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Welche Voraussetzungen dies in Bezug auf die Handlungsvollmacht sind, wie diese erteilt wird, welchen Umfang und welche Grenzen sie hat und auf welche Weise sie erlischt, erfährst Du in dieser Erklärung.
Handlungsvollmacht – Definition
Die Handlungsvollmacht ist eine spezielle Art der Vollmacht im Handelsrecht und ist in den §§ 54 ff. HGB geregelt. § 54 HGB ist die Rechtsgrundlage zur Erteilung einer Handlungsvollmacht. Die spezielleren Regelungen sind in den §§ 54-58 HGB festgelegt. Als Grundlage dienen die Vorschriften zur allgemeinen Stellvertretung des Bürgerlichen Gesetzbuchs gem. §§ 164 ff. BGB. Sie werden durch die Regelungen im Handelsgesetzbuch (HGB) ergänzt und spezialisiert. Da sie Sondervorschriften enthalten, musst Du die §§ 54 ff. HGB vorrangig anwenden.
Als Kaufmann, der ein Handelsgewerbe führt, ist es ab einer bestimmten Gewerbegröße nicht möglich alle Rechtsgeschäfte selbst auszuführen. Daher wird eine dritte Person, ein*eine Mitarbeiter*in, benötigt, die die Geschäfte für den Kaufmann ausführt. Dies ist durch eine Erteilung der Handlungsvollmacht möglich.
Die Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB ist eine im Rahmen eines Handelsgewerbes erteilte Vollmacht, die nicht Prokura ist. Durch die Handlungsvollmacht wird der*die Bevollmächtigte zu einer begrenzten geschäftlichen Vertretungsmacht ermächtigt. Auf Grundlage der Handlungsvollmacht hat der*die Bevollmächtigte das Recht, im Namen des*der Vollmachtgebers*in rechtsgeschäftlich zu handeln.
Die Handlungsvollmacht kann also nur für Geschäfte im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit angewandt werden. Für private Rechtsgeschäfte gilt sie nicht. Des Weiteren wird schon in § 54 Abs. 1 HGB deutlich, dass sie von der Prokura zu unterscheiden ist.
Die Handlungsvollmacht wird wegen der vielen Ähnlichkeiten auch als kleine Schwester der Prokura bezeichnet.
Wenn dem*der Mitarbeiter*in eine Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB erteilt wurde, kann er*sie etwa Geschäfte mit Dritten abschließen, Waren bestellen, Arbeitsverträge unterschreiben oder Bankgeschäfte abwickeln. Dabei sind die Mitarbeiter*innen des Unternehmens nicht uneingeschränkt, sondern nur in einem bestimmten Bereich bevollmächtigt. Sie können daher nicht generell alle Rechtsgeschäfte für den Kaufmann schließen. Allerdings sind sie in der Lage, rechtliche Handlungen in den Grenzen der Handlungsvollmacht vorzunehmen, ohne den Kaufmann um Erlaubnis fragen zu müssen.
Je nachdem in welchem Bereich und mit welchem Umfang die Handlungsvollmacht erteilt wurde, kann der*die Bevollmächtigte unterschiedliche rechtliche Handlungen und Geschäfte eigenverantwortlich ausführen.
Der Kaufmann Tim führt ein Modegeschäft und hat eine große Anzahl von Kund*innen und zwei Mitarbeiter*innen.
Er kann sich zeitlich nicht selbst um alle rechtlichen Geschäfte kümmern und hat deswegen die Mitarbeiterin Anna bevollmächtigt, die Geschäfte des Modeeinkaufs für ihn zu übernehmen. Auf Grundlage dieser Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB kann Anna eigenverantwortlich Rechtsgeschäfte im Namen und für Tim schließen.
Wiederholung – Stellvertretung §§ 164 ff. BGB
Damit Du besser verstehen kannst, was durch die Handlungsvollmacht gem. §§ 54 ff. HGB geregelt wird, solltest Du grundlegende Kenntnisse über die allgemeine Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB haben.
In den §§ 164 ff. BGB wird die Möglichkeit der rechtsgeschäftlichen Stellvertretung geregelt.
Durch eine Stellvertretung kann eine Person rechtsgeschäftlich als Vertreter*in einer anderen Person, den*der Vertretenen, handeln. Er*sie kann dabei eine Willenserklärung innerhalb der ihm*ihr zustehenden Vertretungsmacht im Namen des*der Vertretenen abgeben, § 164 Abs. 1 BGB.
