist, dass die beteiligten motorischen Zentren parallel und miteinander verzahnt arbeiten. Dabei sind die motorischen Reaktionen und Bewegungen ständig auf die Rückkopplung aus den verschiedenen sensorischen Systemen angewiesen, weshalb hier auch von Sensomotorik gesprochen wird.
Brust- und Atemmuskulatur sind aus heutiger Sicht Beispiele für die Beteiligung mehrerer Steuerungskomponenten. Die Atmung gilt primär als autonome Grundfunktion des Körpers, die zentral gesteuert und durch inspiratorische und exspiratorische Nerven als Rhythmusgeber unterhalten wird. Die Atmung wird im Atemzentrum des Hirnstamms entsprechend CO2-Gehalt, pH-Wert und Sauerstoffgehalt des Blutes sowie den hormonellen Signalen reguliert. So spielen auch psychische Faktoren wie Angst und Freude eine Rolle, die hormonelle Veränderungen (z. B. Adrenalinausschüttung) auslösen und damit die Atmung beeinflussen. Atemreize aus der Peripherie wirken ebenfalls modulierend, sogar eine willentliche Beeinflussung ist zu einem gewissen Maße möglich.
Spinale Motorik und höhere Motorik
Hinsichtlich der Bewegungskontrolle wird zwischen spinaler und höherer Motorik unterschieden.
Spinale Motorik
Höhere Motorik
Stütz- und Zielmotorik agieren allerdings nicht unabhängig voneinander. So setzt beispielsweise das willkürliche Laufen den aufrechten Gang voraus und muss somit von der Stützmotorik durch Stand, Haltung und Bewegung unterstützt werden. Hierzu liefern Muskelspindeln und Golgi-Sehnenapparat Informationen über die Stellung der Körperteile und ermöglichen so die Korrektur der Bewegung. Im Gegenzug sind Sinne wie der Tastsinn auf die motorische Aktivität beispielsweise der Finger angewiesen.
Psychomotorik
3.5 Steuerung der Motorik durch das Gehirn
Die Steuerung der Motorik verläuft auf verschiedenen Ebenen des Nervensystems in sogenannten motorischen Zentren, die vom Rückenmark bis zum Gehirn verteilt und über neuronale Bahnen miteinander verschaltet sind.
Die Axone der an den Muskelfasern angreifenden Motoneuronen reichen von den motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarks bis zu den innervierten Muskeln. Motoneuronen erhalten über ihre Dendriten synaptische Zuflüsse von höher gelegenen Zentren der Motoriksteuerung. Diese erregenden (exzitatorischen) und hemmenden (inhibitorischen) Reize werden gesammelt und führen am Axonende (Axonhügel) des Motoneurons zum Auslösen eines Aktionspotenzials und zur Erregung der Muskelfaser. Regulatorisch zu unterscheiden sind die spinale Motorik (auch: Spinalmotorik) mit Bewegungskoordination auf Rückenmarksebene (Reflexe) und die höhere Motorik mit Koordination der Stütz- und Zielmotorik auf Ebene des Gehirns.
Die für das Gleichgewicht und die Körperstellung wichtige Stütz- sowie die Zielmotorik mit willkürlichen Bewegungen werden größtenteils vom Gehirn gesteuert und somit der höheren Motorik zugerechnet. Dabei wird das Bewegungsprogramm im prämotorischen Kortex des Gehirns entwickelt und mit Hirnstamm, Basalganglien und Kleinhirn abgestimmt, um danach an den Motorkortex weitergeleitet zu werden. Dort wird der letztliche Befehl für die Bewegung erteilt und die Information über die absteigende Pyramidenbahn an die Motoneuronen an den Muskeln geleitet, die so zur Kontraktion gebracht werden. Die aufeinanderfolgende Aktivität der einzelnen Bereiche lässt sich in der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) nachweisen. So zeigt sich bei der Durchführung einer Bewegung als erstes eine gesteigerte Aktivität in den motorischen Kortexarealen, die dann in eine Aktivität der Basalganglienbereiche übergeht, bevor es zur tatsächlichen Bewegung kommt. Die Steuerung der Motorik erfolgt somit als Befehlsfolge der beteiligten motorischen Zentren.
Motorische Zentren
Die beteiligten Gehirnareale werden als motorische Zentren bezeichnet, sind miteinander verschaltet und an unterschiedlichen Funktionen beteiligt:
Die motorischen Zentren werden in drei eng miteinander verzahnte Bereiche eingeteilt:
Extra-pyramidale Zentren
Zu den extra-pyramidalen motorischen Zentren zählen:
Der Hirnstamm (Medulla oblongata, Pons, Mesencephalon) ist die Schnittstelle zwischen Gehirn und Rückenmark und aktiviert oder hemmt über die absteigenden (deszendierenden) Bahnen (auch extrapyramidale Bahnen genannt) die Motoneuronen des Rückenmarks. Mit seinen motorischen Kerngebieten Nucleus ruber, Nucelei vestibulares und Teilen der Formatio reticularis hat er wichtige Aufgaben in der Stütz- und Zielmotorik, wie die Aufrechterhaltung der Körperstellung und des Gleichgewichts in Reaktion auf Umwelteinflüsse sowie die Abstimmung von Stand, Haltung und Bewegung beim Stehen und Laufen, auch durch posturale Reflexe.
Das Kleinhirn (Cerebellum) mit einer Vielzahl verschalteter Neuronen ist für das Aufstellen der Bewegungsprogramme im Bereich der Stütz- und Zielmotorik sowie die Anpassung der Bewegung an wechselnde Bedingungen zuständig. Hierzu zählt neben der Steuerung des aufrechten Gangs und der Haltung auch die Augenmotorik, ein wichtiger Bereich der Feinmotorik. Außerdem spielt das Kleinhirn beim Erlernen automatisierter motorischer Reaktionen wie dem Lidschlagreflex (einem Schutzreflex) eine wichtige Rolle. Somit hat das Kleinhirn eine ganze Reihe von Aufgaben in der Koordination sensorischer und motorischer Reize, weshalb bei Störungen im Kleinhirn typische motorische Defizite auftreten, so etwa Tremor, Hypotonus, Dysmetrie und cerebelläre Ataxie mit der Störung von Gleichgewicht oder Extremitätenbewegung.
Als Basalganglien wird eine Gruppe von Endhirn- und Zwischenhirnkerngebieten (Nucleus caudatus, Putamen und Globus pallidus (Pallidum)) bezeichnet, welche an der Zielmotorik beteiligt sind. Sie überführen den im Kortex gebildeten Bewegungsplan in ein Bewegungsprogramm mit geregelten Impulsmustern. So kontrollieren sie laufende Bewegungen durch Rückkopplung (Feedbackschleifen) und sind an Überprüfung und Modulation von Bewegungsentwürfen beteiligt. Dabei werden zur Koordination hemmende und erregende (aktivierende) Impulse generiert und Begleitbewegungen unterdrückt. Ist diese koordinierte Erregung und Hemmung aufgrund von Störungen in den Basalganglien verhindert, treten Dystonie und Hyperkinese auf. Dabei zeigen sich Bradykinese und Akinese (Verlangsamung bis Bewegungsarmut) als Bewegungshemmung sowie Rigor (Muskelsteifheit) und Tremor (Zittern) als Enthemmung der Motorik, d. h. Überschussreaktion. Beides tritt bei der Parkinsonkrankheit auf, bei der die Ursache im Absterben der dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra liegt.
Eine Enthemmung der Motorik findet sich insbesondere bei Chorea Huntington, einer erblichen Erkrankung, die mit der Degeneration GABA-erger Neuronen assoziiert ist und auf wiederholte DNA-Abschnitte im Huntington-Gen zurückgeführt wird. Anfangs äußert sich die Erkrankung mit depressiven Verstimmungen, Aufmerksamkeitsschwankungen und Hemmungslosigkeit, später kommen Bewegungsstörungen hinzu. Chorea Huntington wird auch heute noch als „Veitstanz“ bezeichnet, da im Mittelalter die unwirschen Bewegungen als Tanz (Chorea = Tanz) zu Ehren des heiligen Veit (Schutzpatron der Tänzer) interpretiert wurden. Auch Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Tic-Störungen sind mit Defiziten in den Basalzellen assoziiert.
Motorische Kortexareale
In der Großhirnrinde wird der Motorkortex (motorischer Kortex) durch die zwei Areale primär- und sekundärmotorischer Kortex gebildet, welche die höchste Funktionsebene der Motorik darstellen. Aufgabe des Motorkortex ist die Steuerung der willkürlichen Bewegungen. Er gibt nach Bewegungsentwurf im Großhirn und Kontrolle durch das Kleinhirn und die Basalganglien letztlich die Befehle zur Bewegung.
Vom primärmotorischen Kortex ausgehend werden die Befehle über die Neuronen des Rückenmarks und die Pyramidenbahn zu den beteiligten Muskeln gesendet. Innerhalb des sekundärmotorischen Kortex ist der prämotorische Kortex an der Steuerung der Muskeln des Rumpfbereichs, der supplementär motorische Kortex am Erlernen von Bewegungsfolgen beteiligt.
Pyramidenbahn
Als Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) wird die schnellste, dicke efferente motorische Bahn des Motorkortex bezeichnet, die ins Rückenmark zieht und, mit oder ohne Interneuronen verschaltet, die Information an die α-Motoneuronen und damit an die Muskeln weitergibt. Dabei überkreuzen sich 85 % der Fasern im unteren Bereich der Medulla oblongata, was als Pyramidenbahnkreuzung bezeichnet wird. Die ungekreuzt verlaufenden Fasern wechseln erst im Rückenmark auf die Gegenseite.