Ohne eine Stellvertretung ist es nicht möglich, dass eine Person Rechtsgeschäfte für eine dritte Person abschließt, die für und gegen diese*n wirken. Er*sie muss zur rechtsgeschäftlichen Handlung im Namen der dritten Person ermächtigt werden. Dies ist durch die Erteilung der Stellvertretung gem. § 164 BGB möglich. Die Wirkung der Stellvertretung ist, dass der*die Vertreter*in für die*den Vertretene*n wirksam Willenserklärungen abgeben (§ 164 Abs. 1 BGB) und empfangen (§ 164 Abs. 3 BGB) kann.
Der*die Stellvertreter*in gibt eine eigene Willenserklärung ab und darf den Erklärungsinhalt in den Grenzen der Vertretungsmacht beeinflussen. Für die Vertragspartei, mit der das Rechtsgeschäft durch den*die Stellvertreter*in geschlossen wird, muss erkennbar sein, dass eine Stellvertretung vorliegt (Offenkundigkeitsprinzip). Der*die Stellvertreter*in muss also zu erkennen geben, dass er*sie die*die Vertretene*n vertritt. Außerdem muss der*die Vertreter*in im Rahmen ihrer Vertretungsmacht handeln.
Die Vertretungsmacht ist die rechtliche Befugnis, mit unmittelbarer Wirkung für eine dritte Person Willenserklärungen abzugeben oder zu empfangen.
Welchen Umfang die Vertretungsmacht hat, ist abhängig von der Vollmacht, die der*die Vertretene erteilt hat. Er*sie setzt also die Grenzen, in denen der*die Stellvertreter*in die rechtlichen Geschäfte schließen kann. Diese Grenzen der Vertretungsmacht dürfen von dem*der Stellvertreter*in nicht überschritten werden, weil er*sie sonst ohne Vertretungsmacht handelt. Der*die Stellvertreter*in kann in dem Fall gem. § 179 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein.
Die Vollmacht wird gem. § 167 Abs. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem*der zu Bevollmächtigten erteilt.
Die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB ist eine Möglichkeit für die*den Vertretene*n private Rechtsgeschäfte nicht selbst schließen zu müssen, sondern eine dritte Person, den*die Stellvertreter*in, einzusetzen. Der*die Stellvertreter*in ist der*die Bevollmächtigte und kann Geschäfte für und gegen die*den Vertretene*n, innerhalb der erteilten Vertretungsmacht, schließen.
Hanna betreibt einen Bauernhof und hat deswegen keine Zeit, neue Tiere zu kaufen. Sie beauftragt ihre langjährige Mitarbeiterin Julia ein neues Pferd zu kaufen und beschreibt ihr, welche Vorstellungen sie hat.
Hanna gibt Julia die Erlaubnis, das Rechtsgeschäft für sie abzuschließen und möchte, dass Julia dem*der Verkäufer*in erklärt, dass sie das Pferd für den Hof von Hanna kauft. Auf einem Pferdemarkt erklärt Julia gegenüber dem Verkäufer Ben, dass sie das Pferd im Namen von Hanna kaufen wolle. Sie schließt den Kaufvertrag ab und bringt das Pferd, das sie ausgesucht hat, zu dem Hof von Hanna. Das Pferd entspricht den Vorstellungen von Hanna und sie ist froh, dass sie genug Zeit hatte, sich um den Hof zu kümmern und Julia den Pferdekauf übernommen hat.
Bei diesem Vertragsschluss hat Julia als Stellvertreterin von Hanna gehandelt. Sie hat die Willenserklärung zum Kauf des Pferdes im eigenen Namen abgegeben. Außerdem hat sie im Rahmen ihrer Vertretungsmacht gehandelt, weil sie sich an die Beschreibung des Pferdes durch Hanna gehalten und ein Pferd gekauft hat, das den Vorstellungen von Hanna entspricht. Sie hat dem Verkäufer auch erklärt, dass sie im Namen von Hanna handelt, sodass das Offenkundigkeitsprinzip gewahrt wurde. Somit hat Julia Hanna wirksam vertreten.
Handlungsvollmachten erteilen
Der Ausgangspunkt für eine Handlungsvollmacht ist die Erteilung dieser Vollmacht. Die §§ 54 ff. HGB beinhalten keine Sonderregelungen zu der Erteilung, sodass die allgemeinen Vorschriften über die Stellvertretung gem. §§ 167 ff. BGB gelten. Die Erteilung der Vollmacht ist in §§ 167 Abs. 1, 171 Abs. 1, 172 BGB geregelt.
Eine Handlungsvollmacht kann von dem*der Inhaber*in des Handelsgeschäfts (Kaufmann) oder dem*der Prokurist*in erteilt werden. Voraussetzung ist, dass ein kaufmännisch betriebenes Geschäft gem. §§ 1-6 HGB vorliegt. Die Erteilung der Handlungsvollmacht kann mündlich oder auch konkludent erfolgen. Sie ist also nicht an eine bestimmte Form gebunden. Außerdem ist auch keine Eintragung in das Handelsregister notwendig. Der*die Handlungsbevollmächtigte muss das Bestehen der Handlungsvollmacht durch eine Unterschrift bestätigen, § 57 HGB.
Konkludentes Verhalten ist ein Handeln, das auf einen bestimmten Willen schließen lässt und eine ausdrückliche Willenserklärung ersetzt. Durch die konkludente Erklärung kann der*die Empfänger*in von einer Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen ausgehen.
Der Kaufmann Felix möchte seiner Mitarbeiterin Tina eine Handlungsvollmacht erteilen, damit sie die Einkäufe für sein Geschäft übernehmen kann. Er fragt sich, wie er die Vollmacht erteilen kann und worauf er achten muss.
Felix ist Inhaber eines Handelsgeschäfts, sodass er eine Handlungsvollmacht grundsätzlich erteilen kann. Die Erteilung der Vollmacht erfolgt nach den Regelungen in §§ 167 Abs. 1, 171 Abs. 1, 172 BGB. Die Vollmacht kann Felix erteilen durch:
- Erklärung gegenüber der Vertreterin, § 167 Abs. 1 BGB
- Erklärung gegenüber einem*einer Dritten, § 167 Abs. 1 BGB
- Erklärung an die Öffentlichkeit, § 171 Abs. 1 BGB
- eine Urkunde, § 172 BGB
Er kann die Vollmacht ausdrücklich oder durch konkludentes Verhalten formfrei erklären und muss sie nicht im Handelsregister eintragen lassen.
Handlungsvollmacht – Umfang
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, in welchem Umfang der*die Handlungsbevollmächtigte Rechtsgeschäfte für den Kaufmann schließen kann. Der Umfang der Handlungsvollmacht wird nicht gesetzlich begrenzt, sondern wird zwischen dem Kaufmann und dem*der Handlungsbevollmächtigten frei vereinbart.
Die Rechtsfolgen und Auswirkungen der Handlungsvollmacht sind abhängig von dem Umfang, in dem diese durch den Kaufmann erteilt worden ist. Der Umfang der Handlungsvollmacht ist abhängig davon, welche Art von Handlungsvollmacht erteilt worden ist. Dabei wird der Umfang der Handlungsvollmacht immer im Einzelfall zwischen den Beteiligten geregelt.
Der*die Handlungsbevollmächtigte kann nur solche Rechtsgeschäfte schließen, die das konkret betriebene Handelsgewerbe des Kaufmanns mit sich bringt. Ein Handlungsbevollmächtigter eines Tischlerbetriebs kann beispielsweise nur für diesen Betrieb typische Geschäfte und keine, branchenfremde Rechtsgeschäfte, abschließen.
Handlungsvollmacht – Arten
Wenn Du den § 54 HGB liest, fällt Dir vielleicht auf, dass er drei verschiedene Arten der Handlungsvollmacht beinhaltet.
Die Handlungsvollmacht ermächtigt gem. § 54 Abs. 1 HGB:
zum Betrieb eines Handelsgewerbes (Allgemeine Handlungsvollmacht/Generalhandlungsvollmacht)
zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörenden Art von Geschäften (Arthandlungsvollmacht)
zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte (Spezialhandlungsvollmacht)
Damit Du diese Arten der Handlungsvollmacht voneinander abgrenzen kannst, solltest Du wissen, was sie bedeuten.
Generalhandlungsvollmacht
Die Generalhandlungsvollmacht ist die umfangreichste Möglichkeit der Erteilung einer Handlungsvollmacht. Der*die Bevollmächtigte ist zum Betrieb eines Handelsgewerbes ermächtigt.
Die Generalhandlungsvollmacht bevollmächtigt zu allen Rechtsgeschäften, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB.