Die Pyramidenbahn ist an der Steuerung der Extremitätenmuskulatur beteiligt und bestimmt dabei insbesondere die Feinmotorik der Hände und Finger. Motorische Ausfälle infolge eines Schlaganfalls treten aufgrund der Pyramidenbahnkreuzung häufig an der Gegenseite der geschädigten Hirnhälfte auf. Weil die Pyramidenbahn erst nach dem zweiten Lebensjahr vollständig ausgebildet ist, können Säuglinge noch keine feinen motorischen Bewegungen ausführen. Säuglinge bis zu einem Jahr besitzen auch noch den primitiven Greifreflex des Fußes (Babinski-Reflex), der beim ausgereiften Pyramidenbahnsystem unterdrückt ist und deshalb beim gesunden Kind und Erwachsenen nicht mehr auftritt. Er dient jedoch in der Neurologie als Diagnosetest bezüglich einer Schädigung der Pyramidenbahn. Hierbei kommt es zunächst zur Störung der Feinmotosrik aufgrund von Lähmung der Extremitätenmuskulatur, wobei grobe Bewegungen mit der gesamten Extremität noch möglich sind. Allerdings tritt nach einiger Zeit eine Spastik auf, die möglicherweise durch die fehlende Hemmung spinaler Motorneuronen ausgelöst wird.
Obschon die Pyramidenbahn eher für willkürliche und das extrapyramidale System für unwillkürliche Bewegungen wie der Stabilisierung der Körperlage verantwortlich sind, arbeiten die Zentren doch eng verzahnt zusammen. So erfordert jede feine Bewegung der Finger auch die Haltung der Hand in einer bestimmten Position, etwa beim Klavierspielen, bei dem der Fingerlauf am besten klappt, wenn die Hände in passender Position oberhalb der Tasten gehalten werden.
3.6 Psychologische Modelle der Handlungssteuerung
Ein Großteil des menschlichen Lebens ist von Bewegung bestimmt, was sich schon im Begriff „Lebendigkeit“ zeigt, der für Aktivität und Bewegung steht. Die Bewegung von Körperteilen setzt die Kontraktion und Entspannung der beteiligten Muskeln voraus, die mit der durch sie erzeugten Kraft die Position der Körperglieder verändern. Die Bewegung kann unwillkürlich – wie beim Reflex – oder willkürlich und zielgerichtet erfolgen. Eine Bewegung, die auf ein Ziel gerichtet ist, wird in der Psychologie als motorischer Teil der Handlung gesehen, wobei auch mehrere Bewegungen zum Erreichen eines bestimmten Ziels erforderlich sein können. Ausgangspunkt einer Handlung ist eine Intention oder Handlungsabsicht. Hieraus wird mithilfe kortikaler Strukturen ein Handlungsplan erstellt, die Handlung mithilfe des motorischen Systems ausgeführt und das Erreichen des Handlungsziels kognitiv kontrolliert und bewertet.
Begriff der Handlung
Der Begriff der Handlung wird schon lange genutzt und von vielen Autoren unterschiedlich definiert. Gemäß des im 19. Jahrhunderts aufgestellten ideomotorischen Prinzips umfasst die Handlung eine antizipierte Verhaltenssteuerung, bei der allein eine Idee (Antizipation) ausreicht, um eine Aktion zu aktivieren. Solche Aktions-Effekt-Beziehungen werden erlernt und je nach Situation und Aufmerksamkeitsrichtung angewendet.
Der Anfang des 20. Jahrhunderts vorherrschende Behaviorismus ging davon aus, dass es nach einem Reiz-Reaktions-Schema bei einem bestimmten Reiz immer zum gleichen Verhalten kommt. In den 1960er- und 1970er-Jahren kam dahingegen die kognitive Psychologie auf, bei der eine Handlung die Faktoren Absicht, Zielgerichtetheit und Kontrolle umfasst. Dabei entsteht das Handeln im Zusammenspiel von Ziel und Umwelt, wobei das alleinige (ziellose) Reagieren oder eine ziellose Bewegung nicht als Handlung gelten.
Psychologische Modelle der Handlungssteuerung
Psychologische Modelle der Handlungssteuerung zählen zu den motivationspsychologischen Theorien, die einen teleologischen (zielgerichteten) Ansatz verfolgen und die Rolle des Individuums als handelndes Subjekt beschreiben. Verschiedene Modelle zur Handlungssteuerung stellen dar, wie Handlungen in Intention (Absicht), Planung, Ausführung und Kontrolle strukturiert ablaufen.
Handlungsintention
Zur Veranschaulichung des Einflusses, den wahrgenommene Reize (Wahrnehmungen) auf die Handlungssteuerung ausüben, existieren verschiedene Modelle. So stellt das Common-Coding-Modell (Prinz 1990) dar, wie Reize (Umweltinformationen) in kognitive Strukturen umgesetzt werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass es für Wahrnehmung und Handlung eine gemeinsame Repräsentation gibt und die Beobachtung eines Ereignisses eine Reaktion hervorruft. Die Wahrnehmung bzw. die wahrgenommenen bekannten Merkmale vereinfachen damit die Handlungssteuerung.
Die Handlungsplanung wird zusätzlich erleichtert, wenn Reiz und beabsichtigte Bewegung über ähnliche Merkmale verfügen und die Möglichkeit zur motorischen Simulation besteht. Der Zusammenhang von Reiz und Reaktion ist in Dual-Route-Modellen der Handlungssteuerung beschrieben, die davon ausgehen, dass Informationen von außen die Bewegung über zwei Routen beeinflussen: die direkte pragmatische und die semantische Route. Erhält ein Proband einen visuellen Reiz von der linken Seite, fällt es ihm leichter, mit einer Aktion auf der linken Seite zu reagieren als mit einer auf der rechten Seite. So wird beispielsweise ein Signal auf der linken Bildschirmseite leichter mit dem Bedienen einer Taste auf der linken, als auf der rechten Seite der Tastatur beantwortet. Dies wird damit begründet, dass visuelle Reize automatisch ähnliche Reaktionen hervorrufen. Semantische Reize dagegen, z. B. Wissen, führen zur Auswahl gemäß Vorgabe. Im Beispielfall wäre dies das Bedienen der Taste auf der durch Instruktionen vorgegebenen Seite. Dieses verlangsamt allerdings die Reaktion und steigert die Fehleranfälligkeit.
Prinzipiell fällt das Imitieren (Nachahmen) einer Bewegung leichter als das Ausführen einer unbekannten Bewegung, was sich auf sogenannte Spiegelneuronen (mirror neurons) im Gehirn zurückführen lässt, die aktiviert werden, wenn wir Empfindungen anderer erkennen. Infolgedessen ist die Handlungsvorbereitung beschleunigt und wir ahmen die Handlung leicht nach. So lacht der Mensch leichter, wenn andere Menschen lachen, und wir gähnen leichter, wenn der Gegenübersitzende gerade gähnt. Spiegelneuronen ermöglichen auch das Lernen durch Imitation und spielen damit in der kindlichen Entwicklung eine wichtige Rolle, wie auch bei zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Verstehen von Intentionen.
Handlungsplanung
Ein erstellter Handlungsplan kann dabei, wie Intervall-Tests zeigen, nicht beliebig lang aufrechterhalten werden. Erhält ein Proband die Aufgabe, auf einen Reiz mit dem Drücken einer Taste zu reagieren, ist die Reaktionszeit je nach Reizintervallen unterschiedlich lang. So ist die Reaktion auf ein „Go-Signal“ länger, wenn der zeitliche Abstand zur Planerstellung größer ist. Bei zu kurzen Intervallen der Reizsignale wiederum fehlt die Zeit, um entsprechende Kommandos zu geben, und die Handlung kommt gegebenenfalls nicht zustande. Mithilfe von Methoden der Reaktionszeitforschung werden auch psychische Erkrankungen wie Burnout untersucht. Dabei konnte auch gezeigt werden, wie das Aufrechterhalten der Reaktionsbereitschaft als Marker für den Grad der emotionalen Erschöpfung und damit der Leistungsfähigkeit dient.
Modelle zum motorischen Lernen gehen davon aus, dass auf jede Bewegung ein sensorisches Feedback erfolgt, das vor Beginn der nächsten Bewegung zunächst bewertet werden muss. Dies ermöglicht die Fehlerkorrektur und trägt damit zur Genauigkeit der Bewegung bei.
Handlungsausführung und -kontrolle
So werden während der Ausführung einer Bewegung von den verschiedenen sensorischen Systemen Informationen zur Feedback-Kontrolle gesammelt:
Bleibt dieses Feedback aus, ist die Bewegungssteuerung behindert. So ist die visuelle Kontrolle beispielsweise bei Greifbewegungen besonders wichtig, weil hier die Bewegung anhand von visuellen Informationen zur Position des zu greifenden Objekts korrigiert wird. Fehlt dieses Feedback, wie etwa bei fehlsichtigen Personen, ist während der Bewegung verstärkt kognitive Arbeit nötig. Allerdings wird die Rolle des Feedbacks in psychologischen Modellen kritisch gesehen, da der Einfluss der Nervenleitfähigkeit auf die Wahrnehmung noch nicht abschließend geklärt ist.
Das in der folgenden Abbildung vorgestellte Modell integriert deshalb sowohl Feedback- als auch Feedforward-Kontrollen, bei der Bewegungen auf vordefinierten Muskelkommandos basieren und ohne propriozeptives Feedback auskommen.
Kognitive Kontrollprozesse sind insbesondere bei Reaktionen außerhalb gewohnter Muster, beim Bedarf von Fehlerkorrekturen und bei neu erlernten Bewegungen erforderlich. Sie dienen der möglichst guten Anpassung der Bewegung an die herrschenden Bedingungen und werden als exekutive Funktionen, kognitive Kontrolle oder Supervisory Attentional System (SAS, überwachendes Aufmerksamkeitssystem) bezeichnet. Die Lokalisation der Kontrollsysteme wird derzeit im Präfrontalkortex angenommen, weil Patienten mit Läsionen in diesem Bereich häufig Probleme bei der Planung und Kontrolle zeigen. Das in der folgenden Abbildung gezeigte SAS-Modell geht davon aus, dass automatische und kontrollierte Prozesse bei der Handlung verknüpft und Schemata zur Bewegungssteuerung im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Durch Reize (Wahrnehmung) werden die auszuführenden Bewegungen aktiviert und in motorische Bewegung umgesetzt. Die Modulation erfolgt durch erregende und hemmende Verbindungen im Handlungsschema, das vom SAS kontrolliert wird.
Eine typische Störung der Handlungsfähigkeit ist die Apraxie, bei der Bewegungsplanung und -ablauf gestört sind und zielgerichtete Bewegungen trotz intakter motorischer Funktion nicht ausgeführt werden können.
Inwieweit der freie Wille unser Handeln beeinflusst, ist Gegenstand der Forschung. Das Zusammenspiel von Bereitschaftspotenzial, willensgesteuerten, bewussten Kontrollfaktoren und unbewussten neuronalen Bewegungsvorbereitungen wird mittels Hirnstrommessung und Verhaltensstudien untersucht.
Lektion 4: Gene und Verhalten
4.1 Grundlagen der Genetik und Genomik
Der Mensch besteht aus etwa 60 Billionen (60 ∙ 1012) Zellen, die als kleinste Einheiten des Lebens gelten. Von der äußeren Zellmembran umhüllt, liegen im Cytoplasma verschiedene Zellorganellen sowie der Zellkern (Nukleus). In diesem Zellkern ist das genetische Material, die Desoxyribonukleinsäure (deutsch: DNS; englinsch: deoxyribonucleic acid, DNA), in Form von Chromosomen verpackt und enthält die Gesamtheit der Gene eines Individuums (das Genom), die den Bauplan der Zellen liefern und die Bildung von Proteinen für Zellaufbau und Funktion regeln.
Chromosomen
Der Zellkern der somatischen Zellen (Körperzellen) besitzt 23 Chromosomenpaare:
Die Chromosomen lassen sich während der Zellteilung unter dem Mikroskop erkennen, was zur Diagnostik z. B. in der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) zur Bestimmung von Chromosomenveränderungen genutzt wird. Das Y-Chromosom enthält das Gen SRY (sex-determining region Y), das als geschlechtsbestimmendes Gen von Bedeutung ist. In der Entwicklung entscheidet sich in den ersten fünf Wochen, ob sich in dem anfangs noch geschlechtsneutralen Fötus Hoden oder Ovarien bilden. Das Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein des SRY-Gens ist nur der Auslöser und Regulator vieler anderer Gene, die an der anatomischen und physiologischen Entwicklung von Mann und Frau beteiligt sind. Ein Defekt im SRY-Gen führt zum Swyer-Syndrom, bei dem Patienten trotz männlichen Genotyps einen weiblichen Phänotyp haben.
Aufbau der DNA
Jede Zelle enthält zwei Grundformen von Nukleinsäuren:
In der DNA kommen vier verschiedene Nukleotide vor, die sich in den beteiligten (Nuklein-)Basen unterscheiden:
Im DNA-Doppelstrang, der sogenannten Doppelhelix, liegen sich jeweils zwei Basen (T und A bzw. C und G) gegenüber und sind über Wasserstoffbrücken verbunden. Innerhalb der DNA-Sequenz steht jeweils eine Triplett-Abfolge der Nukleotide (Codon) für eine Aminosäure, die bei der Proteinsynthese eingebaut wird. So codiert beispielsweise die DNA-Sequenz GCG für Alanin. Variationsmöglichkeiten gibt es jeweils in der dritten Position des Tripletts; so kann beispielsweise die Aminosäure Alanin auch durch die Tripletts GCA, GCC und GCT codiert sein. Zusätzlich zu den Aminosäuren sind Start- und Stoppsequenzen des Syntheseprozesses codiert, damit dieser geordnet ablaufen kann. Statt Nukleotidabfolge spricht man häufig auch einfach von Basenabfolge.
Gene
Genexpression: Transkription und Translation
Die Umsetzung der in der DNA gespeicherten Information in Aminosäuren erfolgt in der Genexpression, welche in zwei Schritten abläuft: der Transkription (dem Umschreiben der DNA in messenger RNA, kurz: mRNA) und der Translation (der Verknüpfung von Aminosäuren zur Bildung von Peptiden und Proteinen).
Hierzu werden zuerst die zwei DNA-Stränge im Bereich eines Gens durch das Enzym Helicase aufgetrennt. Am codierenden Strang lagern sich Transkriptionsfaktoren und das Enzym RNA-Polymerase an, das die mRNA in definierter Richtung (5’3’-Leserichtung) mithilfe von Ribonukleotidtriphosphaten (ATP, CTP, GTP, UTP) synthetisiert. Die Transkription endet an einem Stopp-Codon. In der gebildeten mRNA kommt statt des Nukleotids Thymidin das Nukleotid Uridin (mit der Base Uracil) vor. Die Regulation der Genexpression wird durch zelluläre Faktoren (u. a. Hormone wie Adrenalin, Cortisol, Vitamin A) wie auch Umgebungsfaktoren (UV-Licht, psychischer Stress) beeinflusst. Neben Transkriptionsfaktoren spielen in der Regulation der Transkription auch epigenetische Mechanismen eine wichtige Rolle.
Die im Zellkern synthetisierten mRNA-Sequenzen werden im Mechanismus des Splicing (in der Abbildung nicht dargestellt) über mehrere Schritte gekürzt, wobei nicht-codierende Zwischensequenzen (Introns) entfernt werden und die Exons (codierende Sequenzen) übrigbleiben, die im Anschluss in der Translation in Proteine umgesetzt werden. Auf diese Weise ist es möglich, von einem DNA-Strang verschiedene Matrizen für unterschiedliche Aminosäureketten zu generieren.
Hierfür wird die mRNA über Kernporen ins Zytoplasma der Zelle transportiert, wo die Translation am Ribosom erfolgt, einem Makromolekülkomplex aus ribosomaler RNA (rRNA) und Proteinen. Das Ribosom enthält Bindungsstellen für tRNA-Moleküle (transfer-RNA), die jeweils eine Aminosäure antransportieren und dafür sorgen, dass diese entsprechend der Matrize in der Reihenfolge der Codons (Nukleotid-Tripletts) aneinandergehängt werden. Im Anschluss werden an manche Proteine noch im Golgi-Apparat, einem Membransystem der Zelle, Zuckerreste angehängt (Glykosylierung). Diese posttranslationelle Modifikation ist u. a. für die richtige Verteilung der neu synthetisierten Proteine in der Zelle wichtig.
Aminosäuren und Proteine
Kurze Aminosäureketten bezeichnet man als Peptide, lange (ab etwa 100 Aminosäuren) als Proteine. Die Aminosäuren sind über chemische Proteinbindungen miteinander verkettet, wodurch sich die Primärstruktur eines Proteins bildet. Die Ketten werden durch Faltung in eine Sekundärstruktur (alpha-Helix oder beta-Faltblatt) und durch weitere intramolekulare Bindungen (Wasserstoffbrücken- oder Van-der-Waals-Bindungen) in eine Tertiärstruktur umgebaut. Große, globuläre Proteine bestehen aus mehreren dieser gefalteten Untereinheiten, die durch Zusammenlagerung eine Quartärstruktur bilden.
DNA-Replikation
Die DNA der Zellen wird im Rahmen der Zellteilung verdoppelt (Replikation) und an die Tochterzellen weitergegeben. Allerdings kommt es auch hierbei immer wieder zu Fehlern, sei es, weil das Syntheseenzym (DNA-Polymerase) fehlerhaft arbeitet oder weil die DNA durch Umgebungseinflüsse und Kanzerogene geschädigt ist. Normalerweise werden diese Mutationen durch Reparatursysteme behoben; unterbleibt ein solches, werden die Mutationen an die Tochterzelle weitergegeben, was insbesondere Tumorzellen mit Mutationen in wachstumssteuernden Genen zur schnellen Vermehrung antreibt. Durch Mutationen kann es zu veränderten Proteinen kommen, aber auch zum Abbruch der Proteinsynthese, wenn ein Stopp-Codon entsteht. Mutationen, die keine Auswirkungen auf das Protein haben, bleiben oft unerkannt. Hierzu kommt es, wenn durch Mutation ein Codon entsteht, das für dieselbe Aminosäure codiert wie die Originalsequenz. Treten Mutationen in den Keimzellen auf, werden diese an die Nachkommen weitergegeben und können zu Treibern der Evolution werden. Durch Mutation entstandene fehlerhafte Gene werden in der Diagnostik als molekulare Marker für Erkrankungen genutzt.
4.2 Epigenetische Faktoren und ihre Folgen
Der Bauplan jeder Zelle ist in der DNA gespeichert und wird an die Nachkommen vererbt. Ob und wie diese Information in Form von Genen tatsächlich abgelesen (exprimiert) wird, regulieren Transkriptionsfaktoren im Zusammenspiel mit regulatorischen Sequenzen der DNA. Darüber hinaus gibt es aber auch Regulationsmechanismen, die nicht in der Sequenz codiert sind, sondern über Markierungen an der DNA-Sequenz wirken. Die Gesamtheit der epigenetischen Mechanismen (griechisch „epi“ = darüber/ zusätzlich) bildet das sogenannte Epigenom.
Epigenetische Modifikationen
Auch wenn das Forschungsfeld der Epigenetik noch relativ jung ist, sind hier bereits mehr als zwanzig verschiedene Mechanismen beschrieben. An die DNA oder Histone angehängte Methyl- und Acetylreste führen zur Veränderung des Chromatins, das hierdurch weniger oder stärker kondensiert (dicht gepackt) und entsprechend mehr oder weniger zugänglich für Transkriptionsfaktoren ist. Auch Schleifenbildung in der DNA durch die gegenseitige Bindung von regulatorischen Elementen in der DNA verändern die 3-D-Chromatinstruktur und sind so an der Regulation der Genexpression beteiligt. In die Schleifenbildung sind Bereiche wie die Promotorregion (wichtig für den Transkriptionsstart) und Enhancer-Regionen (transkriptionsverstärkende Regionen) involviert. Des Weiteren besitzen auch nicht-codierende RNAs, die nicht für Proteine codieren, regulatorische Funktionen. All diese Mechanismen regeln gemeinsam die Zugänglichkeit der DNA für Transkriptionsfaktoren, die Stabilität der gebildeten mRNA, anhand derer Proteine synthetisiert (translatiert) werden, und die Effizienz der Genexpression.
DNA-Methylierung
Die folgende Abbildung zeigt den Zustand bei reprimierter (oben) und aktiver (unten) Transkription. Die Methylierung bei reprimierter Transkription (oben) ist als ausgefüllte Stecknadelköpfe (methyliertes Cytosin) dargestellt, die auf der DNA zwischen den dicht gepackten DNA-umwickelten Nukleosomen zu erkennen sind. Der ausbleibende Transkriptionsstart ist mit einem durchkreuzten Pfeil schematisch dargestellt. Der untere Teil der Abbildung zeigt unmethylierte DNA (offene Stecknadelköpfe, d. h. unmethyliertes Cytosin), bei der Transkriptionsfaktoren („TFB“) binden können die Transkription erfolgen kann (Pfeil nach rechts nicht durchkreuzt).