Der*die Generalhandlungsbevollmächtigte kann durch die Ermächtigung alle Rechtsgeschäfte schließen, die branchentypisch und gewöhnlich für das konkret betriebene Handelsgewerbe sind. Für diese branchentypischen und gewöhnlichen Rechtsgeschäfte ist die Handlungsvollmacht nicht beschränkt, sondern es können so gut wie alle infrage kommenden Geschäfte geschlossen werden.
Nina ist Mitarbeiterin eines Malerbetriebes. Ihr wurde von der Inhaberin Kira eine Generalhandlungsermächtigung gem. § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB erteilt. Dadurch kann sie umfangreiche Geschäfte für den Betrieb schließen.
Sie hat die Vertretungsmacht für alle Handlungen und Geschäfte, die für den Malerbetrieb üblich sind. Nina kann somit unter anderem Farbe und Pinsel kaufen.
Arthandlungsvollmacht
Die Arthandlungsvollmacht ist in § 54 Abs. 1 Var. 2 HGB geregelt.
Die Arthandlungsvollmacht ermächtigt die*den Bevollmächtigte*n eine bestimmte Art von Handlungen und Geschäften zu tätigen.
Der*die Handlungsbevollmächtigte ist nur dazu befugt, Rechtsgeschäfte für einen bestimmten Bereich eigenverantwortlich zu schließen. Der Umfang der Handlungsvollmacht beschränkt sich auf den Abschluss von Geschäften, die für diese Art von Geschäften gewöhnlich sind.
Insbesondere bei Betrieben, die viele verschiedene Aufgabenbereiche haben, wird die Arthandlungsvollmacht erteilt. Der*die Bevollmächtigte kann nicht generell alle Geschäfte für den Betrieb schließen, sondern ist auf einen bestimmten Aufgabenbereich beschränkt.
Kai ist Mitarbeiter eines Autohauses. Er selbst ist Kfz-Mechaniker. Zu dem Betrieb gehört sowohl eine Kfz-Werkstatt, als auch der An- und Verkauf von Autos. Kai wird von der Inhaberin des Autohauses ermächtigt, die Rechtsgeschäfte für den Bereich der Kfz-Werkstatt zu schließen.
Somit wurde eine Arthandlungsvollmacht gem. § 54 Abs. 1 Var. 2 HGB erteilt. Kai kann nicht generell alle Geschäfte für den Betrieb abschließen, sondern nur die eines bestimmten Aufgabenbereichs.
Spezialhandlungsvollmacht
Die dritte Möglichkeit der Handlungsvollmacht ist die Spezialhandlungsvollmacht gem. § 54 Abs. 1 Var. 3 HGB.
Die Spezialhandlungsvollmacht ist auf einzelne Geschäfte des betriebenen Handelsgewerbes beschränkt.
Der*die Handlungsbevollmächtigte kann daher nur einzelne Geschäfte für den Betrieb schließen. Das einzelne Geschäft wird vorher konkretisiert und die Handlungsvollmacht gilt nur für den Abschluss dieses Geschäfts.
Max ist Mitarbeiter bei einer Gärtnerei. Er wird durch die Inhaberin des Betriebs dazu ermächtigt, einen Rasenmäher zu kaufen. Es ist vereinbart, dass Max dieses eine Geschäft durchführen kann und die konkrete Sache kaufen soll.
Daher wurde eine Spezialhandlungsvollmacht erteilt.
Ausnahme nach § 54 Abs. 2 HGB
Gesetzlich ist die Handlungsvollmacht nur gem. § 54 Abs. 2 HGB eingeschränkt. Demnach ist der*die Handlungsbevollmächtigte grundsätzlich nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ermächtigt. Wenn der Kaufmann und der*die Handlungsbevollmächtigte vereinbart haben, dass die Handlungsvollmacht auch diese Befugnisse enthalten soll, kann der*die Handlungsbevollmächtigte auch diese Rechtsgeschäfte schließen.
Die Handlungsbevollmächtigte Clara möchte ein Grundstück des Kaufmanns verkaufen. Dies ist nur möglich, wenn der Kaufmann ihr die Befugnis zur Veräußerung erteilt, § 54 Abs. 2 BGB. Clara kann nicht frei darüber entscheiden, ob sie das Grundstück als Handlungsbevollmächtigte verkauft.
Missbrauch der Handlungsvollmacht
Wie Du Dir vielleicht vorstellen kannst, kann es dazu kommen, dass der*die Handlungsbevollmächtigte die Grenzen der Handlungsvollmacht überschreitet. Der*die Handlungsbevollmächtigte wird in dem Fall außerhalb der Befugnisse tätig.