Das Methylierungsmuster der DNA wird im Rahmen der Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Hierzu werden bei der Zellteilung die Markierungen mithilfe von Enzymen der Gruppe der DNA-Methyltransferasen (z. B. DNMT1) an die neue synthetisierte DNA angehängt und an die Tochterzellen weitergegeben. DNA-Methylierung wird in der Forschung ausgiebig untersucht und mit Krebs und (neuro-)psychologischen Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Störung in Verbindung gebracht. Darüber hinaus ist inzwischen anerkannt, dass Umgebungsbedingungen unabhängig von der Zellteilung zur DNA-Methylierung führen (die sogenannte Denovo-Methylierung, z. B. durch das Enzym DNMT-3) und so regulatorisch auf die Genexpression wirken können. Dies ist insbesondere angesichts der Vermutung von Interesse, dass z. B. Stress, besonders in früher Kindheit, oder Traumata Risikofaktoren für psychische Störungen sind.
Histon-Modifikationen
Nicht-codierende RNA (ncRNA)
Epigenetische Modifikationen und Verhalten
Somit wird der Phänotyp jedes einzelnen Menschen nicht nur durch seine spezifisch geerbte DNA, sondern auch anhand epigenetischer Modifikationen aufgrund von Umgebungsbedingungen und Lebenslagen beeinflusst. Das Zusammenspiel von Genen, deren Regulationsmechanismen und epigenetischen Faktoren hat auf vielfältige Weise Einfluss auf unser Wesen und unser Verhalten, von der Kognition über das Lernen bis hin zu mentalem Stress und psychischen Störungen. So legen Studien zur Stressbelastung nahe, dass Stress im jungen oder erwachsenen Alter tiefgreifende Auswirkungen auf genomweite epigenetische Modifikationen im Gehirn und in peripheren Geweben hat. Anhand von Zwillingsstudien wurde zudem auch aufgezeigt, dass bei genetisch identischen, eineiigen Zwillingen im Laufe des Lebens aufgrund solcher Modifikationen phänotypische Unterschiede auftreten. Inwieweit epigenetische Markierungen als Biomarker für physiologische und psychische Merkmale einsetzbar sind, ist Gegenstand intensiver Forschung.
4.3 Gene und psychische Vorgänge
Viele Lern- und Gedächtnisvorgänge bedürfen der Genexpression und Proteinsynthese zur Ausbildung neuer Nervenverbindungen im neuronalen Netzwerk. Der Bauplan für die psychophysische Grundlage psychischer Vorgänge liegt im Genom des Lebewesens. Der Genotyp determiniert die Merkmale, der Phänotyp ist die „erkennbare“ Ausgestaltung, die auch durch epigenetische Mechanismen reguliert wird und das individuelle Verhalten und Denken des Menschen ausmacht.
Erblichkeitsanteile
Inwieweit Merkmale vererbbar sind, wird anhand sogenannter Erblichkeitsanteile mithilfe eines Vergleichs von Korrelationskoeffizienten zwischen zwei Gruppen abgeschätzt. Die Erblichkeit (Heritabilität) von Merkmalen liegt bei Vergleich von Eltern-Kind bei 50 %, bei Geschwistern bei 50 %, bei Halbgeschwistern bei 25 %, bei zweieiigen Zwillingen bei 50 % und bei eineiigen Zwillingen bei 100 %. Allerdings ist zu bedenken, dass Erblichkeitsschätzungen durch gegenseitige Beeinflussung von Genen und Umgebungsfaktoren deutlich verzerrt sein können.
Bei klar definierbaren Merkmalen, wie dem Aussehen oder der Produktion eines Wachstumsfaktors, ist die Entwicklung des Phänotyps durch Genexpression und epigenetische Mechanismen eines oder mehrerer Gene gut aufklärbar. Auch psychophysiologische Merkmale eines Individuums sind zu einem gewissen Maß durch die genetische Ausstattung festgelegt. Zum Beispiel ist der Anteil der grauen Substanz (Substantia grisea) im Gehirn genetisch determiniert und korreliert mit der kognitiven Leistungsfähigkeit, der Aufmerksam- und der Sprachfähigkeit. Die Manifestation der Eigenschaften allerdings, d. h., in welcher Form sich psychische Eigenschaften bei einem Individuum zeigen, wird erst durch das Zusammenwirken genetischer Determinanten des Individuums mit Einflussfaktoren außerhalb des Individuums (Umgebungsfaktoren) bestimmt.
Genetische und nicht-genetische Determinanten des Verhaltens
Bei den genetischen Determinanten wird zwischen kausal (ursächlich) beteiligten Genen und Suszeptibilitätsgenen unterschieden. Zu den nicht-genetischen Determinanten zählen einflussnehmende Umgebungsbedingungen (z. B. Traumata bei affektiven Störungen und Angsterkrankungen), die über Gen-Umgebungs-Interaktionen wirken.
Eine Auswertung vieler Studien zur Verhaltensgenetik beschreibt die wichtigsten, immer wieder gefundenen Ergebnisse:
Zur Untersuchung, ob Merkmale auf die Erbanlagen und/oder die Umgebung zurückzuführen sind, werden Phänotyp-Analysen durchgeführt, zu denen Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien zählen.
Familienstudien
Zwillingsstudien
Eine der bisher längsten Studien zur Entwicklung von Zwillingen, die in unterschiedlicher Umgebung aufgewachsen sind, wird seit 1979 durchgeführt. In der sogenannten „Minnesota Study of Twins Raised Apart“ wurden 200 eineiige, nicht gemeinsam aufgewachsene Zwillinge mit gemeinsam aufgewachsenen Zwillingen verglichen. Untersucht wurden Fähigkeiten, Persönlichkeit, Interessen und Sozialverhalten. Die Forscher fanden hierbei eine sehr hohe (> 80 %) Übereinstimmung (Konkordanz) der physiologischen und psychischen Merkmale, darunter Merkmale wie Körpergröße und Intelligenzquotient. Außerdem zeigte sich, dass die getrennt aufgewachsenen Zwillinge den Umständen zum Trotz eine hohe Sympathie füreinander empfanden. Hieraus wurde geschlossen, dass sie eine hohe Chance haben, gleiche Merkmale zu entwickeln und der Einfluss der Umgebung folglich nur begrenzt ist.
In einer 2015 veröffentlichten Untersuchung wurden 2.748 Zwillingsstudien mit insgesamt 14.558.903 Zwillingspaaren im Hinblick auf die Heritabilität von Merkmalen aus verschiedensten Bereichen wie u. a. Dermatologie, Neurologie, Ernährung, Aktivität und Psychologie/Psychiatrie verglichen. Dabei zeigte sich, dass kognitive Fähigkeiten und psychologische/psychiatrische Merkmale im Mittelfeld der Erblichkeit liegen, hinter dem stark genetisch bestimmten Körperbau, aber noch vor kardiovaskulären, endokrinen oder gastrointestinalen Merkmalen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Erblichkeit einzelner Merkmale innerhalb eines Bereichs deutlich schwankt. So zeigen z. B. Schizophrenie und bipolare Störungen eine deutlich höhere Erblichkeit (ca. 70–80 %) als andere Verhaltensweisen und Störungen. Intelligenz als kognitive (geistige) Leistungsfähigkeit liegt gleichauf mit psychischen Merkmalen. Allerdings ist der Einfluss der Umgebung in der frühen Jugend stärker als beim Erwachsenen und auch die individuelle Förderung gilt als wichtige Determinante.
Adoptionsstudien
Gene und Itelligenz
Viele Untersuchungen beschäftigen sich mit dem Zusammenhang von Genotyp, Gehirnstruktur und kognitiven Fähigkeiten sowie der Erblichkeit von Intelligenz. Hierbei wurde gezeigt, dass das Gesamtvolumen des Gehirns zu 85 % vererbt ist und mit der Intelligenz korreliert (Korrelation 0,33). Insbesondere die Substantia grisea ist mit der Intelligenz und dem Arbeitsgedächtnis positiv korreliert, d. h., ein größeres Volumen korreliert mit einer höheren Intelligenz. Die Förderung eines Individuums und die passende Gruppenzugehörigkeit steigern seine Intelligenz.
Genetische Marker für das Verhalten
Mithilfe molekulargenetischer Ansätze werden Gene identifiziert, die im Zusammenhang mit Persönlichkeitsmerkmalen und dem Verhalten bzw. Verhaltensstörungen stehen. Hier spricht man von genetischen Markern, die beispielsweise durch DNA-Veränderungen wie Mutationen bedingt sind.
Das Auffinden kausaler Gene erfolgt hier mittels Kartierungen aus Kopplungsstudien anhand von Familienstammbäumen sowie mittels Mutationsnachweis durch Sequenzanalyse. Leichte Abstufungen von Störungen basieren auf Sequenzunterschieden in den zwei möglichen Genvarianten (Allelen). Tritt ein Allel eines Genlocus in der Bevölkerung mit einer Häufigkeit von > 1 % auf, spricht man von einem genetischen Polymorphismus. Variationen von einzelnen Basenpaaren in einem der DNA-Stränge werden als „Single Nucleotide Polymorphisms“ (SNP) bezeichnet, Sequenzwiederholungen als „Repeats“.
SNPs finden sich im humanen Genom relativ häufig (durchschnittlich alle 300–1.000 Basenpaare), liegen in codierenden und nicht-codierenden Bereichen und können mittels DNA-Sequenzierung analysiert werden. Manche SNPs haben keinen klaren phänotypischen Effekt, sind aber an den feinen Ausprägungen der Merkmale einzelner Individuen beteiligt, andere wiederum zeigen deutliche funktionelle Konsequenzen: So wird beispielsweise ein Polymorphismus (5-HTTLPR) in der Promotorregion des Serotonin-Transporter-Gen (5-HTT) mit Persönlichkeitsmerkmalen, Depression, Angststörung und Alkoholmissbrauch in Zusammenhang gebracht. Das Psychiatric Genomics Consortiums (PGC) konnte bei mehr als 35.000 Schizophrenie-Patienten über das gesamte Genom hinweg an mehr als hundert Genloci SNPs mit der Erkrankung in Zusammenhang bringen.
Genetische Störungen
Genetische Störungen, die durch eine einzige Mutation hervorgerufen werden, werden als monogen bezeichnet. Beispiele sind Chorea Huntington (Huntington-Gen) und progressive Muskeldystrophie (Dystrophin-Gen). Bei genetisch komplexen Erkrankungen treten Mutationen in mehreren Genen auf, weshalb diese als multifaktoriell polygen bezeichnet werden. Beispiele sind Depression, Schizophrenie und Alzheimerkrankheit. Das Auffinden der Mutationen wird noch weiter erschwert, wenn der vererbte Phänotyp unscharf ist und heterogene Ausprägungen auftreten. Zum Auffinden von genetischen Markern werden zwei Methoden eingesetzt:
In genetischen Analogstudien im Tier wird der Einfluss von Mutationen auf das Verhalten nachgestellt. Einerseits werden Wildtyp-Tiere (unverändertes Genom) mit und ohne Einflussfaktoren untersucht, andererseits werden Mäuse mit selektiv verändertem Genom eingesetzt. So lassen sich im Mausgenom Gene konstant oder durch einen Trigger (z. B. einen Umgebungsfaktor) ausschalten (Knock-Out-Mäuse) bzw. neue Gene einführen (transgene Mäuse).
Das Verhalten dieser Mutanten wird im Anschluss mit den Wildtyp-Tieren verglichen, um Rückschlüsse auf die Beteiligung der veränderten Gene zu ziehen. So zeigten beispielsweise Mäuse mit einer Mutation im Cortikotropin-Releasing-Hormon, das an der Stressantwort beteiligt ist, ein weniger ängstliches Verhalten als unveränderte Wildtyp-Tiere. Solche Verhaltensstudien werden insbesondere in der Angstforschung und der Untersuchung von Depression durchgeführt und können auch die Forschung über Psychopharmaka unterstützen.
Zusammenspiel von Genen und Umgebungsfaktoren (Umweltfaktoren)
Bei den meisten häufigen Erkrankungen, einschließlich psychischen Störungen, spielen sowohl genetische als auch nicht-genetische Umgebungsfaktoren der betreffenden Person eine Rolle. Diese werden teils auch „Umweltfaktoren“ genannt, was sich auf die direkte Umwelt der Person, nicht auf Phänomene wie den Klimawandel bezieht. So ist beispielsweise das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer beim Auftreten der Apolipoprotein-Variante ApoE4 verdreifacht. Der Zusammenhang besteht speziell bei Patienten mit bestimmten Ernährungsgewohnheiten hinsichtlich gesättigter Fettsäuren, was sich durch die Funktion von ApoE4 als Ligand des LDL-Rezeptors erklären ließe. Damit vermittelt diese Genvariante eine Vulnerabilität (Anfälligkeit) speziell dann, wenn bestimmte Umgebungsbedingungen bestehen, weshalb man von Gen-Umgebungs-Interaktion spricht. Diese kommt besonders bei komplexen Erkrankungen zum Tragen. Die folgende Abbildung zeigt ein Modell für direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen Genen, Umgebungsfaktoren und Phänotypen. Gene und Erkrankungen stehen hier in direktem Zusammenhang (blaue Linie), die Erkrankung gilt als Ergebnis genetischer Variation (braune Linie). Gene vermitteln den Effekt von Umgebungseinflüssen auf die Erkrankung (dunkelgrüne Linie), wobei das neuronale System an der Vermittlung der Umgebungseffekte beteiligt ist (hellgrüne Linie).
Inwieweit Persönlichkeitsmerkmale wie Fähigkeiten, Begabungen und Anfälligkeiten für psychische Störungen vererbbar sind oder Umweltbedingungen über epigenetische Mechanismen beeinflusst werden und welche Rolle die Erfahrungen des Menschen spielen, ist Gegenstand der Forschung in einem noch jungen Wissenschaftsbereich.
4.4 Anwendungsbeispiel: Emergente Merkmale
Der mährisch-österreichische Mönch Gregor Mendel (1822–1884) ist bekannt als Vater der Vererbungslehre. Bei seinen praktischen Kreuzungsversuchen an Gartenerbsen erkannte er Vererbungsregeln, die heute als „mendelsche Regeln“ bezeichnet werden. Ohne Kenntnis von DNA und Chromosomen beschrieb er Regeln für das Auftreten von Phänotypen der Nachkommen seiner Kreuzungsversuche.
Die mendelschen Regeln decken allerdings nicht alle Merkmals- und Genkonstellationen ab. Weitere umfassen unvollständige Dominanz (intermediärer Erbgang), Pleiotropie (mehrfache phänotypische Ausprägung), polygene Vererbung (wenn ein Merkmal von mehreren Genen determiniert wird) und Epistasis (Zusammenwirken von Gen und Kontrollgen, das die phänotypische Ausprägung des Gens bestimmt).
Spielen mehrere Gene zusammen und treten dadurch neue Phänotypen auf, spricht man von Emergenz. Die neuen Phänotypen lassen sich dabei nicht unmittelbar auf den Phänotyp der einzelnen Gene zurückführen. Als emergente Merkmale gelten beispielsweise Interessen und Talente, Kreativität, Fähigkeit zur Einflussnahme auf andere (social impact), Extraversion und sogenanntes „gutes Aussehen“ sowie die Habituationsrate (Gewöhnungsrate). Solche Persönlichkeitsmerkmale wie auch -störungen werden in Modellen beschrieben, in den das gehirnbasierte neurobiologische System mit genetischen, epigenetischen und Umgebungseinflüssen zusammenwirken. Manche Kognitionsforscher bezeichnen auch die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen als emergente Eigenschaft, die durch die kombinierte Aktivität vieler Neuronen entsteht, auch wenn die einzelne Nervenzelle keine kognitiven Fähigkeiten besitzt. Dies verdeutlicht, dass emergente Merkmale durch die Neukonfiguration der Gene und nicht einfach deren Summation entstehen.
Lektion 5: Allgemeine Sinnesphysiologie
5.1 Grundlagen der Sinnesphysiologie
Die Sinnesphysiologie untersucht die neuroanatomischen und neurophysiologischen Bedingungen sowie Mechanismen der Sinneswahrnehmung und Reizleitung. Die Reize führen zu vegetativen Reflexen, hormonellen Reaktionen und Emotionen, die in ständiger Rückkopplung mit neu aufgenommenen Reizen der Sinnesorgane stehen. Auch Bewegungen sind durch Sinneswahrnehmungen nicht nur des visuellen Systems, sondern auch des Gleichgewichtssinns und der Sensoren in Muskeln und Gelenken beeinflusst und gesteuert.
Anhand der Wahrnehmung der Reize mithilfe der Sinnessysteme erstellt das Gehirn Repräsentationen der Umgebung, die das Verhalten des Menschen beeinflussen. Die Grundausstattung des Sinnessystems, die Mechanismen also, sind genetisch determiniert und das sensorisch gesteuerte Verhalten ist die Folge der Morphologie und Physiologie. Allerdings wurden im Laufe der Evolution durch Selektion die Morphologie und Physiologie so angepasst, dass ein möglichst an die Bedingungen adaptiertes Verhalten („Fitness“) möglich ist. Damit treiben und steuern Sinnessysteme und Verhalten einander in der Evolution gegenseitig. Wie körperliche Zustände die Wahrnehmung und damit das Verhalten beeinflussen, wird teils auch im Tiermodell untersucht; die Übertragbarkeit auf den Menschen gilt es im Anschluss zu betrachten.
Die klassische Wahrnehmungspsychologie unterscheidet die Begriffe Empfindung und Wahrnehmung. Empfindungen werden als dem sinnlichen Erleben zugrunde liegende Bewusstseinsprozesse verstanden, Wahrnehmungen als Verknüpfung der Sinnesempfindung mit Erfahrungen und Informationen aus anderen Sinnesmodalitäten.
Objektive und subjektive Sinnesphysiologie
Physikalische Reize sind durch objektive Messmethoden bestimmbar, die der Psychophysik zugeordnet werden. Dabei wird der messbare Zusammenhang von physikalischen Reizen (z. B. deren Beschaffenheit) und den Repräsentationen der Reize auf der Ebene der subjektiven Wahrnehmung anhand von physikalischen Gesetzen und Parametern wie Reiz-Unterschiedsschwelle und Empfindungsstärke untersucht.
Sinnesmodalitäten
Sinnessystem
Ein Sinnesreiz besteht aus physikalischen oder chemischen Ereignissen, durch die eine Sinneszelle gereizt wird. Die Umwandlung des physikalischen oder chemischen Reizes in ein Sensorpotenzial wird als Transduktion bezeichnet. Dabei kommt es in den sensorischen Rezeptoren (Sensoren der Sinnessysteme) zur Verschiebung des Membranpotenzials der relevanten Nervenzellen und zur Öffnung bzw. zum Verschluss von Ionenkanälen. Die Umwandlung in ein Aktionspotenzial wird als Transformation bezeichnet.
Primäre und sekundäre Sinneszellen
Sekundäre Sinneszellen:
Primäre Sinneszellen:
Reize und rezeptive Felder
Jeder Reiz bedarf einer bestimmten (minimalen) Intensität, damit er vom Sensor erkannt und eine Sinnesempfindung ausgelöst wird; dies ist die absolute Reizschwelle. Der kleinste Unterschied zwischen zwei Reizen, damit diese einzeln wahrgenommen werden können, wird als Unterschiedsschwelle bezeichnet.
Das Einwirken eines Reizes für eine längere Dauer führt zur Adaptation (Gewöhnung), bei der die Empfindlichkeit für den Reiz verringert wird und das Sensorpotenzial (je nach Maß der Adaptationsfähigkeit) auf das Ruhepotenzial zurückfällt. In diesem Fall spricht man von Schwellenerhöhung. Als unterschwellige Wahrnehmung bezeichnet man das Phänomen, wenn eine Einwirkung auf den Sensor zwar zur kortikalen Verarbeitungsregion gelangt, aber keine bewusste Empfindung entsteht, was insbesondere bei der Sinneswahrnehmung im Körperinneren der Fall ist. Die mentalen Prozesse und Handlungsentscheidungen können hierdurch trotzdem beeinflusst werden.