Bei dem Missbrauch der Handlungsvollmacht gilt § 179 BGB. Der*die Handlungsbevollmächtigte haftet für das Geschäft ohne Vertretungsmacht. Der*die dritte Person wird in seinem*ihrem guten Glauben geschützt gem. §§ 170-173 BGB. Der*die Vertragspartner*in darf also weiterhin von einem Handeln innerhalb der Handlungsvollmacht ausgehen. Wenn der*die Vertragspartner*in wusste oder wissen musste, dass der*die Handlungsbevollmächtigte ohne Vertretungsmacht handelt, haftet der*die Handlungsbevollmächtigte nicht, § 179 Abs. 3 BGB.
Luis ist durch eine Spezialhandlungsvollmacht dazu ermächtigt, für die Bäckerei, in der er arbeitet, einen bestimmten Ofen zu kaufen. Er wusste, dass er ein bestimmtes Modell kaufen sollte.
Luis kauft bei der Verkäuferin Paula ein anderes Modell des Ofens. Außerdem kauft er noch 50 kg Mehl und eine Waage bei Paula im Namen der Bäckerei. Die Inhaberin der Bäckerei ist nicht begeistert von dem Kauf. Sie kann mit diesem Modell des Ofens nichts anfangen und braucht auch das Mehl und die Waage nicht.
Dadurch, dass sich Luis nicht an die Grenzen der Vertretungsmacht gehalten hat, hat er ohne Vertretungsmacht gehandelt. Paula wusste nichts von dem Handeln ohne Vertretungsmacht, sodass Luis ihr gegenüber gem. § 179 BGB haftet.
Erlöschen der Handlungsvollmacht
Die Handlungsvollmacht kann aus verschiedenen Gründen erlöschen. Im Handelsgesetzbuch findest Du dazu keine speziellen Vorschriften. Deswegen gelten die Vorschriften des allgemeinen Teils des Bürgerlichen Gesetzbuchs gem. §§ 168 f. BGB.
Die Handlungsvollmacht erlischt
wenn der mit ihr verbundene Zweck erreicht ist
bei einer befristeten Vollmacht, wenn die Zeit abgelaufen ist
wenn das Grundverhältnis (Dienst- oder Auftragsverhältnis) beendet wird, § 168 S. 1 BGB
wenn die Vollmacht durch Widerruf beendet wird, § 168 S. 2, 3 BGB
wenn die bevollmächtigende Urkunde zurückgegeben oder für kraftlos erklärt wird, § 172 Abs. 2 BGB
wenn über das Vermögen des*der Inhabers*in ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, § 117 InsO
wenn der*die Handlungsbevollmächtigte stirbt oder geschäftsunfähig wird, §§ 673 S. 1, 675 BGB
Handlungsvollmacht und Prokura - Abgrenzung
Die Handlungsvollmacht gem. §§ 54 ff. HGB ähnelt in vielen Punkten der Prokura gem. §§ 48 ff. HGB. Allerdings gibt es wichtige Unterschiede, die Du im Folgenden kennenlernen wirst.
Die Prokura ist eine vom Kaufmann erteilte Vollmacht, die zu allen Arten von Rechtsgeschäften ermächtigt, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt.
Insbesondere bei dem Umfang der Vollmacht ergibt sich ein großer Unterschied. Bei einer Handlungsvollmacht darf der*die Handlungsbevollmächtigte immer nur branchenübliche Geschäfte tätigen. Dies gilt auch für die Generalhandlungsvollmacht, die der Prokura am meisten ähnelt. Der*die Prokurist*in darf grundsätzlich alle infrage kommenden Geschäfte für den Betrieb übernehmen. Der Umfang der Prokura wird gesetzlich in § 49 HGB konkretisiert und ist dabei deutlich weiter als der einer Handlungsvollmacht.
Die Prokura muss außerdem ausdrücklich erteilt und die Erteilung muss in das Handelsregister eingetragen werden, § 53 Abs. 1 HGB. Eine Handlungsvollmacht kann auch konkludent erteilt und muss nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Des Weiteren muss die Prokura von dem*der Inhaber*in des Handelsgeschäfts selbst erteilt werden. Die Handlungsvollmacht kann auch durch den*die Prokurist*in erteilt werden. Ein weiterer Unterschied betrifft die Übertragbarkeit. Die Handlungsvollmacht kann mit Zustimmung des*der Handlungsbevollmächtigten und des*der Vollmachtgebers*in an eine andere Person übertragen werden. Die Prokura ist dagegen nicht an eine dritte Person übertragbar.