Auch wenn ein gesamtes Körperteil von Sensoren überzogen ist, wird dieses nicht unbedingt als Gesamtes gereizt, sondern nur das sogenannte rezeptive Feld. Die rezeptiven Felder werden von Neuronen bedient und bilden gemeinsam eine rezeptive Fläche. Die rezeptiven Felder mehrerer Neuronen können sich überlappen (Redundanz), sodass beim Ausfall eines Neurons zumindest andere angesprochen werden. Die Verschaltung mehrerer Neuronen führt zur Konvergenz und auch erregende und hemmende Zuflüsse können verschaltet sein.
Die nachfolgende Tabelle fasst die im folgenden beschriebenen Charakteristika verschiedener Sinnesmodalitäten zusammen.
5.2 Somatosensorik
Die Somatosensorik beschäftigt sich mit der Körperwahrnehmung, d. h. den Wahrnehmungen an der Körperoberfläche (Hautsinn, Temperatursinn) und den Wahrnehmungen des Körperinneren mit Tiefensinn/Propriozeption an Muskeln und Gelenken sowie Viszerozeption wie Hunger, Durst und Harndrang.
Taktiler Sinn (Tastsinn)
Der Tastsinn (taktiler Sinn) liefert Informationen über die Gestalt und Oberfläche von Objekten, die wir berühren, ertasten und befühlen. Dies ist besonders wichtig bei eingeschränktem visuellem Sinn und umfasst u. a. Berührung, Vibration, Druckintensität, Spannung und Kitzeln. Die taktilen Empfindungen werden über die Haut vermittelt und zur Verarbeitung über das Hinterstrangsystem zum somatosensorischen Kortex geleitet.
In der Haut liegen verschiedene, morphologisch unterschiedliche Sinneszellen vor, die als Mechanosensoren (Mechanorezeptoren) bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich in ihrer Morphologie und dem rezeptiven Feld.
Die Mechanosensoren der Haut besitzen deutlich unterschiedlich große rezeptive Felder. Dieses ist bei Merkel-Scheiben und Meissner-Körperchen sehr klein, wodurch eine sehr genaue Lokalisation der Reizquelle und scharfe Begrenzungen (z. B. eine Ecke) erfahren lassen. Pacini- und Ruffini-Körperchen haben relativ großflächige rezeptive Felder, die sich über ganze Fingerglieder erstrecken können. So lässt sich bespielweise mithilfe von Ruffini-Körperchen beim Fassen eines Gegenstandes über einen größeren Bereich feststellen, wie viel Druck und Kraft zum Festhalten aufgewendet werden muss, um den Gegenstand nicht fallen zu lassen.
Die sehr gute Auflösungsfähigkeit der Merkel-Scheiben an den Fingerspitzen wird beispielsweise von der Blindenschrift (Braille-Schrift) ausgenutzt. Diese 1824 von Louis Braille etablierte Sechs-Punkte-Schrift nutzt in das Material gepresste Muster aus sechs Punkten, deren Erhebungen und Vertiefungen (etwa 1 mm) mit den Fingern ertastet werden können. Jedes Muster steht für einen Buchstaben. Die nötige „Lese“-Auflösung ermöglichen nur die Fingerspitzen, weil dort durch eine hohe Dichte an Merkel-Scheiben die größte Sensibilität beim Überstreichen von Oberflächenstrukturen erreicht wird.
Als weiterer somatosensorischer Sinn gilt die Tiefensensibilität. Die reizaufnehmenden Sensoren, auch Propriozeptoren genannt, liegen im Inneren des Körpers, vorwiegend an den Muskeln und Gelenken, und dient der Wahrnehmung der Gliedmaßenstellung (Stellungssinn), der Bewegung (Bewegungssinn) und des Kraftaufwandes der Muskulatur (Kraftsinn). In den Gelenken sind dies u. a. Ruffini-Körperchen, in den Muskeln die Muskelspindeln und Golgi-Sehnenorgane.
Temperatursinn
Auch der Temperatursinn wird über Sensoren in der Haut (Thermosensoren) vermittelt. Die höchste Dichte der Thermosensoren (Kälte- und Wärmesensoren) finden sich im Mund und an der Cornea (Hornhaut des Auges), weshalb diese besonders temperaturempfindlich sind. Thermosensoren messen Veränderungen der Temperatur, die Geschwindigkeit dieser Veränderungen sowie das Ausmaß der betroffenen Hautoberfläche.
Zur Detektion dienen freie Nervenendigungen, die temperatursensitive Kationenkanäle besitzen und über deren Öffnen und Schließen Aktionspotenziale erzeugt werden. Die Temperatursignale werden zur Verarbeitung im Vorderstrangsystem zum somatosensorischen Kortex geleitet.
In Temperaturbereichen zwischen 20 und 40 °C, die für den Körper ungefährlich sind, können sich Thermosensoren sehr schnell an neue Bedingungen adaptieren. Dabei zeigt sich nicht nur die überlappende Empfindlichkeit zwischen Wärme- und Kältesensoren, sondern auch mit den Wärme- und Kälte-Schmerzsensoren (Nozizeptoren). Diese sprechen ebenfalls auf Temperaturreize an, insbesondere aber in extremen Temperaturbereichen, die potenziell gefährlich sein können: Wärme-Schmerzsensoren führen – individuell unterschiedlich – ab einer Temperatur über etwa 45 °C, Kälte- Schmerzsensoren etwa ab 5–15 °C abwärts zu Schmerzempfindungen.
Nozizeption
Sinnesphysiologisches und psychisches Erleben, das mit potenziell gewebeschädigenden Reizen (Noxen) und Schmerz im Zusammenhang steht, betrifft den Bereich der Nozizeption, d. h., die Aktivität des schmerzleitenden Systems. Der Schmerz als Phänomen ist wesentlich durch Verhaltensweisen, Erwartungen und persönliche Einstellungen beeinflusst und inzwischen eines der wichtigen Themen der Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin. Schmerz ist Teil des individuellen Erlebnisbereichs der Sinne und lässt sich durch Intensität, Dauer und Ort des Geschehens beschreiben. Er hat eine Schutzfunktion bei drohender oder tatsächlicher Gewebeschädigung und ist in der Regel ein negativ gefärbtes Erleben. Schmerz kann aber auch erlebt werden, wenn keine akute Reizung mit Schädigung festzustellen ist (chronischer Schmerz) oder Schmerzprojektion bzw. Phantomschmerz auftreten.
Nozizeptoren
Nozizeptoren gibt es für verschiedenste Reize, von mechanischen Reizen durch Druck und Deformation des Gewebes, thermischen Reizen durch Hitze über 45 °C und Kälte unter 5–15 °C bis hin zu chemischen Reizen, die eine Reaktionskette über physiologische Mediatoren wie Acetylcholin, Prostaglandin, Histamin, Serotonin u. a. auslösen. So führt auch eine Entzündungsreaktion erst einmal zur Gewebeschädigung mit Hyperalgesie (Schmerzempfindlichkeit). Des Weiteren binden auch scharfe Reizstoffe wie bestimmte Gewürze an Capsaicin-Rezeptoren und aktivieren damit Schmerzrezeptoren.
Unterschiedliche Schmerzarten werden von verschiedenen Fasern geleitet: Mittelschnell leitende Aδ-Fasern leiten Schmerz der Qualität „scharf, gut lokalisierbar und kurz anhaltend“, wohingegen langsam leitende C-Fasern die Schmerzqualitäten „brennend, dumpf und langanhaltend“ vermitteln. An der Vermittlung der Signale sind verschiedene physiologische Mediatoren und Transmitter beteiligt.
Beherrschung und Umgang mit dem Schmerz werden durch positive Verstärkung (z. B. durch Angst) und Vermeidung unangenehmer Situationen (z. B. Schonung) sowie durch Nichtbeachten (z. B. Bagatellisieren) beeinflusst. All diese Faktoren können auch zur Chronifizierung des Schmerzes beitragen.
Zur medikamentösen Schmerztherapie werden diverse Analgetika eingesetzt, die in Opioidanalgetika und nicht-opioidartige Analgetika eingeteilt werden. Schmerzhemmende Substanzen wie Opioide binden an die schmerzleitenden Fasern und greifen damit gleich auf der Ebene der Sensoren ein. Nichtmedikamentöse Behandlungsverfahren wie Gegenstimulationsverfahren, Akupunktur oder Biofeedback dienen der Unterbrechung der Schmerzleitung. Im Rahmen der psychologischen Schmerztherapie werden biologische, soziale und psychische Parameter des Schmerzerlebens und -verhaltens analysiert und im Schmerzmodell dargestellt, um anschließend Veränderungen der ungünstigen Bedingungen in therapeutischen Sitzungen zu erarbeiten.
5.3 Das visuelle System
Viele Eindrücke aus unserer Umgebung sind visueller Natur. Wir erkennen nicht nur Objekte, sondern auch Gesichtsausdruck, Befindlichkeit und Gesten anderer Menschen, die einen essenziellen Beitrag zur nonverbalen Kommunikation liefern. Das visuelle System des Menschen ermöglicht eine Vielzahl von Wahrnehmungen, vom Hell-Dunkel-Gegensatz bis hin zu Farben, von Bewegungen bis hin zu räumlicher Tiefe. Der visuelle Reiz ist Licht, d. h., elektromagnetische Wellen im Bereich der Wellenlängen zwischen 380 und 760 nm. Bei kürzerwelligem Licht handelt es sich um Ultraviolett-(UV)-Licht, welches von Honigbienen erkannt wird, sowie Röntgen- und Gammastrahlen. Bei längerwelligem Licht handelt es sich um Infrarotlicht sowie Radar- und Funkwellen. Die für uns sichtbaren Farben werden von der spezifischen Wellenlänge bestimmt, die subjektive Helligkeit durch die Amplitude der Wellen.
Aufbau des Auges
Das menschliche Auge ist ein optisches System, das in etwa einer Kamera entspricht. Über die Hornhaut (Cornea) werden die sichtbaren Lichtstrahlen aufgenommen, durch die Pupille geleitet, mithilfe der Linse gebündelt und in Richtung Netzhaut (Retina) gelenkt, wo sie sich durch die Nervenzellschichten hindurch ausbreiten und anschließend auf die Lichtsinneszellen (Fotorezeptoren) treffen, wo die Reizaufnahme erfolgt. Auf der Netzhaut entsteht dabei ein umgekehrtes Abbild des betrachteten Objekts. Die Information für das Abbild wird in der Netzhaut in Nervenimpulse umgewandelt, die über den Sehnerv in den visuellen Cortex, einen Teil der Großhirnrinde des Gehirns, geleitet werden. Das eigentliche Bild entsteht somit erst im Gehirn.
Weil das Licht im Auge mehrmals gebrochen und gebeugt wird, ist es an vielen Stellen der Netzhaut unscharf. Nur an einem kleinen Bereich, der Fovea centralis (Sehgrube), ist es scharf. Dies ist der Schnittpunkt der Lichtstrahlen mit der Netzhaut, an dem sich nur Fotosensoren für das Farbsehen (Zäpfchen) befinden. Am sogenannten blinden Fleck befinden sich keine Fotosensoren, weil dort der Sehnerv in Richtung Gehirn austritt. Diese Lücke wird vom Menschen jedoch nicht bemerkt, da im Rahmen der Signalverarbeitung im Gehirn ein durchgängiges Bild entsteht ("Filling-in").
Augenfarbe
Die Augenfarbe des Menschen entsteht durch die Einlagerung des Farbpigments Melanin in die Iris (Regenbogenhaut), welches das Augeninnere vor zu starker Helligkeit schützt. Die Farbe ist genetisch durch mehrere Gene determiniert und hat damit einen komplexen Erbgang. Die Einlagerung setzt bei vielen Menschen erst einige Monate nach der Geburt ein, weshalb viele Säuglinge anfangs blaue Augen haben, was aus der Spiegelung des blauen Lichtanteils auf der fast durchsichtigen Iris resultiert. Die Konzentration des eingelagerten Melanins beeinflusst die Streuung des Lichts und bestimmt damit die Farben grau, grün und braun. Menschen mit Albinismus produzieren kein oder wenig Melanin und haben rosa-hellblaue Augen, was aus der Spiegelung des Lichts und den durchscheinenden Blutgefäßen resultiert.
Fotosensoren
In den Epithelzellen der Netzhaut liegen sekundäre Sinneszellen, genannt Fotosensoren (Fotorezeptoren). An diesen führt ein eintreffender Reiz zu Potenzialverschiebungen, die an einer Synapse in Form von elektrochemischem Signal an ein Neuron weitergeleitet wird. Dort wird wiederum ein Aktionspotenzial ausgelöst, das zur Reizweiterleitung führt. Es gibt zwei Typen von Fotosensoren (Fotorezeptoren), die jeweils unterschiedliche Aufgaben haben.
Stäbchen
Zäpfchen
Rot-Grün-Schwäche
Die Grundfarben des Sehens, von denen alle weiteren Farben abgeleitet werden, sind Rot, Blau und Grün. Eine Mutation der DNA-Sequenz der Pigmentgene für Rot oder Grün kann Rot-Grün-Schwäche oder -Blindheit bedingen, bei der sich die zwei Farben schwer oder nicht unterscheiden lassen und als Grau wahrgenommen werden. Die Gene für die Fotopigmente liegen auf dem X-Chromosom und werden rezessiv vererbt. Frauen sind damit weniger häufig betroffen, weil bei ihnen die Pigmentstoffsynthese durch das intakte Allel auf dem zweiten Chromosom ausgeglichen werden kann. Eine Frau kann allerdings Überträgerin des defekten Gens an ihre Kinder sein. Bei Mädchen kann es wieder ausgeglichen sein, bei Jungen nicht.
Zur Adaptation an die Dunkelheit kann das Auge die Empfindlichkeit um das Sechs- bis Siebenfache steigern, indem vermehrt Fotopigmente gebildet werden. Bei Teil- oder Totalausfall der Stäbchen kommt es allerdings zur Dämmerungs- oder Nachtblindheit. Dies kann durch einen Gendefekt angeboren, durch einen Mangel an Vitamin A (erforderlich für die Rhodopsinsynthese) oder durch eine Entzündung des Sehnervs bedingt sein.
Tiefenwahrnehmung
Veränderungen des optischen Apparats
Neben zerebralen Störungen in der Reizverarbeitung können auch Veränderungen im optischen Apparat zu Sehstörungen führen:
5.4 Das auditive System
Das Gehör als Sinnesorgan des auditiven Systems liefert uns nicht nur wichtige Informationen über die Umgebung, sondern ist als Empfangssystem für die Sprache auch bei der Interaktion der Menschen von Bedeutung. Der adäquate Reiz für das Gehör ist der Schall, d. h., die Luftdruckschwankungen. Schallquellen sind Körper, die schwingen und damit die sie umgebende Luft ebenfalls in Bewegung setzen können. Der Schall breitet sich wellenförmig mit einer Geschwindigkeit von 335 m/s aus. Wenn er auf das Ohr trifft, regt er das Trommelfell zur Schwingung (Vibration) an, was in Nervenimpulse transformiert und ans Gehirn geleitet wird.
Schall: Tonhöhe und Lautstärke
Die Frequenz der Schallwellen, gemessen in Hertz (Hz), bestimmt die Tonhöhe. Der Frequenzbereich der Sprache liegt bei 200 bis 3.000 Hz, für den das auditive System des Menschen besonders empfindlich ist. Der effektive Hörbereich variiert allerdings mit dem Alter: Jugendliche hören Schall einer Frequenz von 16–20.000 Hz, im Alter kann die obere Hörgrenze schon bei 5.000 Hz liegen. Die Akustik beschäftigt sich mit dem hörbaren Frequenzbereich des Menschen.
Schall setzt sich aus verschiedenen Tönen zusammen, die jeder für sich aus einer einzigen Schwingungsfrequenz (und damit Tonhöhe) bestehen. So produziert die Stimmgabel einen einzigen Ton (Kammerton A), weil sie in genau dieser einen Frequenz schwingt. Niedrige Frequenzen werden als tiefere Töne wahrgenommen, hohe Frequenzen als hohe Töne. Klänge bestehen aus der Mischung bzw. Überlagerung von Schallereignissen in einer Grundfrequenz und dem Vielfachen davon. Geräusche sind unorganisierte Schallereignisse. Sie bestehen im Gegensatz zu Tönen aus einer Mischung von Schall in verschiedenen Frequenzen, die nicht systematisch nach einem bestimmten Prinzip zusammengesetzt sind.
Die Lautstärke des Tons ist durch die Amplitude der Schallwelle festgelegt. Der Schalldruckpegel („Lautstärke“) als physikalische Größe wird in der Einheit Dezibel (dB) gemessen. Die Hörschwelle liegt bei 0 dB, normale Gespräche bei 60 dB und die Schmerzschwelle bei 140 dB.
Schallempfinden
Es ist bekannt, dass die Exposition gegenüber Umweltstressoren negative Auswirkungen auf Gesundheit und Emotionen haben kann. So wurde in Studien festgestellt, dass dauerhaft lauter Umgebungslärm Schlafqualität und Herz-Kreislauf-System belasten und in der Folge zu Reizbarkeit, Stress und Erschöpfung führen kann. Das Gefühl der Lärmbelästigung wird auch als negative emotionale Reaktion und Einstellung auf Lärm angesehen. Die Lärmempfindlichkeit unterscheidet sich von Individuum zu Individuum deutlich und wird als einer der wichtigsten nicht-akustischen Modifikatoren der Beziehung zwischen Lärm, subjektiver Wahrnehmung und Reaktion angesehen.
Aufbau des Ohrs
Unser Ohr (der Hörapparat) besteht aus dem äußeren Ohr (Außenohr), dem Mittelohr und dem Innenohr. Das äußere Ohr umfasst die Ohrmuschel (Auricula) zur Bündelung und den äußeren Gehörgang zur Richtungslenkung des Schalls. Das Trommelfell trennt das Außenohr vom Mittelohr und wird durch den Schall in Schwingungen versetzt, die es ins Mittelohr überträgt. Das Mittelohr ist ein mit Luft gefüllter Raum aus Paukenröhre und Eustachi-Röhre und dient dem Druckausgleich beim Schlucken. Im Zuge einer Erkältung, wenn die Schleimhäute anschwellen, wird das Trommelfell aufgrund von Druckveränderungen gewölbt und die Schwingungsfähigkeit beeinträchtigt, was zu Hörstörungen führt. Die Gehörknöchelchen in der Paukenhöhle (Hammer, Amboss und Steigbügel) bilden die Verbindung des Mittelohrs mit dem flüssigkeitsgefüllten Innenohr, wodurch die Schallwellen vom Trommelfell auf das Corti-Organ im Innenohr übertragen werden. Auch hier gelingt die Übertragung bei einer Erkältung schlechter. Eine Mittelohrentzündung ist eine bakterielle Entzündung der Schleimhaut der Paukenhöhle, deren Ausbreitung ins Innenohr verhindert werden muss, um das Corti-Organ und das ebenfalls dort liegende Gleichgewichtsorgan zu schützen.
In der Hörschnecke kommt es zur Transduktion des Schalls in Nervensignale. Hierfür liegt auf der Basilarmembran das Corti-Organ mit mechanosensorischen Zellen, genannt Haarzellen. Diese tragen auf ihrer Oberfläche feine Fortsätze („Härchen“, Stereozilien oder Stereovilli genannt). Die Schwingungen der Basilarmembran übertragen sich auf die Stereozilien, die dadurch abgebogen werden. Das entstandene Sensorsignal (Depolarisation durch Öffnung von Ionenkanälen) wird auf Neuronen übertragen, damit werden die Signale ins Gehirn geleitet. Die Haarzellen sind somit sekundäre Sinneszellen. Die Haarzellen des Innenohrs sind die Sinneszellen mit der höchsten Empfindlichkeit im Vergleich der verschiedenen Sinnesmodalitäten. Entsprechend leicht können sie durch einen lauten Knall oder Dauerlärm geschädigt werden, weil Stereozilien durch extremes Abbiegen abbrechen können.