Handlungsvollmacht – Das Wichtigste
- Die Handlungsvollmacht ist in §§ 54 ff. HGB geregelt.
- Die allgemeinen Vorschriften zur Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB sind anwendbar, wenn das HGB keine Spezialregelungen beinhaltet.
- Durch die Handlungsvollmacht wird der*die Bevollmächtigte zu einer begrenzten geschäftlichen Vertretungsmacht ermächtigt. Auf Grundlage der Handlungsvollmacht hat der*die Bevollmächtigte das Recht, im Namen des*der Vollmachtgebers*in rechtsgeschäftlich zu handeln.
- Die Handlungsvollmacht kann von dem*der Inhaber*in des Handelsgeschäfts (Kaufmann) oder dem*der Prokurist*in erteilt werden. Voraussetzung ist, dass ein kaufmännisch betriebenes Geschäft gem. §§ 1-6 HGB vorliegt.
- Der Umfangder Handlungsvollmacht wird nicht gesetzlich begrenzt, sondern wird zwischen dem Kaufmann und dem*der Handlungsbevollmächtigten frei vereinbart.
§ 54 Abs. 1 HGB beinhaltet drei Arten der Handlungsvollmacht, die sich im Umfang der Vollmacht unterscheiden.
Die Generalhandlungsvollmacht bevollmächtigt zu allen Rechtsgeschäften, die der Betrieb des Handelsgewerbes mit sich bringt, § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB.
- Der*die Generalhandlungsbevollmächtigte kann alle Rechtsgeschäfte schließen, die branchentypisch und gewöhnlich für das konkret betriebene Handelsgewerbe sind.
- Die Arthandlungsvollmacht ermächtigt die*den Bevollmächtigte*n eine bestimmte Art von Handlungen und Geschäften zu tätigen, § 54 Abs. 1 Var. 2 HGB.
- Der*die Handlungsbevollmächtigte ist nur dazu befugt, Rechtsgeschäfte für einen bestimmten Bereich eigenverantwortlich zu schließen.
- Die Spezialhandlungsvollmacht ist auf einzelne Geschäfte des betriebenen Handelsgewerbes beschränkt, § 54 Abs. 1 Var. 3 HGB.
- Der*die Handlungsbevollmächtigte kann daher nur einzelne Geschäfte für den Betrieb schließen.
Für die Folgen des Missbrauchs der Handlungsvollmacht und des Erlöschens der Handlungsvollmacht gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB (§ 179 BGB und §§ 168 f. BGB).
Die Handlungsvollmacht ist von der Prokura abzugrenzen, weil der Umfang, die Erteilung, die Übertragbarkeit und der Handlungsspielraum unterschiedlich geregelt sind.
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Handlungsvollmacht
Was ist der Unterschied zwischen Prokura und Handlungsvollmacht?
Bei einer Handlungsvollmacht darf der*die Handlungsbevollmächtigte immer nur branchenübliche Geschäfte tätigen. Der*die Prokurist*in darf grundsätzlich alle infrage kommenden Geschäfte für den Betrieb übernehmen.
Die Prokura muss ausdrücklich von dem*der Inhaber*in des Handelsgeschäfts erteilt und die Erteilung muss ins Handelsregister eingetragen werden, § 53 Abs. 1 HGB. Die Handlungsvollmacht kann auch konkludent erteilt und muss nicht eingetragen werden.
Was darf man mit einer allgemeinen Handlungsvollmacht?
Die allgemeine Handlungsvollmacht wird auch Generalhandlungsvollmacht genannt. Der*die Generalhandlungsbevollmächtigte kann durch die Ermächtigung alle in Betracht kommenden Rechtsgeschäfte schließen, die branchentypisch und gewöhnlich für das konkret betriebene Handelsgewerbe sind, § 54 Abs. 1 Var. 1 HGB.
Welche Arten von Handlungsvollmacht gibt es?
In § 54 Abs. 1 HGB sind drei verschiedene Arten von Handlungsvollmachten geregelt. Es gibt die Generalhandlungsvollmacht, die Arthandlungsvollmacht und die Spezialhandlungsvollmacht.
Was ist eine Handlungsvollmacht?
Eine Handlungsvollmacht ist eine Form der Stellvertretung im Handelsrecht. Durch die Handlungsvollmacht wird der*die Bevollmächtigte zu einer begrenzten geschäftlichen Vertretungsmacht ermächtigt.
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