Die Codierung der Schallfrequenz erfolgt entlang der Basilarmembran mit den Haarzellen. Die verschiedenen Bereiche der Membran werden durch unterschiedliche Frequenzen unterschiedlich gut in Schwingung gebracht (ausgelenkt). So ist jeder Frequenz ein Bereich „zugeordnet“. Sobald dieser in Schwingung versetzt ist, ist die Frequenz codiert. Die Dauer des Schallereignisses ist mit der Aktivierungsdauer der angesprochenen Nervenfasern codiert, dessen Signale auf subkortikaler und kortikaler Ebene verarbeitet werden. Die räumliche Ortung von Signalen erfolgt über Unterschiede der Signale der zwei Ohren bezüglich Laufzeit, Intensität und Verzerrung.
5.5 Der Gleichgewichtssinn
Neben dem Hörorgan beherbergt das Innenohr auch das Vestibularorgan, welches Informationen über die Lage des Körpers im Raum liefert (Vestibularsinn). Diese Signale tragen zu Halte- und Stellreflexen der Stützmotorik bei, die über Hirnstamm und Kleinhirn kontrolliert werden. Sitzt ein Mensch beispielsweise auf einer wackeligen Platte, streckt er automatisch die Arme zur Seite, wenn die Platte gekippt wird. Informationen zur Lage im Raum erhalten wir auch durch das visuelle System, von den Propriozeptoren der Muskeln und Gelenke sowie durch Druckreize auf der Haut. All diese Informationen werden auf Ebene des Gehirns zusammengeführt und unterstützen u. a. wiederum die Bewegungen.
Aufbau des Gleichgewichtsorgans
Das Gleichgewichtsorgan besteht aus dem Makulaorgan (Urticulus und Sacculus) und den Bogengängen, die adäquaten Reize für die Sensoren sind Schwerkraft und lineare Beschleunigung. Dabei werden Kalzitkristalle (Stratolithen) in der Makulamembran durch die Bewegung verschoben und reizen die darunter liegenden Haarzellen. Diese sind nicht zu verwechseln mit den Haarzellen (Hörsinneszellen) des auditiven Sinns. Die Aktivierung der Sinneszellen des Gleichgewichtsorgans sind sekundären Sinneszellen. Ihre Aktivierung führt zur Öffnung von Ionenkanälen und Übertragung der Reize auf die anliegende Neuronen, die sie in das Kleinhirn weiterleiten.
Gleichgewichtsstörungen
5.6 Chemische Sinne
Zu den chemischen Sinnen zählen der gustatorische Sinn (Geschmackssinn) und der olfaktorische Sinn (Geruchssinn); darüber hinaus wird auch noch ein allgemeiner chemischer Sinn unterschieden für Stoffe, die nicht direkt dem Geruch oder Geschmack zuzuordnen sind. Die chemischen Sinne sind eng mit dem limbischen System verknüpft, die unsere Stimmungen und Gefühle regeln.
Olfaktorische Reize sind Geruchsstoffe (Duftstoffe), die über Nase und Rachenraum aufgenommen werden. Allerdings sind nicht alle in der Umwelt vorhandenen oder sythetisierbaren Stoffe „riechbar“ und können vom Geruchssinn detektiert werden. Damit es hierzu kommt, müssen sie flüchtig (in Gasen löslich) und zudem in der Riechschleimhaut löslich sein. Als dritten Faktor muss der Mensch auch noch die geeigneten Sensoren besitzen. So hat der Mensch beispielsweise keine Rezeptoren für Methan, Kohlenmonoxid und Sauerstoff. Außerdem wird angenommen, dass es keine Elementargerüche gibt, aus denen sich andere Gerüche ableiten lassen; stattdessen sind viele Gerüche Mischgerüche aus einzelnen spezifischen Substanzen, die von einzelnen Rezeptoren detektiert werden. Der Geruch von Kaffee etwa besteht aus 500 riechbaren Stoffen. Bei vielen Mischgerüchten dominiert ein Geruch, der die anderen Geruchsdeterminanten überdeckt.
Aufgaben:
Geruchsrezeptoren
In der Riechschleimhaut sitzen neben Stütz- und Basalzellen etwa fünf bis sechs Millionen olfaktorische Rezeptorproteine (Sensoren), die einer großen Genfamilie angehören, welche etwa 1 % aller Gene des Menschen ausmachen, was ihre Bedeutung widerspiegelt. Es wird angenommen, dass jede olfaktorische Sinneszelle nur eine Art von Rezeptoren trägt und damit nur einen Duftstoff an seiner spezifischen Molekülstruktur erkennt (Codierung der Duftstoffe). Das System wird dadurch weiter verkompliziert, dass sehr aromatische Stoffe auch mehrere verschiedene Riechzellen erregen können. Es wird geschätzt, dass der Mensch etwa eine Billion Gerüche unterscheiden, wenn auch nur etwa 5.000 davon benennen kann. Das Riechsystem ist aber nicht nur sehr spezifisch, sondern auch äußerst empfindlich. So können 2 ng (Nanogramm) Vanilleextrakt in einem Milliliter Luft detektiert werden. Die Sensoren des Riechsystems (Riechzellen) sind primäre Sinneszellen, die im Riechepithel am oberen Teil der Nasenhöhle liegen. Die Riechschleimhaut ist vom Schleim der Bowman-Drüsen bedeckt, der die Schleimhaut feucht hält, damit Duftstoffe darin gelöst werden können. Wenn Duftstoffe an den Fortsätzen (Zilien) der Riechzellen andocken, wird das Signal über den Riechkolben (Bulbus olfactorius) in das olfaktorische Zentrum des Gehirns geleitet. Anders als sonstige Sinneszellen haben die olfaktorischen Sinneszellen eine relativ kurze Lebensdauer von etwa einem Monat und werden damit ständig nachgebildet. Während des normalen Atmens strömt die Luft über das Riechepithel hinweg und nur wenige Duftmoleküle binden an die Sensoren. Erst beim „Schnüffeln“ wird der Luftstrom nach oben umgelenkt und viele Duftmoleküle können an den Riechzellen binden.
Die Signale der Riechzellen werden an den Bulbus olfactorius geleitet, positiv und negativ verschaltet und anschließend zur zentralen Verarbeitung in den olfaktorischen Kortex geleitet. Das entsprechende Leitungssystem nennt man Riechbahn. Die parallele Verarbeitung verschiedener Reize führt zu sensorischen Mischeffekten. Die subjektiv wahrgenommene Intensität des Duftstoffs nimmt ab, wenn der Stoff mehrere Minuten lang vorhanden ist, was sowohl auf Ebene der Riechzellen als auch im Bulbus olfactorius durch Signaldämpfung erreicht wird (Adaptation).
Störungen des Geruchssinns
Es gibt vielfältige Ursachen für Störungen des Riechsystems, angefangen von klassischem Schnupfen über allergische Rhinitis bis hin zu Läsionen des olfaktorischen Kortex. Auch im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen wie Parkinson wird Riechverlust als Frühzeichen diskutiert.
Duftstoffe, die der Kommunikation zwischen Lebewesen dienen, nennt man Pheromone. Sie dienen als Markierungs- und Sexuallockstoff sowie zur Erkennung von Artgenossen und beeinflussen bewusst oder unbewusst andere Individuen. Für viele Säugetiere und Reptilien ist ein vemeronasales Organ (VNO) beschrieben, das der Erkennung von Pheromonen nützt; inwieweit solch ein System beim Menschen, eventuell auch nur rudimentär, existiert, wird kritisch diskutiert.
Geschmackssinn
Geschmacksstoffe werden über das gustatorische Sinnessystem wahrgenommen. Als seine Aufgabe gilt die Überprüfung der Verzehrfähigkeit von Stoffen. Ebenso wie der Riech- kann auch der Geschmackssinn das Verhalten des Individuums beeinflussen.
Geschmackssensoren
Etwa 50 Geschmackssensoren liegen in Geschmacksknospen in den Geschmackspapillen von Zunge und Zungenrändern zusammengefasst. Jedes Geschmacksneuron ist auf eine bestimmte Geschmacksqualität spezialisiert und wird allein durch diese aktiviert. Bei den Geschmackssinneszellen handelt es sich um sekundäre Sinneszellen. Bei ihrer Reizung kommt es zu Depolarisation und Freisetzung des Transmitters Glutamat. Dieser bewirkt am angeschlossenen Neuron ein Aktionspotenzial, das weiter bis in ins Gehirn geleitet wird, wo die Verarbeitung der eingegangenen Signale erfolgt.
Die von den Geschmackssensoren erkannten Qualitäten sind süß, sauer, salzig, bitter und umami, die alle durch die chemische Struktur der Geschmackstoffe bestimmt werden.
Geschmacksintensität
Die Intensität eines Geschmacks wird durch verschiedene andere Parameter wie Konzentration, Temperatur und Einwirkdauer des Geschmackstoffs bestimmt. Auch der Geruchssinn hat einen wesentlichen Einfluss auf das Geschmacksempfinden. Ist der Geruchssinn beispielsweise durch einen Schnupfen blockiert, ist das Geschmackserlebnis beeinträchtigt, obwohl das gustatorische System im Prinzip normal funktioniert. Auch bei häufigem Konsum bestimmter Geschmacksqualitäten kann es durch Adaptation zum verminderten Geschmacksempfinden kommen. Die Anzahl gustatorischer Geschmacksknospen sinkt mit zunehmendem Alter, ein Grund für eine abnehmende Geschmacksempfindung älterer Menschen. Störungen der Geschmacksempfindung (Dysgeusien) können durch Medikamente, Entzündung, Verletzungen oder Tumore der Geschmacksnervenbahnen hervorgerufen sein.
Allgemeiner chemischer Sinn
Manche Beschreibungen grenzen den allgemeinen chemischen Sinn vom „normalen“ Geruchs- und Geschmackssinn ab, weil er von freien Nervenendigungen in den Schleimhäuten von Nase, Mund, Augen u. a. vermittelt wird und zu brennenden, stechenden Empfindungen führt. Diese werden insbesondere durch sehr aggressive Reizstoffe aktiviert, wie manche Gewürze (Capsaicin), Geschmacksstoffe in sehr hohen Konzentrationen, sowie bestimmte Gase, wie Kohlendioxid und Ammoniak. Der allgemeine chemische Sinn wird mit einer Schutzwirkung in Zusammenhang gebracht und kann auch als Teil des nozizeptiven Systems (siehe somatosensorische Sinne) betrachtet werden.
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